Rhein-Neckar. Den Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Neckar (VRN), Michael Winnes, treibt die Debatte um die Probleme des Öffentlichen Nahverkehrs mächtig um. Personalprobleme der Bahn auf den regionalen Stellwerken beschäftigten zuletzt den Steuerungskreis des Mobilitätspaktes Rhein-Neckar und auch den Zweckverband Öffentlicher Nahverkehr (ZÖPNV) Rheinland-Pfalz Süd.
Beide Gremien beklagen die Misere, die den Kunden vor allem des regionalen Zugverkehrs die Nutzung der S-Bahn verleidet. „Wir werden in Sippenhaft genommen für die Probleme der Deutschen Bahn“, sagt Winnes. „Nicht der ÖPNV ist in der Krise, sondern das System DB“, analysiert er im Gespräch mit dieser Redaktion.
Probleme in Stellwerken überlagert Debatte um Qualität im ÖPNV
Dass in der Debatte die Probleme vermengt werden, sorge nicht selten für großen Frust bei den vielen Busfahrerinnen und Busfahrern und ebenso den Straßenbahnfahrerinnen und -fahrern, die täglich einen guten Job machten und sehr oft auch pünktlich an den Haltestellen seien.
Die ÖPNV-Kunden in der Region, die täglich mit der RNV unterwegs seien, merkten beispielsweise gar nichts von den Stellwerksproblemen. Trotzdem überlagere die Erfahrung der knapp 30 Prozent der ÖPNV-Nutzer, die auf der Schiene in der Region unterwegs seien, die ganze Debatte.
Es fällt uns zunehmend schwer, die immer gravierender werdenden Probleme im System Eisenbahn, das auch das Rückgrat unseres gesamten ÖPNV-Systemes darstellt, zu erklären
Winnes weiß sehr gut um die massiven Probleme bei der Bahn. Schließlich hat auch er schon Ende vergangenen Jahres einen Brandbrief an den damaligen Infrastrukturvorstand der Bahn, Berthold Huber, geschrieben: „Als Verkehrsverbund stehen wir in der Öffentlichkeit in der Verantwortung, einen funktionierenden ÖPNV in der Metropolregion Rhein-Neckar zu gewährleisten. Wir sorgen für ein attraktives integriertes Gesamtangebot und wir stehen als Erste in der Kritik, wenn dieses Angebot nicht funktioniert. Es fällt uns zunehmend schwer, die immer gravierender werdenden Probleme im System Eisenbahn, das auch das Rückgrat unseres gesamten ÖPNV-Systemes darstellt, zu erklären.“
Die Probleme gibt es ja nicht erst seit dem vergangenen Jahr. Die Fachleute hätten schon früh vor den Folgen gewarnt. „Die Infrastruktur der Bahn wurde unter vielen Verkehrsministern schlicht kaputtgespart“, sagt der VRN-Chef.
Und nun kämen genau zwei riesige Probleme zusammen: „Die Infrastruktur ist am Kipppunkt, während gleichzeitig ein riesiger Fachkräftemangel durchschlägt.“ Aber auch der kommt nicht von ungefähr, erläutert der VRN-Chef. Die Bahn sei viel zu ehrgeizig gewesen, was die Personalhaltung bei gleichzeitig fortschreitender Digitalisierung angehe. Was früher 15 Fahrdienstleiter pro Schicht auf einem Stellwerk regelten, machen heute angesichts der modernen Technik nur noch vier. Wenn allerdings Kolleginnen und Kollegen erkranken, stehen heute nicht mehr 30 Mitarbeiter zur Verfügung, die man im Zweifel anrufen können, ob sie aus der Ruhezeit heraus einen Dienst übernehmen können.
Die Auswahl auf der „Reservebank“ ist viel geringer geworden. „Das ist einfache Mathematik“, sagt Winnes -und ein Management-Fehler, vor vielen Jahren und Jahrzehnten angelegt. Nun müssten es halt diejenigen ausbügeln, die diese Entscheidungen gar nicht getroffen hätten.
Stellwerke unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander
Ein Springerpool von Fahrdienstleitern, die heute auch Zugverkehrssteuerer heißen, wäre das Mittel der Wahl. Das sei aber nichts, was sich von heute auf morgen aufbauen lasse. Zumal sich die Stellwerke in der Technik und Zuständigkeit zum Teil erheblich voneinander unterschieden und damit das Personal nicht einfach wahllos verschoben werden könne. In Ludwigshafen ist beispielsweise eine Relaistechnik am Start, die aus dem Jahr 1968 stammt. „Davon können die Kollegen in Neckargemünd nur träumen“, sagt Winnes.
Die Apparate dort haben noch ein paar Jahre mehr auf dem Buckel. Dass es auch dort am Eingang ins Neckartal in den vergangenen Monaten mehr als einmal geklemmt hat, hänge mit der engen Verzahnung dieses Stellwerks mit Weinheim zusammen. Wenn’s personell auf diesen beiden Anlagen eng werde, dann ziehe die Bahn die Fahrdienstleiter im Zweifelsfall in Weinheim zusammen. Denn dort wird der Verkehr der Main-Neckar-Bahn gesteuert. Und die dient derzeit als wichtige Umleitungsstrecke für die Sanierung der Riedbahn.
„Aber es ist ja nicht so, dass die DB gar nichts macht“, sagt Winnes. Auch ZÖPNV-Sprecher Fritz Engbarth erkennt durchaus die Bemühungen der Bahn an, den Engpass beseitigen zu wollen. Aber der Konzern bekomme die Stellen nicht besetzt oder die Kollegen blieben nicht lange. Das sei unter anderem auch eine Frage des sozialen Kontaktes. Auf knapp besetzten Stellwerken finde so gut wie kein Austausch statt.
Und auch nicht zu vergessen: Die Durchfallquote bei den Prüfungen zum Fahrdienstleiter ist hoch, weiß Winnes. Grund ist weniger das Fachwissen als der psychische Belastungstest. Denn die Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit sind enorm hoch im Job des Fahrdienstleiters: Eine Weiche falsch gestellt und es gibt Tote.
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