Justiz

Fauler Pelz in Heidelberg: Wie es nach der scharfen Kritik weitergeht

Nach einem Brandbrief von 21 Strafrechtlern soll es nun Gespräche mit dem Sozialministerium geben. Über die Todesursache eines 27-Jährigen im Maßregelvollzug herrscht bislang weiter Unklarheit

Von 
Agnes Polewka
Lesedauer: 
Nach dem Brandbrief der Strafrechtler soll es nun zeitnah Gespräche mit dem Sozialministerium geben. © Marijan Murat/DPA

Heidelberg. Das neue Jahr war noch jung, da klagte ein Patient im Maßregelvollzug in Heidelberg über heftige Bauchschmerzen. Es war schon spät am Abend, als eine Pflegerin bei der Ärztin der Einrichtung anrief, in der suchtkranke Straftäter behandelt werden. Die Medizinerin aber wollte nachts nicht gestört werden und verordnete dem Patienten ein Beruhigungsmittel und Schmerztabletten. Erst am nächsten Tag untersuchte sie den Mann. 90 Minuten später musste er notoperiert werden. Ein Blinddarmdurchbruch.

Dieses Szenario haben drei Stuttgarter Strafverteidiger in einem Brandbrief beschrieben, den sie vor knapp zwei Wochen an die baden-württembergischen Fraktionschefs schickten. Unterschrieben haben ihn 18 weitere Strafrechtler. Im Vorfeld einer öffentlichen Sitzung des Sozialausschusses, in der es ohnehin um den Maßregelvollzug gehen sollte, wollten sie auf die Zustände in der Heidelberger Einrichtung für suchtkranke Straftäter aufmerksam machen. Dort sei am 14. Februar 2024 nicht nur ein Patient verstorben, auch vieles anderes sei in einem „unwürdigen und skandalösen Zustand“.

Schimmelbefall, verdorbenes Essen und zu wenige Therapieangebote: Kritik am Faulen Pelz

Neben der ärztlichen Versorgung kritisierten sie etwa kaputte Duschen und Schimmelbefall, verdorbenes Essen und viel zu wenige Therapieangebote für die suchtkranken Patienten.

Sozialminister Manfred Lucha wies die Vorwürfe im Sozialausschuss entschieden zurück, versicherte aber, man nehme die Beschwerden sehr ernst. Auf Anfrage dieser Redaktion bestätigt eine Sprecherin des Sozialministeriums, dass Ministerialdirektorin Leonie Dirks den Anwältinnen und Anwälten ein Gesprächsangebot gemacht habe. Aktuell suche man noch nach einem Termin.

„Sämtliche Kritikpunkte, die an uns herangetragen werden, werden ernst genommen. Bekannte und berechtigte Vorwürfe werden bearbeitet und notwendige Verbesserungen unmittelbar eingeleitet“, so die Sprecherin. Richtig sei, dass der Caterer der Klinik ausgetauscht worden sei. Im Brandbrief war von wiederkehrenden Magen-Darm-Problemen der Patienten die Rede und von einem Caterer-Wechsel, der erst nach Medienberichten zustande gekommen sei.

Mehr zum Thema

Politik

Missstände im "Faulen Pelz" in Heidelberg: Alcatraz Baden-Württembergs?

Veröffentlicht
Von
David Nau
Mehr erfahren
Justiz

21 Anwälte kritisieren Zustände im "Faulen Pelz" in Heidelberg

Veröffentlicht
Von
Stefanie Järkel
Mehr erfahren
Justiz

"Fauler Pelz": Rätselhafter Tod eines 27-Jährigen in Heidelberger Vollzugsanstalt

Veröffentlicht
Von
Stephan Alfter
Mehr erfahren

„In weiten Teilen“ könne die Kritik der Strafverteidiger aber zurückgewiesen werden, so die Sprecherin, insbesondere auch die Beanstandung der ärztlichen Versorgung. „Alle zugewiesenen Patienten werden bei der Aufnahme ordnungsgemäß untersucht und es besteht regelmäßig die Möglichkeit, Arztkontakte wahrzunehmen.“ Die Initiatoren des Brandbriefs - Rechtsanwältin Lisanne Bühler sowie ihre Kollegen Mona Hammerschmidt und Matthias Sigmund - wollten sich auf Anfrage dieser Redaktion aktuell nicht öffentlich äußern. „Wir begrüßen und unterstützen die nunmehr in Gang gekommenen Bemühungen des Sozialausschusses des Landtags Baden-Württemberg um Aufklärung und wollen den Ergebnissen nicht vorgreifen“, so Bühler.

Mannheimer Rechtsanwalt unter den Unterzeichnern des Brandbriefs 

Unter den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Brandbriefs befindet sich auch ein Strafrechtler aus der Region, der Mannheimer Rechtsanwalt Timo Kettler. „Der Brief basiert auf Angaben von aktuellen und ehemaligen Mandanten, die im Faulen Pelz untergebracht waren oder sind“, sagt Kettler. Ihre Schilderungen seien von ehemaligen Pflegern bestätigt worden. Und diese übereinstimmenden Berichte hätten die Juristen zum Handeln bewogen. Bereits in der Vergangenheit habe sich eine Gruppe von Patienten mit einer Petition an das Ministerium gewandt, ohne dass sich etwas geändert habe. „Wir haben den Ball nun zur Politik gespielt, und erhoffen uns, dass eine Reaktion erfolgen wird“, so der Mannheimer Strafrechtler.

In dem ehemaligen Heidelberger Altstadt-Gefängnis, das bis Juni 2025 provisorisch vom Land als Maßregelvollzug für suchtkranke Straftäter genutzt wird, war Mitte Februar ein 27-jähriger Patient gestorben. Trotz Obduktion steht die genaue Todesursache bislang nicht fest. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg hat weitere rechtsmedizinische Untersuchungen angeordnet. Mit den Ergebnissen sei voraussichtlich erst in einigen Wochen zu rechnen, sagte ein Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft.

Der Mannheimer Morgen auf WhatsApp



Auf unserem WhatsApp-Kanal informieren wir über die wichtigsten Nachrichten des Tages, empfehlen besonders bemerkenswerte Artikel aus Mannheim und der Region und geben coole Tipps rund um die Quadratestadt

Jetzt unter dem Link abonnieren, um nichts mehr zu verpassen

Laut der Sprecherin des Sozialministeriums erfolge auch hier eine interne Prüfung. „Die Aufarbeitung des Vorfalls erfolgt, wie in solchen oder ähnlich gelagerten Fällen üblich, dadurch, dass mit den Verantwortlichen vor Ort genau besprochen wird, wie es zum Vorfall gekommen ist und ob es Ansatzpunkte gibt, Abläufe weiter zu optimieren.“ Da die Todesursache des 27-Jährigen bislang nicht bekannt sei, könne man daraus noch keine Erkenntnisse ziehen.

Der „Faule Pelz“ wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut und war über 160 Jahre lang ein Gefängnis. 2015 wurde es geschlossen, weil es zu marode war. Danach entbrannte ein Streit zwischen Stadt und Land über die weitere Nutzung des „Faulen Pelzes“. Im August 2023 zogen dort die ersten suchtkranken Straftäter ein - im Zuge einer Interimslösung. Bis zum Sommer 2025 sollen die Patienten nach Schwäbisch Hall verlegt werden, wo aktuell noch Arbeiten an einem neuen Gebäude laufen. Gemeinderat und Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) hatten sich für eine universitäre Nutzung des ehemaligen Gefängnisses stark gemacht.

Redaktion

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke