Dannstadt-Schauernheim/Wellington. Kristine Fix schaut im Herbst 2017 in ihr E-Mail-Postfach. Sie klickt sich durch ihre Mails, öffnet einen neuseeländischen Newsletter. In Wellington, im Süden der Nordinsel, werden dringend IT-Fachleute gesucht. Sie leitet die Mail an ihren Mann Max weiter. Eine Auswanderung ans andere Ende der Welt – ja klar. „Wir haben dann beide unsere Witze darüber gemacht“, erinnert sich Kristine Fix. Fünf Jahre später sitzt sie mit ihrem Mann in ihrem kleinen Häuschen in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington und erzählt am Telefon vom Abenteuer ihres Lebens.
Die Mail aus Neuseeland erreicht die beiden in einer Zeit, in der sich Veränderungen anbahnen. Beide wohnen in Köln, empfinden die Stadt aber als „zu voll, zu laut, zu anonym“. Sie wollen weg und denken auch darüber nach, zurück in ihre vorderpfälzische Heimat zu ziehen, nach Dannstadt-Schauernheim. „Das hätte aber auch bedeutet, dass wir sesshaft werden“, sagt die 35-Jährige. „Für diesen finalen Move waren wir nur einfach noch nicht bereit.“
"Working Holiday" wird zur Eintrittskarte nach Neuseeland
Und so spielen die beiden ihre Möglichkeiten durch, wieder und wieder. Auch die Neuseeland-Variante, die längst kein Hirngespinst mehr ist. Kristine und Max Fix sammeln Infos über das Land, das sie 2016 zum ersten Mal bereist haben. Für das Kristine Fix Touren bei einem deutschen Reiseanbieter konzipiert.
Beide fliegen nach London und besuchen dort eine Auswanderer-Messe. Erfahren, dass sie noch zwei Monate Zeit haben, um ein Visum für ein „Working Holiday“ zu beantragen. Denn dann werden sie 31 Jahre alt und können sich nicht mehr für das Programm bewerben, das einen einjährigen Aufenthalt im Land vorsieht, um dort zu arbeiten und Urlaub zu machen.
Max und Kristine Fix machen ernst. Sie beantragen das Visum. Es wird bewilligt. Neun Monate lang bereiten sie sich auf ihren großen Trip vor. Sie sparen Geld, buchen die Flüge, digitalisieren Dokumente, kündigen ihre Wohnung. Sie verkaufen fast alles, was sie besitzen. Und sie feiern ihre Hochzeit, mit allen ihren Lieben. Mit den Menschen, die sie auffangen werden, falls es etwas schief geht. Mit den Menschen, die ihnen am meisten fehlen werden. Mehr als alles andere.
Am 11. September 2018 steigen sie in Frankfurt in den Flieger. Jeder von ihnen hat einen Koffer, einen Rucksack und ein Handgepäckstück dabei. In Christchurch angekommen, mieten sie das billigste Zimmer an, das sie finden können. „Wir hatten kein Fenster, das kann ich niemandem empfehlen, der gegen den Jetlag ankämpft“, sagt Kristine Fix und lacht.
Entspannte Haltung der „Kiwis“
Trotzdem fühlen sie sich wohl, gehen auf Wohnungssuche und sind überwältigt davon, wie einfach in Neuseeland alles funktioniert. „Wir sind auf die Bank gegangen, um ein Konto zu eröffnen – und sind wenig später mit der EC-Karte hinausspaziert“, sagt Max Fix. Einen Router bekäme man im Laden gleich mit nach Hause, und wenig später funktioniere auch das Internet. Einfach so.
Neuseeland
- Neuseeland besteht aus zwei Hauptinseln sowie vielen kleinere Inseln im Pazifischen Ozean, fast 2000 Kilometer südöstlich von Australien. Der Inselstaat ist vor allem für seine beeindruckenden Landschaften bekannt: Gletscher, Vulkane, Strände, Regenwälder.
- Neuseelands Hauptstadt Wellington liegt auf der Nordinsel. Mit über einer Million Einwohnern ist Auckland jedoch die größte Stadt des Landes.
Beide lassen sich mitreißen von der Freundlichkeit der Menschen im Land, der entspannten Haltung der „Kiwis“. „Die Grundstimmung der Leute ist einfach so viel besser hier“, sagt Kristine Fix. Während die heute 35-Jährige ihren Job in Deutschland gekündigt hat, arbeitet ihr Mann weiter halbtags in der IT-Abteilung seines deutschen Unternehmens. In einem Wildpark in Christchurch beginnt Kristine Fix an der Kasse zu jobben. Beide beziehen ein Ein-Zimmer-Apartment, kaufen sich ein Auto, finden Freunde. Sie wollen ein Jahr lang bleiben – und, wenn möglich, länger. Wie lange, wissen sie selbst nicht. Nur so viel: Alles läuft gut. Bis Ende 2018.
