Interview

Geothermie: Staatssekretär will es "besser und sicherer“ machen

Zwei Unternehmen wollen die Tiefen-Geothermie in der Region erschließen, um das Fernwärmenetz zu speisen und auch Lithium zu gewinnen. So will Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann Kritiker der Technologie überzeugen

Von 
Bernhard Zinke
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So könnte ein Geothermie-Kraftwerk der Firma Geohardt aussehen. © Geohardt

Rhein-Neckar. Mindestens zwei Firmen stehen in den Startlöchern, um Geothermie für die Region zu nutzen, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen. Geohardt, ein Joint Venture der MVV und EnBW, will mit Erdwärme die Grundlast des Mannheimer Grosskraftwerks ersetzen. Vulcan Energy zielt neben der Erdwärme auch auf die Gewinnung von Lithium als Rohstoff unter anderem für Autobatterien. André Baumann (Grüne), Staatssekretär im Stuttgarter Umweltministerium, hat in den vergangenen Tagen beide Unternehmen besucht.

Herr Baumann, Geohardt und Vulcan wollen die Geothermie in der Region vorantreiben. Wie ist der Stand der Entwicklung?

Andre Baumann: Aktuell suchen die Firmen den richtigen Standort für ihre Kraftwerke. Geohardt möchte nach der Sommerpause den Standort veröffentlichen.

Eigentlich wollten die Firmen schon im Herbst letzten Jahres soweit sein und die Orte der Bohrungen benennen.

Baumann: Die Verzögerung liegt nicht an der Landesverwaltung. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir haben Workshops mit den Projektierern durchgeführt. Klar ist, bei der Sicherheit gibt es keine Rabatte. Wir haben jedoch daran gearbeitet, dass der Genehmigungsprozess von Geothermie-Anlagen effizient ist. Wir brauchen einen baldigen Ausbau der Geothermie für die Wärmewende, gerade hier in Mannheim und Umgebung mit 160 000 angeschlossenen Haushalten am Fernwärmenetz.

Mit die spannendste Frage ist: Wo entstehen die Kraftwerke? Wo wird gebohrt? Wissen die Firmen schon die potenziellen Standorte?

Baumann: Die konkrete Standortsuche liegt in der Verantwortung der Unternehmen. Ich habe den Eindruck, dass die sich intensiv Gedanken gemacht haben, wo sie bohren werden.

Geothermie

  • Mit Geothermie wird die unter der Erdoberfläche gespeicherte Erdwärme bezeichnet.
  • Diese lässt sich durch die Förderung von heißem Wasser nutzen, das in einer Tiefe von etwa 2000 bis 4000 Meter fließt.
  • Das Wasser hat dort eine Temperatur von 130 bis 160 Grad. Bei Probebohrungen in Graben-Neudorf maßen die Experten mehr als 200 Grad.
  • Geothermie lässt sich für Fernwärme, aber auch für die Stromgewinnung nutzen. Das Unternehmen Vulcan will zudem im Wasser enthaltenes Lithium als Rohstoff fördern. 

Die Bürgerinnen und Bürger treibt unter anderem auch die Sorge vor Erdbeben durch Geothermie um. Das ist ein wichtiges Thema: Wie wollen Sie die Leute beruhigen?

Baumann: Die Geothermie ist eine weltweit etablierte Technologie. Man holt heißes Thermalwasser aus einer Tiefe von 2000 bis 4000 Metern. Wir wollen und müssen die Energiewende schaffen und haben dafür im Oberrheingraben einen wahren Schatz unter unseren Füßen. In Mannheim wird das fossile Kohle-Großkraftwerk rund um das Jahr 2030 abgeschaltet. Wir brauchen hier einen Leistungsträger als Ersatz. Wir haben Flusswärme, Wärme aus dem Müllheizkraftwerk auf der Friesenheimer Insel in Mannheim. Aber ohne Geothermie werden wir die Wärmewende nicht schaffen. Rund drei Geothermie-Kraftwerke werden für die Grundversorgung des Fernwärmenetzes gebraucht. Aber nur, wenn diese sicher sind, gibt’s den Hochlauf der Geothermie. Das Gute ist: Wir können von den guten, aber auch von den schlechten Erfahrungen in den anderen Ländern lernen. Wir werden es bei uns besser und sicher machen.

Kommentar Vertrauen in die Geothermie schaffen

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Wie wollen Sie denn diese Sicherheit garantieren?

Baumann: Wir erlauben in Baden-Württemberg nur eine hydrothermale Geothermie. Es wird also nur erlaubt, ins Sedimentgestein zu bohren - dort, wo das heiße Wasser schon jetzt fließt. Es wird also nicht mit hohem Druck und Chemie ins harte kristalline Gestein gebohrt und dieses erst aufgebrochen. Außerdem verlangen wir ein dreidimensionales Bild des geologischen Untergrunds via 3D-Seismik. Damit sehen wir nicht nur, wo es sich lohnt zu bohren. Wir sehen auch tektonische Schwachstellen. Das hat man in der Pfalz, Hessen und auch in Frankreich nicht vorgeschrieben. Außerdem verlangen wir von den Unternehmen auf deren Kosten eine permanente seismische Überwachung. Die Daten werden direkt an das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg übermittelt. Das lässt bei entsprechender Seismizität die Anlagen sofort drosseln oder ganz abschalten.

