Heidelberg. Rafael L. (Name von der Redaktion geändert) ist drogenabhängig. Weil er mit Drogen dealte, ist er seit fünf Monaten im Maßregelvollzug im „Faulen Pelz“ in Heidelberg untergebracht. In den vergangenen Wochen fragten seine Eltern häufiger nach, ob es ihm gut gehe, sagt er.
Denn die Einrichtung für suchtkranke Straftäter geriet im Februar zunächst in die Schlagzeilen, weil ein Patient tot in seiner Zelle aufgefunden wurde. Kurz darauf veröffentlichten drei Stuttgarter Anwälte einen Brandbrief, den 18 weitere Strafrechtler unterschrieben. Darin kritisierten sie die „unwürdigen Zustände“ in der Einrichtung scharf.
Auch Sicherheitskräfte im "Faulen Pelz" stehen in der Kritik
„Einige Dinge stimmten, andere wurden übertrieben dargestellt“, sagt Rafael L. am Freitag. Nach einem offiziellen Pressetermin im „Faulen Pelz“ mit der Amtschefin des baden-württembergischen Sozialministeriums, Ministerialdirektorin Leonie Dirks, spricht der Patient mit Journalisten. Über das Essen, das lange ein echtes Problem gewesen sei - bis zum Catererwechsel. Und über Schimmel im Bad, der aber beseitigt worden sei.
„Fauler Pelz“
- Der „Faule Pelz“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut und war über 160 Jahre lang ein Gefängnis .
- 2015 wurde es geschlossen, weil es zu marode war. Danach entbrannte ein Streit zwischen Stadt und Land über die weitere Nutzung des „Faulen Pelzes“.
- Im August 2023 zogen dort die ersten suchtkranken Straftäter ein – im Zuge einer Interimslösung . Bis zum Sommer 2025 sollen die Patienten nach Schwäbisch Hall verlegt werden, wo aktuell noch Arbeiten an einem neuen Gebäude laufen.
Neben baulichen Mängeln, Schimmelbefall und verdorbenem Essen monierten die Strafrechtler auch zu wenige Therapieangebote und kritisierten die ärztliche Versorgung der Patienten. Auch die Sicherheitskräfte im „Faulen Pelz“ gingen sie scharf an: Es gebe Personal, dass den Patienten gegen Gegenleistung anbiete, Betäubungsmittel in die Einrichtung zu bringen, hieß es. Und: Einige Mitarbeiter stünden bisweilen selbst unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln. Wie leicht man tatsächlich an Drogen herankommen könne, wisse er nicht, sagt Rafael L., „ich habe es bislang nicht ausprobiert.“
Aber von Ministeriumsseite heißt es am Freitag: „Wir sind allen Vorwürfen nachgegangen.“ Mit den Stuttgarter Anwälten habe man ein „sehr gutes Gespräch geführt“und wolle im Austausch miteinander bleiben, so Ministerialdirektorin Dirks.
Patienten sollen bis Sommer 2025 verlegt werden
„Mit dem alten Caterer gab es massive Probleme, das müssen wir eingestehen“, sagt der Geschäftsführer vom Zentrum für Psychiatrie (ZfP) in Calw, Michael Eichhorst, der auch für den «Faulen Pelz» zuständig ist, wo im August 2023 die ersten suchtkranken Straftäter einzogen - im Zuge einer Interimslösung.
Bis zum Sommer 2025 sollen die Patienten nach Schwäbisch Hall verlegt werden, wo aktuell noch Arbeiten an einem neuen Gebäude laufen. „Anderen Dingen sind wir nachgegangen, konnten aber keine Mängel feststellen - zum Beispiel dahingehend, dass hier Notfälle nicht behandelt worden sein sollen“, so Dirks.
Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren
Nach Angaben der Ministerialdirektorin sind aktuell 59 Patienten im „Faulen Pelz“ untergebracht, die maximale Auslastung liegt bei 65. 60 Beschäftigte - 25 Pflegefachkräfte und 35 Mitarbeiter der Sicherheitsfirma - kümmern sich in wechselnden Schichten um die Patienten, so Dirks. Gebraucht würden eigentlich zwanzig weitere Mitarbeiter.
„Wir arbeiten daran, die Zahl der Sicherheitsmitarbeiter herabzusetzen und mehr Pflegefachkräfte zu beschäftigen“, sagt Eichhorst. Aber es sei nicht leicht Personal zu finden, vor allem, weil es sich um keine dauerhafte Beschäftigung handele, da die Patienten 2025 verlegt werden sollen.
Patientenzahlen im Maßregelvollzug steigen an
„Wir haben im Moment etwa Defizite bei den Kreativangeboten und finden auch niemanden für die Ergotherapie“, sagt der Medizinische Direktor des ZfP Calw, Matthias Wagner, der auch für die Heidelberger Einrichtung zuständig ist. Angedacht ist laut Ministerialdirektorin Dirks ein monatliches „Controlling“, bei dem Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei einem Durchgang die Einrichtung auf Mängel überprüfen - und dann schnellstmöglich reagieren. „In den vergangenen Wochen gab es keine Beschwerden“, sagt sie.
Insgesamt zeige sich, dass die Patientenzahlen im Maßregelvollzug weiter ansteigen, so die Ministerialdirektorin . 2023 hätten sich die Zahl der Patienten im Land von 1422 auf 1567 erhöht. Aktuell liefen einige Bauprojekte im Land, Erweiterungsbauten - unter anderem auch am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch - und Neubauten. „In Zukunft werden wir aber weitere Kliniken benötigen“, sagt Dirks.
Im „Faulen Pelz“ hoffe man nun auf ein „ruhigeres Fahrwasser“, sagt Geschäftsführer Eichhorst. Doch noch laufen die Ermittlungen zum Tod eines 27 Jahre alten Patienten vor einigen Wochen. Laut Staatsanwaltschaft starb der Patient an den Folgen einer Intoxikation mit einem synthetischen Cannabinoid. Synthetische Cannabinoide sind künstlich hergestellte Substanzen, die eine ähnliche Wirkung haben wie pflanzlicher Cannabis. Wie der Mann im Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter an die Substanz gelangt ist, ist Gegenstand der Ermittlungen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-das-sagen-verantwortliche-des-faulen-pelz-in-heidelberg-zum-massregelvollzug-_arid,2198114.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/metropolregion_artikel,-metropolregion-tod-eines-27-jaehrigen-im-faulen-pelz-todesursache-steht-fest-_arid,2192892.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-21-anwaelte-kritisieren-zustaende-im-faulen-pelz-in-heidelberg-_arid,2180204.html