Herber Rückschlag - die Einwanderungsgesetze werden verschärft
„Da sind wir erst einmal auf die Nase gefallen“, erinnert sich Max Fix. Weil die Einwanderungsgesetze verschärft wurden. Die Vorschriften, mit welcher Qualifikation Einwanderer im Land bleiben dürfen, welche Berufserfahrung sie mitbringen müssen. „Dadurch hatten sich unsere Chancen massiv verschlechtert“, sagt der 35-Jährige. Die beiden sind geknickt. Sie buchen ihre Rückflüge. Kristine Fix reduziert ihre Arbeitszeit. Wenn sie schon nicht länger bleiben können, dann wollen sie möglichst viel sehen, vom Inselstaat im Südpazifik. Mit seinen Stränden und Höhlen, Seen und Bergen, zu denen Herr-der-Ringe-Fans aus der ganzen Welt pilgern.
Max’ Bruder besucht sie über Weihnachten. Gemeinsam reisen sie von Auckland, der größten Stadt im Norden, bis nach Wellington. Dass sie nur wenige Monate später selbst in der „Windy City“ wohnen und ihren Rückflug nach Deutschland stornieren werden, ahnen sie da noch nicht.
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Anfang 2019 telefoniert Kristine Fix mit der Inhaberin einer neuseeländischen Reiseagentur, die sie aus Kölner Zeiten kennt. Sie bietet ihr einen Job in Wellington an. Fix nimmt an, sie ist zurück in der Tourismusbranche, in der sie auch in Deutschland gearbeitet hat. „Das hat dann auch wieder für die Einwanderungsbehörde gepasst“, erinnert sie sich. Beide dürfen länger im Land bleiben, vorerst bis 2024, vielleicht länger, wenn sie eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Die Chancen stehen gut.
Eine Doppelhaushälfte als Glücksgriff
Sie ziehen nach Wellington, finden an ihrem ersten Tag in der Stadt eine Doppelhaushälfte, die sie mieten. Ein echter Glücksgriff in einer Stadt, in der man lange nach einer Wohnung suchen muss. „Man darf sich unser Haus nicht wie in Deutschland vorstellen, hier in Neuseeland gibt es da andere Standards“, sagt Max Fix. Einfachverglaste Fenster, keine Zentralheizung, fehlende Isolierungen. „In Deutschland wäre das eher eine bessere Gartenlaube“, sagt er und lacht.
Als sie im Mai 2019 ihre Zelte in Wellington aufschlagen, bricht der Winter an. Es regnet drei Wochen ununterbrochen, der Wind pfeift. Sie brauchen diesmal länger, um sich heimisch zu fühlen, Anschluss zu finden. Das Wetter drückt auf die Stimmung. Aber es wird besser. Immer besser. Max Fix sucht sich einen Job vor Ort, wechselt und fängt dann in der IT-Abteilung eines Forschungsinstituts an. Sie gewöhnen sich daran, dass es keinen echten Wechsel der Jahreszeiten gibt, und an das Leben in der „Windy City“.
Hoffnung und Stolz
Dann die Pandemie. Anfangs ist Kristine Fix damit beschäftigt, Kunden „das Händchen zu halten“, die in Neuseeland festsitzen. Dann wird es still. Und trist. Fast jede Woche liest sie Nachrichten über Schließungen und Kündigungen in ihrer Branche. „Ich habe mir aber keine echten Sorgen um meinen Arbeitsplatz gemacht. Zum einen war meine Chefin fest entschlossen, das ganze Team zu halten, und zum anderen habe ich gelernt, dass es immer weiter geht.“ Und das tut es. Beruflich – und privat. 2021 wird Kristine Fix schwanger. „Zu wissen, dass wir so weit weg von der Familie ein Kind bekommen, fand ich zunächst beängstigend“, erinnert sie sich. Keine Hilfe vor Ort zu haben, ein fremdes Gesundheitssystem. „Am Ende geht aber doch alles irgendwie“, sagt Fix.
Am 17. November 2021 kommt ihr Sohn Leon zur Welt. „Inzwischen bin ich stolz, dass er einen so coolen Geburtsort hat“, sagt Kristine Fix. Einen, der nach Weite und Wildnis klingt. Nach Abenteuer. Nach ihrem Abenteuer. „Wenn ich morgens in den Bus steige, um zur Arbeit zu fahren, dann fühlt es sich immer noch sehr aufregend an“, sagt Max Fix. Und wenn der Bus in die Bucht einbiegt, denkt er oft an den Newsletter, der in Kristines Posteingang gelandet ist – und alles verändert hat.
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