Weinheim. Die Looping-Rutsche im Freizeitbad Miramar ist bei Badegästen besonders beliebt, weil der "Raketenstart" und die anschließende Schussfahrt durch zwei Loopings für einen besonderen Adrenalinkick sorgen. Eigentlich gilt die Rutsche als besonders sicher, weil ein Mitarbeiter des Bades die Fahrt am Monitor überwacht und die Strecke erst freigeben darf, wenn der Badegast beim Verlassen der Rutsche zu sehen ist.
Sensoren melden außerdem, ob die Rutschenden die Tiefpunkte der beiden Loopings erfolgreich passiert haben. Falls nicht wird ein Alarm ausgelöst. Doch am 9. November 2021 passierte trotzdem ein folgenschwerer Unfall, der am Montag vor dem Amtsgericht Weinheim aufgearbeitet wurde. Auf der Anklagebank saß ein ehemaliger Mitarbeiter des Miramar, der an jenem Tag die Aufsicht am Einstieg der Looping-Rutsche hatte. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Er habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, weil er - entgegen der Dienstanweisung - die Fahrt der ersten Frau nicht am Monitor überwachte. Dadurch entging ihm, dass die 45-Jährige am Tiefpunkt des zweiten Loopings steckenblieb.
Tragisch: Anschließend ging der Mitarbeiter für eine Stunde in die Pause, sodass niemand die missliche Lage der Frau bemerkte, die selbst mehr und mehr in Panik geriet und vielleicht auch deshalb die Ausstiegsluke nicht sah, über die sie sich selbst hätte befreien können. Nach der Pause gab der Mitarbeiter die Rutsche ohne weitere Überprüfung für eine 22-jährige Frau frei, die daraufhin mit der 45-Jährigen kollidierte. Beide Frauen erlitten bei dem Zusammenstoß zahlreiche Prellungen und Schürfwunden. Die psychischen Folgen des Vorfalls sind vor allem bei der Frau, die mehr als eine Stunde lang in der Röhre festsaß, bis heute zu spüren.
Angeklagter zeigt Reue
"Es tut mir von Herzen leid." Mit diesen Worten richtete sich der Angeklagte am Ende der Verhandlung noch einmal an die beiden Frauen. An seiner ehrlichen Reue hatte auch Richterin Eva Lösche keinen Zweifel. Aber das ändere nichts daran,dass er seine Sorgfaltspflicht verletzt habe und deshalb wegen fahrlässiger Körperverletzung zu verurteilen sei. Das Strafmaß setzte Lösche mit 60 Tagessätzen fest - das entsprach exakt dem Strafbefehl, gegen den der Angeklagte Widerspruch eingelegt hatte,und dem Antrag von Staatsanwalt Gerhards. Allerdings wurde der Betrag je Tagessatz von 50 auf 10 Euro reduziert, da der junge Mann arbeitslos ist und von 500 Euro Bürgergeld im Monat lebt. Statt 3000 Euro muss er also nur eine Geldstrafe in Höhe von 600 Eurobezahlen.
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Verteidiger Wolfram Grebenstein hatte zuvor versucht, die Schuld seines Mandanten zumindest zu relativieren. Zwar zeige das Überwachungsvideo am Rutscheneinstieg, dass der Angeklagte vorschriftswidrig die Fahrt der 45-Jährigen nicht auf dem Monitor verfolgte, sondern sich direkt nach dem Start entfernte. Dies räume er auch ein. Und er leide sehr unter diesem Vorfall, war nach eigener Aussage sogar zwei Monate stationär in psychiatrischer Behandlung. Allerdings habe sich sein Mandant vom Monitor nur entfernt, um bei der Twister-Rutsche nebenan Jugendliche davon abzuhalten, gleichzeitig zu starten. Für Richterin Lösche klang dies eher nach einer Schutzbehauptung. Denn der damals zwölfjährige Sohn des ersten Opfers und dessen Freund hätten als Augenzeugen glaubwürdig erklärt, dass dort kein Andrang war.
Funktionierte die Technik?
Die Verteidigung brachte aber auch ein mögliches "Organisationsversagen" des Badbetreibers ins Spiel, weil die technische Alarmmeldung der Rutsche damals vom Aufsichtspersonal einfach weggedrückt werden konnte. Außerdem habe nicht abschließendgeklärt werden können, ob die Technik an diesem Tag einwandfrei funktionierte. Nach Auffassung von Richterin Lösche würden diese Aspekte im Strafverfahren jedoch keine Rolle spielen. Das wäre in einem zivilrechtlichen Verfahren zu klären, das offenbar nochanhängig ist. Allerdings sah auch Staatsanwalt Gerhards Mängel bei den Abläufen; der damalige Schichtleiter habe vor Gericht jedenfalls nicht den Eindruck eines "geordneten Vorgehens" vermittelt. Das deckte sich mit der Aussage der 22-jährigen Studentin, die vom Personal zunächst gar nicht als zweites Opfer erkannt worden sei, sondern selbst auf ihre Verletzungen aufmerksam machen musste.
Fest steht, dass die Sicherheitsvorkehrungen nach dem Unfall verschärft wurden. Seither müssen bei jedem Alarm die Luken an den Tiefpunkten der Loopings von Mitarbeitern geöffnet und kontrolliert werden, bevor die Rutsche wieder freigeschaltet werden darf. Aber die Hauptverantwortung liege stets bei der Aufsichtsperson, machte Lösche abschließend noch einmal deutlich und fügte an die Adresse des Angeklagten hinzu: "Da haben Sie einen schlimmen Fehler gemacht."
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