Umwelt

Der Rhein steuert aufs nächste Niedrigwasser zu

Der Rheinpegel sinkt: Ungewöhnlich frühes Niedrigwasser am Oberrhein. Experten in Baden-Württemberg gehen in Zukunft von längeren Niedrigwasserphasen aus.

Von 
Bernhard Zinke
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Niedrigwasser im Rhein bei Lampertheim. März 2025 © Bernhard Zinke

Rhein-Neckar. Das vergangene Jahr war für die Natur ein gutes Jahr. Üppige Niederschläge haben die Grundwasserstände an vielen Stellen angereichert. Auch das Rheinbett war übers Jahr nahezu durchweg gut gefüllt. Seit einigen Wochen zeigen die Pegelstände am ganzen Oberrhein nur in eine Richtung: abwärts. „Wir steuern auf ein mittleres Niedrigwasser zu“, sagt Marc Hannig vom Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) Oberrhein. Das sei alles noch nicht wirklich problematisch für die Schifffahrt. Aber ungewöhnlich für die Jahreszeit sei es schon.

Bislang zeigen die Prognosen nach einer kleinen Zwischenwelle um diesen Montag weiterhin nach unten. Jedoch sehe es ganz danach aus, dass man der Schifffahrt in den nächsten Wochen durchgängig eine rechnerische Wassertiefe von 2,10 Meter ermöglichen könne, sagt Hannig. Aber auch wenn der Pegel noch mehr sinkt: „Die Schifffahrt kann mit einer solchen Situation umgehen“, sagt der WSA-Sprecher. Schiffe könnten dann im Zweifelfall nicht mehr so stark zuladen und müssten öfter fahren. „Wir stellen die Schifffahrt bei Niedrigwasser nicht ein“, erklärt Hannig den Unterschied zu Hochwasser. Wenn der Rhein dagegen zu viel Wasser führt, muss die Schifffahrt ab einem gewissen Pegel pausieren. Der Wellenschlag der Schiffe gefährdet dann nämlich die Stabilität der Dämme.

Niedrigwasser als Folge des Klimawandels

Gleichwohl sehen die Experten das relativ frühe Niedrigwasser-Stadium durchaus als Folge des Klimawandels. Die aktuell geringe Wassermenge im Rhein sei Folge von wenig Niederschlag im Einzugsgebiet des Rheins und einer unterdurchschnittlich dicken Schneedecke und damit auch weniger Schneeschmelze, erläutert André Postel, Sprecher der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). „Am Oberrhein treten die jährlichen Niedrigstwasserstände in der Regel im Herbst oder Winter auf. Für Ende März sind die aktuellen Wasserstände daher zwar sehr tief, aber noch keine Rekordwerte“, sagt Postel.

Der extra entwickelte Niedrigwassertanker „Stolt Ludwigshafen“. © BASF

Allerdings beobachtet auch das Niedrigwasser-Informationszentrum Baden-Württemberg (NIZ) die Pegelstände durchaus mit Sorge. „Die Wasserstände an den NIZ-Pegeln sind auf einem für diese Jahreszeit unterdurchschnittlichen Niveau“, heißt es im aktuellen Lagebericht. Auch hier sehen die Fachleute die Gründe unter anderem im fehlenden Niederschlag der vergangenen Wochen: Im März habe es im Landesmittel nur etwa 23 Prozent des üblichen März-Niederschlags gegeben. Und der Bodensee als einer der wichtigsten Zuflüsse leidet ebenfalls unter beginnendem Wassermangel: Der Pegelstand bei Konstanz liegt aktuell 19 Zentimeter unter dem normalen März-Wasserstand, aber immer noch deutlich über dem Rekord-März-Niedrigwasser von 2006. Und auch diese Niedrigwasserstände kommen von der fehlenden Schnee- und Gletscherschmelze aus den Alpen.

Zufluss über Gletscherschmelze wird deutlich geringer

Man werde sich auf dauerhafte Niedrigwasserphasen einstellen müssen, prognostizieren die Experten: „Aufgrund des Klimawandels wird von Mai bis Oktober Niedrigwasser voraussichtlich häufiger vorkommen, länger andauern und stärker ausgeprägt sein“, schätzt die LUBW. Der ausgleichende Einfluss der Gletscher- und Schneeschmelze, die zu dieser Jahreszeit den Rhein mit Wasser versorge und so die geringe Niederschlagsmenge ausgleiche, nehme bis Ende des Jahrhunderts weiter ab. Der Rhein werde dadurch stärker von Regen abhängig sein, so Sprecher André Postel.

Der Hungerstein taucht bei niedrigem Wasserstand in Worms aus dem Wasser auf. Die Jahreszahlen 1857 und 19478 markieren Jahre mit geringen Niederschlägen und Missernten in der Region. © Berno Nix

Die BASF hat bereits erste Konsequenzen gezogen: In ihrer Schiffsflotte gibt es seit zwei Jahren die „Stolt Ludwigshafen“. Das Schiff, das eigens für den Gütertransport über den Rhein bei starkem Niedrigwasser entwickelt wurde, ist deutlich breiter und größer als übliche Tanker. Der Rumpf spart mit seiner Leichtbauweise Gewicht, ist hydrodynamisch optimiert und ermöglicht laut BASF einen sicheren Betrieb auch beim extremem Niedrigwasser. Die „Stolt Ludwigshafen schafft sogar eine Wassertiefe von 1,60 Meter an den Engstellen des Mittelrheins beispielsweise bei Kaub. Es sei das „leistungsfähigste Niedrigwasserschiff, das den Rhein befährt“, sagte BASF-Werksleiter Uwe Liebelt bei der Schiffstaufe im Mai 2023. Die BASF hatte die Entwicklung des Tankers nach dem dauerhaften Extrem-Niedrigwasser von 2018 angestoßen. Damals hatte der Rhein mehr als 100 Tage den sogenannten gleichwertigen Wasserstand unterschritten. Damit war über weite Strecken des Jahres kaum reguläre Schifffahrt möglich.

Hungerstein bei Worms wird wieder sichtbar

Wenn der Rhein nun im Sommer wieder häufiger Niedrigwasser führt, dann kommt auch wieder öfter der sogenannte „Hungerstein“ bei Worms-Rheindürkheim zum Vorschein. Der Granitblock wird dann sichtbar, wenn der Pegel bei Worms auf 50 Zentimeter sinkt. Aktuell liegt der Pegel noch bei gut 90 Zentimeter. In den Hungerstein haben Unbekannte von eineinhalb Jahrhunderten die Inschrift „ANO 1857“ heingemeißelt. Die Rheindürkheimer Gerhard Butty und Helmut Schwahl ergänzten nach dem Zweiten Weltkrieg die Jahreszahl 1947. Beide Jahre stehen für Regenarmut und Missernten in der Region. Deshalb heißt der Granitblock auch „Hungerstein“.

Mittlerweile gibt es mehrere Zeitgenossen, die ihre eigenen Gedenksteine in Niedrigwasserphasen daneben gelegt haben. Da haben sich ganze Familienverbünde verewigt, die auch regelmäßig mit Schrubber vorbeikommen, um die Sandsteine von Algen und Flechten zu befreien. Sie werden in den kommenden Wochen wohl wieder schrubben können.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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