Kernenergie

Atommüll bleibt Biblis und Philippsburg noch Jahrzehnte erhalten

Die Zwischenlager für radioaktiven Abfall in Biblis und Philippsburg sind nur bis 2046 und 2047 genehmigt. Doch schon jetzt ist absehbar, dass der strahlende Müll länger vor Ort bleibt. Die Vorbereitungen dafür laufen

Von 
Bernhard Zinke
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Ein Blick ins Brennelemente-Zwischenlager in Biblis. Hier lagern insgesamt 108 Castorbehälter mit hoch radioaktivem Abfall aus dem Kernkraftwerk. © Christopher Mick/BGZ

Biblis/Philippsburg. Die beiden Kernkraftwerke am Rande der Metropolregion sind längst abgeschaltet. Gleichwohl lagert sowohl in Biblis (Kreis Bergstraße) als auch in Philippsburg (Kreis Karlsruhe, gegenüber von Speyer) noch immer das strahlende Erbe in Zwischenlagern für hochradioaktive Abfälle. Genehmigt sind diese bis 2046 (Biblis) und 2047 (Philippsburg).

Es war eine politische Entscheidung Anfang der 2000er Jahre, die Genehmigung auf 40 Jahre zu begrenzen - obwohl schon damals absehbar war, dass bis Mitte der 2040er Jahre kein Endlager für die hochradioaktiven Abfälle zur Verfügung stehen würde.

In Deutschland läuft die Suche nach einem Endlager auf Hochtouren

Aktuell läuft die Suche nach einem Endlager in Deutschland auf Hochtoren. Die dazu eigens gegründete Bundesgesellschaft für die Endlagerung (BGE) hat den Auswahlprozess gestartet. Mit der Bekanntgabe eines möglichen idealen Standortes wird nicht vor Mitte der 2040er Jahre gerechnet - also genau dann, wenn die Genehmigung der Zwischenlager in Biblis und Philippsburg abläuft.

Zwischenlager Biblis und Philippsburg

  • Das Zwischenlager in Biblis fasst 135 Castorbehälter.
  • Tatsächlich lagern dort 108 Castoren, davon sechs mit Atommüll aus deutschen Kernkraftwerken, die in der Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield (England) für die Endlagerung aufbereitet wurden.
  • In Philippsburg stehen 102 Castoren, 152 dürften dort untergebracht werden.
  • Noch vier Castoren werden aus dem französischen La Hague angeliefert. Ein Termin steht noch nicht fest.

 

Deshalb arbeitet die zweite bundeseigene Gesellschaft für die Zwischenlagerung (BGZ) mit Hochdruck an der Verlängerung der Zwischenlager-Genehmigungen. „Wobei es sich nicht um eine Verlängerung, sondern um eine komplette neue Genehmigung handelt“, betont Genevieve Mulack, Sprecherin der BGZ. Allerdings drängt die Zeit an anderer Stelle noch viel mehr: Denn für die Zwischenlager in Gorleben und Ahaus läuft die Genehmigung schon 2034 und 2036 aus.

Um die Sicherheit aller Zwischenlager nachzuweisen, hat die BGZ schon seit 2021 ein internationales Forschungsprogramm aufgelegt. Daran sind Universitäten, Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen beteiligt. Rund 20 Einzelprojekte beschäftigen sich mit der Sicherheit der Gebäude, der Behälter und des strahlenden Inhalts. „Wir haben es ja mit einem ganzen Zoo an Teilchen in den Castoren zu tun“, beschreibt BGZ-Forscher Maik Stuke die Herausforderungen. Denn in den Behältern lagern hochradioaktive Abfälle der verschiedensten Art und verschiedenster Herkunft. Da gibt es abgebrannte Brennstäbe aus Druck- und aus Siedewasserreaktoren, die sich voneinander unterscheiden.

Maik Stuke (links) erforscht mit Kollegen das Langzeitverhalten von Castorbehältern und deren hochradioaktiven Inhalten. © BGZ

Es gibt in Glaskokillen eingeschlossenen Atommüll aus den Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield (England) und La Hague (Frankreich) und weitere strahlende Stoffe aus der Verwendung in Kernkraftwerken. Die müssen weiterhin sicher verpackt in Biblis und Philippsburg stehen bleiben. Und zwar so lange, bis ein Endlager zur Verfügung steht.

Dichtungen des Deckes stehen im Fokus

Die besondere Herausforderung der Forscher bei der Fragestellung: „Wir haben keine 100 Jahre alten Castorbehälter“, sagt Stuke. Der erste Castor, der beladen wurde, stammt aus dem Jahr 1992. Also müsse man mit wissenschaftlichen Modellen arbeiten und mögliche Entwicklungen vorausberechnen.

Ein besonderer Fokus liegt auf den Behältern, vor allem bekannt als Castoren. Eine Genehmigung hängt vor allem von der Einhaltung der genau definierten Schutzziele ab, erläutert der promovierte Physiker Stuke. Das sind im Einzelnen: Die Restwärme, die der hochradioaktive Abfall immer noch abgibt, muss zuverlässig abgeleitet werden, es darf keine unkontrollierte Kettenreaktionen geben, die radioaktive Strahlung muss abgeschirmt werden und das Material sicher dauerhaft eingeschlossen sein.

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Da die Castoren jeweils 120 Tonnen schwere Behälter aus dickwandigem, nahezu unzerstörbarem Stahl sind, konzentriert sich ein wesentlicher Teil der Forschung auf die Dichtungen des Deckels. Die spannende Frage, die es unter anderem zu beantworten gilt: Wie reagiert die mit Silber oder Aluminium ummantelte Metallspirale im Lauf der Jahre und Jahrzehnte auf den Druck, der auf dem Deckel lastet? Dazu sind einige Versuchsanordnungen gemeinsam mit den Herstellern aufgesetzt. Die Hitze sei eigentlich kein Thema, die sei nach ein paar Jahren weg, erläutert Stuke.

1500 Castorbehälter werden in Deutschland eingelagert - jeder hat eigenen Fingerabdruck

Aber auch die permanente Überwachung der Zwischenlager schreibt die BGZ groß. Jeder einzelne der aktuell 1500 in Deutschland eingelagerten Castorbehälter habe einen eigenen Fingerabdruck, abhängig von seinem individuellen Inhalt. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Dichtigkeit der Behälter. Der Zwischenraum zwischen den beiden Deckeln steht durch ein Edelgas unter Druck. Sobald sich dieser Druck verändert, weiß die BGZ, dass einer der beiden Deckel undicht ist. Das sei aber im Lauf der vergangenen 30 Jahre noch nie vorgekommen. Sollte ein Überwachungssystem indessen Alarm schlagen, liegen Reparaturkonzepte in der Schublade. In bestimmten Fällen wird ein weiterer, sogenannter Fügedeckel auf den Castorbehälter aufgeschweißt oder der obere Deckel repariert. Geöffnet wird der Castor nicht.

Die Anträge zur Verlängerung der Zwischenlager-Genehmigung muss die BGZ acht Jahre vor Auslaufen der Genehmigung einreichen. Für Biblis und Philippsburg müsste ein jeweiliger Antrag also in den Jahren 2038 beziehungsweise 2039 gestellt werden. Aber wie gesagt: Noch mehr drängt die Zeit bei Gorleben und Ahaus. Für Gorleben will die Bundesgesellschaft den Antrag bereits in zwei Jahren, 2026 fertig haben, für Ahaus zwei Jahre später. Wenn Biblis und Philippsburg an der Reihe sind, dürften die Neuanträge auf die Genehmigung der Zwischenlager dann fast schon Routine sein.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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