Trauer

Gedenkandacht nach Messerattacke in Ludwigshafen: „Auch mein Herz ist verwundet“

Rund 300 Menschen haben am Dienstag bei einer Trauerandacht in der Christ-König-Kirche in Ludwigshafen der beiden Männer gedacht, die vor einer Woche im Stadtteil Oggersheim Opfer einer brutalen Messerattacke geworden sind

Von 
Agnes Polewka
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Mit einem Lichtermeer haben die Besucherinnen und Besucher der Trauerandacht an die beiden Männer erinnert, die bei einer Messerattacke starben. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Jonas und Sascha - das sind die Namen der beiden Männer, die am vergangenen Dienstag bei einer Messerattacke im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim gestorben sind. Genau eine Woche nach ihrem Tod versammeln sich am Dienstag rund 300 Menschen in der Kirche Christ-König zu einer Trauerandacht. Um innezuhalten - und tief in den Schmerz hinein zu spüren, den der Tod von Jonas und Sascha verursacht hat. Der Tod von zwei Männern, die ein Leben hatten, eine Geschichte. Freunde, eine Familie. Um 12.20 Uhr - zu dieser Zeit gingen vor einer Woche die ersten Notrufe bei der Polizei ein - beginnen am Dienstag in Oggersheim die Kirchenglocken zu läuten. Zehn Minuten lang.

Raum für Gefühle und Gedanken

„Weil es unfassbar ist - darum kommen wir jetzt zusammen“, sagt die evangelische Pfarrerin Kerstin Bartels. „Als Angehörige, als Freundinnen und Freunde, als Kolleginnen und Kollegen, als Erschrockene und Erschütterte, als Helferinnen und Helfer - als Bewohner dieser Stadt.“

Während Bartels spricht, flackert neben dem Taufbecken vor dem Altar eine Kerze. Jonas’ Taufkerze. Der 20-Jährige wurde in der Christ-König-Kirche getauft. Seine Eltern haben die Kerze am Dienstag wieder dorthin gebracht, um an den Beginn seines Lebens zu erinnern, während sie Jonas’ Tod betrauern.

Die Taufkerze eines der Getöteten, der in der Christ-König-Kirche getauft wurde. © Christoph Blüthner

„Zwei Menschen haben durch ein brutales Verbrechen ihr Leben verloren“, sagt Bartels. Ihre Sätze hallen nach. Stille legt sich über die Menschen in der Kirche. Immer wieder halten die Geistlichen inne, die die ökumenische Trauerandacht gestalten. Um den Gedanken und Gefühlen der Menschen Raum zu geben. Sie vor Gott zu tragen oder „sie ihm auch vor die Füße zu werfen“, erklärt Kerstin Bartels nach der Andacht im Gespräch mit dieser Redaktion.

Der Blick der Pfarrerin wandert zu den Angehörigen der beiden Männer und zu Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, zu Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD). Steinruck schweigt während der Andacht, sie nimmt sich zurück. In sich gekehrt sitzt sie auf der Kirchenbank, nachdem sie die Angehörigen von Jonas und Sascha vor der Kirche in ihre Arme geschlossen hat, sie fest an sich gedrückt hat. Später, nach der Veranstaltung, wird sie Journalisten wieder Rede und Antwort stehen, in einem Meer aus Mikrofonen und Kameras versinken. Den Reporterinnen und Reportern davon berichten, wie schwer die Messer-Attacke auf die beiden Handwerker in der Philipp-Scheidemannstraße die Stadt getroffen hat. Wie tief die Wunden sind, die vielleicht nie mehr heilen werden. Und sie wird ihnen sagen: „Auch mein Herz ist verwundet.“

Große Trauer in der Stadt

Aber in der Kirche taucht die Oberbürgermeisterin in die Stille der Andacht ein. Es darf nicht fotografiert und gefilmt werden. Sie beobachtet, wie Hunderte Kerzen im Innenraum des Gotteshauses entzündet werden. Die Geistlichen laden die Trauernden dazu ein, sie mit ihren Wünschen und Gedanken vor dem Altar abzustellen - oder sie mit nach Hause zu nehmen. Als Zeichen der Hoffnung und des Friedens. Hinterbliebene, Einsatzkräfte in Uniform, Anwohner, Menschen, die die Tat beobachtet haben - sie alle kommen in den vorderen Teil des Kirchenschiffs, um ihre Kerzen in die Sandbottiche vor dem Altar zu stecken.

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Die Messerattacke hat viele Menschen in Ludwigshafen ins Mark getroffen, ihren Glauben an eine gute und gerechte Welt erschüttert. „Ich bin so traurig, das macht mich alles so traurig“, sagt eine ältere Besucherin der Andacht. Sie hat auf einer Bank vor der Kirche Platz genommen. Eine Träne rinnt an ihrer Wange herab. Immer wieder bricht ihre Stimme ab, während sie sich an den vergangenen Dienstag erinnert. Daran, wie sie am Nachmittag nach Hause kam, nicht weit vom Tatort entfernt. Wie das Telefon klingelte, Verwandte aus ganz Deutschland anriefen. Sie presst die Lippen zusammen. Zu schwer wiegt die Tat, die ein 25-jähriger Somalier verübt haben soll.

Der Mann soll mit einem 30 Zentimeter langen Messer unvermittelt auf die beiden Handwerker Jonas und Sascha losgegangen sein. Den 20-jährigen Jonas tötete er laut Polizei mit mehreren Stichen in die Brust. Sascha, der ihm zu Hilfe eilen wollte, mit einem Stich in den Hals. Anschließend betrat der 25-Jährige laut Polizei einen Drogeriemarkt in der Comeniusstraße und verwundete einen 27-Jährigen schwer. „Marcel“ - auch an ihn erinnern die Geistlichen. Im Laden wurde der Mann von Beamten niedergeschossen. Inzwischen wurde er in die JVA verlegt.

Leise klingt die Andacht aus. Menschen treten ins Freie, atmen tief durch. Einige halten die Kerzen noch in der Hand. Als Zeichen der Hoffnung und des Friedens.

Redaktion

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