Gedenken

Warum Jutta Steinruck nicht beim Trauerzug für die Opfer des Ludwigshafener Messerangriffs war

Den Opfern der Messerattacke in Oggersheim wurde am Sonntag mit einem Trauerzug gedacht. Nicht dabei waren OB Jutta Steinruck oder Ministerpräsidentin Malu Dreyer, was für Kritik sorgte. Das sind die Gründe

Von 
Julian Eistetter
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Kerzen und Blumen vor dem Rossmann in der Comeniusstraße. Hier verletzte der Angreifer einen 27-Jährigen schwer, bevor er niedergeschossen wurde. © Christoph Blüthner

Ludwigshafen. Die Anteilnahme war überwältigend. Rund 1200 Menschen kamen am Sonntag nach Oggersheim, um gemeinsam der Opfer des brutalen Messerangriffs zu gedenken. Zwei Schweigeminuten an den beiden Tatorten wurden den getöteten 20- und 35-Jährigen sowie dem schwer verletzten 27-Jährigen gewidmet, Grablichter entzündet und Blumen abgelegt. Fast genauso groß wie die Anteilnahme war bei vielen Anwesenden aber das Unverständnis darüber, dass weder die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck noch Vertreter der Landes- oder Bundespolitik zu der Gedenkveranstaltung erschienen waren, um den Angehörigen der Opfer beizustehen. Auch in den sozialen Netzwerken wird diese Kritik vielfach laut.

„Unklar, wer Veranstalter war“

Auf Anfrage nimmt eine Rathaussprecherin zum Fernbleiben der Oberbürgermeisterin am Sonntag Stellung. „Die OB hat von einer Teilnahme am Trauermarsch Abstand genommen, da völlig unklar war, wer als dessen Veranstalter auftrat, und es auch keine erkennbare Ansprechperson gab“, erklärt sie. Steinruck habe aber mehrfach und auf verschiedenen Wegen ihre Anteilnahme, Trauer und ihr Mitgefühl übermittelt - „als Mensch und als Stadtoberhaupt“, so die Sprecherin. Sie sei bereits am Dienstagnachmittag nach der schrecklichen Tat in Oggersheim gewesen, am Freitag habe sie Blumengebinde niedergelegt, und auch am Montag sei sie nochmals am Tatort gewesen.

Der Vorwurf, sie lasse die betroffenen Familien allein mit ihrer Trauer, sei unbegründet. „Mit den Angehörigen hat sie - sofern gewünscht - persönlich gesprochen“, berichtet die Sprecherin. Daneben habe Steinruck die Einrichtung eines Spendenkontos veranlasst. Gemeinsam mit den Kirchen sei zudem eine Veranstaltung organisiert worden. So lädt die Stadtverwaltung gemeinsam mit der evangelischen und der katholischen Kirche für diesen Dienstag zu einer Gedenkandacht in die Christ-König-Kirche ein.

Es soll eine interreligiöse Andacht sein, teilt die Verwaltung mit, die um 12.30 Uhr beginnt. Zuvor werden ab 12.20 Uhr, der Uhrzeit, zu der am vergangenen Dienstag die ersten Notrufe bei der Polizei eingegangen waren, zehn Minuten lang die Kirchenglocken läuten. „Ab 12.30 Uhr ist die Bevölkerung zur Andacht mit kurzen Textimpulsen, Gebeten und Orgelmusik in der Kirche willkommen“, teilt die Stadt mit. Es gebe die Möglichkeit, Kerzen zu entzünden, die Notfallseelsorge halte sich für Gespräche bereit.

Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat am Trauerzug nicht teilgenommen. „Sie ist am Samstagmorgen mit einer hochrangigen Delegation aus Rheinland-Pfalz ins Partnerland Ruanda gereist“, teilt eine Regierungssprecherin auf Anfrage mit. Dreyer übermittele den Hinterbliebenen „ihr tiefes Mitgefühl in einem Kondolenzschreiben“, heißt es. „Ihre Gedanken sind bei den Angehörigen, ihren Familien und Freunden.“

Verdächtiger soll verlegt werden

Für große Verunsicherung hatte am Wochenende auch das Gerücht gesorgt, dass der Tatverdächtige, ein 25-jähriger Somalier, aus dem Krankenhaus geflüchtet sein soll. Die Polizei hatte schnell für eine Klarstellung gesorgt. „Das ist völliger Quatsch“, sagt am Montag auch Oberstaatsanwalt Kai Hempelmann auf Anfrage. Gleichwohl sollte der Verdächtige, der mit drei Schüssen aus einer Dienstwaffe niedergestreckt worden war, noch am Montag vom Krankenhaus in eine Justizvollzugsanstalt verlegt werden. Ausschlaggebend dafür sei der Gesundheitszustand des Mannes, so Hempelmann am Vormittag. Dem Verdächtigen war schon vor Tagen der Haftbefehl wegen zweifachen Mordes sowie versuchten Mordes eröffnet worden. Zu den Vorwürfen schweigt der 25-Jährige weiter.

Wie berichtet, wird dem anerkannten Flüchtling, der zuletzt in einer Obdachlosenunterkunft in Neustadt lebte, vorgeworfen, am Dienstag in der Philipp-Scheidemann-Straße unvermittelt zwei Männer attackiert und brutal umgebracht zu haben. In einem Drogeriemarkt in der 500 Meter entfernten Comeniusstraße soll er ein weiteres Opfer schwer verletzt haben. Drogen oder Alkohol seien nach derzeitigen Erkenntnissen nicht im Spiel gewesen, so Hempelmann. Der Somalier soll psychiatrisch begutachtet werden.

Bekannt ist, dass dass sich eine in Oggersheim lebende Frau vor Kurzem von dem Verdächtigen getrennt hatte. Auf ihren Balkon warf der Angreifer laut Polizei einen abgetrennten Arm des jüngeren Opfers. Bei der Frau soll es sich ebenfalls um eine Somalierin handeln, sagt Hempelmann. Hinweise auf einen islamistischen oder terroristischen Hintergrund gebe es bislang nicht.

Redaktion Reporter Region, Teamleiter Neckar-Bergstraße und Ausbildungsredakteur

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