Andre Baumann

  • Der Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium ist 1973 in Heidelberg geboren und in Schwetzingen aufgewachsen, wo er heute auch lebt.
  • An der Uni Marburg hat er Biologie mit den Schwerpunkten Naturschutz und Ökologie studiert. Promoviert wurde der Diplom-Biologe in Regensburg. Ein zweites Hauptstudium der Rechtswissenschaften hat er absolviert, aber nicht abgeschlossen.
  • Von 2007 bis 2016 war er hauptamtlicher Vorsitzender des NABU Baden-Württemberg.
  • Seit 2016 ist Baumann – mit Unterbrechungen – Staatssekretär im Umweltministerium.
  • Bei der Landtagswahl 2021 gewann er das Direktmandat seines Wahlkreises. 

Eine Frage ist auch der Versicherungsschutz. Wer bezahlt, wenn die Erde trotz aller Maßnahmen bebt und Risse im Haus entstehen?

Baumann: Auch da unterscheiden wir uns von allen anderen Bundesländern: Wir verlangen zusätzlich zu der Bergschadensausfallkasse den Abschluss einer Haftpflichtversicherung durch die Unternehmen. Wir arbeiten mit Gürtel und Hosenträger. Zurzeit lassen wir auch Gutachten erstellen von einem ausgewiesenen Versicherungsexperten der Universität Mannheim. Der schaut sich an, wo Bund und Land die Schadensabwicklung noch optimieren können.

Im Falle eines Schadens: Wer muss den Nachweis erbringen?

Baumann: Wenn es ein Schadensereignis gibt - das kann unser landeseigener Erdbebendienst messen -, dann muss das Unternehmen nachweisen, dass die Schäden nicht von dem aktuellen Erdbeben kommen. Das ist eine besondere Form der Beweislastumkehr. Man kann sehr genau objektiv feststellen, ob es sich bei Schäden beispielsweise um alte oder neue Risse handelt.

Wie wollen Sie den Zielkonflikt auflösen: Geothermie lohnt sich da, wo Brüche in der Erdkruste sind. Aber deswegen gibt’s auch dort die Gefahr von Erdbeben.

Baumann: Es gibt hier eine natürliche Seismizität. Die ist in manchen Gegenden des Oberrheingrabens stärker, rund um Mannheim ist sie deutlich schwächer. Bei gut geplanter und ausgeführter Geothermie wackelt’s auch nicht mehr, als es das von Natur aus täte. Wenn wir das erste Geothermiekraftwerk hier gut zum Laufen bringen, werden wir die Menschen überzeugen.

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Wie groß schätzen Sie denn das Protestpotenzial ein? Ähnlich hoch wie aktuell bei der Ausweisung von Flächen für Windräder?

Baumann: Das Protestpotenzial gibt es. Wir unterscheiden zwischen Kritikern und Gegnern. Harte Geothermiegegner kann man oft genauso wenig überzeugen wie Windkraftgegner. Aber Kritiker haben Fragen und kommen mit konstruktiver Kritik. Wenn man zuhört und Fragen gut beantwortet, kann man Kritiker auch überzeugen. Manchmal ist es hilfreich, sich eine laufende Anlage anzuschauen, um Menschen zu überzeugen.

Wann werden die ersten Geothermie-Anlagen in der Region laufen?

Baumann: Ich hoffe, dass wir in zwei Jahren die erste Anlage am Start haben. Wir arbeiten als Landesregierung dafür, dass es schnell und trotzdem sicher funktioniert.

Welche Rolle sehen Sie für die Politik in dieser Frage?

Baumann: Wir müssen die Sorgen der Menschen sehr ernst nehmen und Anregungen in praktische Politik umwandeln. Wir müssen zeigen, dass wir den Weg der Sicherheit gehen. Es ist wichtig, das Gespräch mit den Bürgern zu suchen, zu argumentieren und zu erklären. Viel besser ist es noch, sich laufende Anlagen anzuschauen.

Ist Geothermie mehrheitsfähig?

Baumann: Ich glaube schon. Die Technik ist klimaneutral, kein Schornstein raucht mehr, sie verbraucht im Vergleich zu einem Kohlekraftwerk auch kaum Fläche. Es ist das Phänomen unserer Zeit, dass Kritiker eher wahrgenommen werden als die große schweigende Mehrheit, die dafür ist, aber sich nicht zu Wort meldet. Das sehen wir ja bei vielen Themen.

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