Rhein-Neckar. Die Triathlon-Wettbewerbe verschoben, Trainings abgesagt, einzelne Sportler erkrankt, zum Teil sogar wie die belgische Triathletin Claire Michel nach dem Wettkampf im Krankenhaus behandelt: Die Seine und ihre Wasserqualität waren ein Dauerthema bei Olympia in Paris und trübten sprichwörtlich die überwiegend positive Bilanz. Der Starkregen zuvor und pünktlich zum Auftakt der Spiele hat wohl ordentlich Dreck in die Seine gespült. Das ist indessen keine Besonderheit des französischen Entwässerungssystems. Auch an Rhein und Neckar sind derartige Probleme bekannt.
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Kommunale Kläranlagen seien in der Regel bis zu einem gewissen Grad entsprechend dimensioniert, dass sie stärkere Regenmengen gut verarbeiten könnten, sagt Daniel Schulz-Engler, Sprecher der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). Aber langanhaltender, starker Regen überfordere durchaus viele Kläranlagen. Ohnehin komme bei solchen Wetterlagen genug Schlamm und Dreck übers Oberflächenwasser in die Flüsse und Bäche. Und auch das sei der Wasserqualität nicht unbedingt zuträglich. Zusätzlich können dann fäkale Keime ein Problem darstellen.
Hygienisch-gesundheitliche Gründe gegen das Baden im Fluss
„Der Rhein ist aus verschiedenen Gründen kein Badegewässer“, warnt Joachim Knapp, Sprecher des rheinland-pfälzischen Landesamts für Umwelt, das auch für die Rheingütestation in Worms verantwortlich zeichnet. Das hänge zum einen mit gefährlichen, wechselnden Strömungsverhältnissen zusammen, die auch geübte Schwimmer in die Bredouille bringen können. Dagegen sprächen aber auch hygienisch-gesundheitliche Gründe. Es gebe zwar keine gezielte Auswertung, ob nach Regenfällen eine erhöhte Keimbelastung stattfindet. Allerdings sei aus regelmäßigen Messungen sehr wohl bekannt, dass eine Bakterienbelastung mit Keimen der E. Coli-Gruppe vielfach vorliege.
Bei einigen dieser Messungen seien auch sogenannte intestinale Enterokokken nachgewiesen worden - übersetzt bedeutet das: Fäkalien sind ins Wasser geflossen. Die Schwellenwerte würden bei Standardmessungen eingehalten, teilweise allerdings nur sehr knapp. Bei St. Goarshausen habe am 20. Juni die E. Coli-Belastung beispielsweise bei 1796 koloniebildenden Einheiten gelegen. Der Grenzwert liegt bei 1800 Einheiten. „Die Keimbelastung liegt also zeitweise in kritischen Bereichen für die Gesundheit beim Schwimmen im Rhein, falls man das Wasser verschluckt“, warnt der Sprecher des Landesamts. Und das nicht nur für St. Goarshausen.
Abwasser und Regen in denselben Rohren unterwegs
Üblicherweise fließt in den Kommunen der Region häusliches und gewerbliches Abwasser gemeinsam mit Niederschlagswasser von versiegelten Flächen in dieselben Kanalrohre. Bei dieser Mischwasserkanalisation sei es unumgänglich, dass während stärkeren Regenereignissen verdünntes, aber ungeklärtes Abwasser über Regenentlastungen in die jeweiligen Vorfluter eingeleitet werde, erläutert Silke Hartmann, Sprecherin des Rhein-Neckar-Kreises. Eine Behandlung durch die Kläranlagen sei dann nicht möglich, bestätigt auch das Regierungspräsidium (RP) in Karlsruhe als Aufsichtsbehörde. Übrigens sei für den Rhein auch die Entwässerung der Schweiz und Frankreichs nicht unbeteiligt, so das RP.
Kläranlagen seien nur für eine gewissen Regenmenge ausgelegt, inklusive der Regenüberlaufbecken, die der Kläranlage meist vorgelagert sind. „Wenn es stärker regnet, stauen zuerst die jeweiligen Becken entsprechend ein. Und wenn das Becken vollständig gefüllt ist und es weiter regnet, wird das verdünnte Abwasser in Flüsse und Bäche eingeleitet.“ Das kommt laut einer Veröffentlichung der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall von 2017 etwa an 20 bis 25 Tagen und 80 bis 150 Stunden im Jahr vor.
Manuel Oehlke, Geschäftsführer des Abwasserzweckverbands Heidelberg, ist Chef über ein 460 Kilometer langes Kanalnetz. Dieses entwässert neben Heidelberg auch Eppelheim, Dossenheim, Neckargemünd und Neckarsteinach. Die Rohre seien sehr groß dimensioniert. „Das größte hat einen Durchmesser von vier Metern“, sagt Oehlke. Außerdem gebe es sehr viel Stauraum für plötzlich auftretenden Starkregen, sowohl unterirdisch als auch über der Erde. Alleine die überirdischen Regenüberlaufbecken haben ein Fassungsvolumen von 10 000 Kubikmetern. Trotzdem könne es bis zu zehn Mal im Jahr vorkommen, dass das Abwasser verdünnt, aber ungeklärt in den Neckar fließe.
Ausbau von Kläranlagen viel zu teuer
Kläranlagen entsprechend für länger anhaltenden Regen zu dimensionieren, sei immer eine Frage des Geldes. Zu bedenken sei zudem, dass Kläranlagen künftig auch mit dem anderen Wetterextrem klarkommen müssen, nämlich lange anhaltender Trockenheit, betont LUBW-Sprecher Schulz-Engler. Dann funktioniere nämlich die gängige Klärtechnik nicht mehr. Das bedeute einen längerfristigen Totalausfall der kompletten Abwasserreinigung, gibt das RP Karlsruhe zu bedenken.
Nicht zuletzt deswegen sei auch das Thema Versickerung so wichtig, mahnen die Behörden. Wenn Flächen nicht versiegelt werden, fließt der Regen erst gar nicht in die Kanalisation und kann demnach auch nicht die Kläranlagen fluten. Wo es wirtschaftlich darstellbar sei, könnten in Neubaugebieten auch Abwasser- und Regenabflusssysteme getrennt aufgebaut werden.
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