Katastrophenschutz (mit Fotostrecke und Video)

Brennende E-Autos: Noch viel gefährliches Halbwissen unterwegs

Die Wahrscheinlichkeit, das E-Autos zu brennen beginnen, ist relativ gering. Dennoch müssen Feuerwehrleute wissen, wie sie mit Lithion-Ionen-Batterien umgehen müssen. Ein Praxistraining im Rhein-Neckar-Kreis gibt Hinweise

Von 
Bernhard Zinke
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Die Batterie eines E-Autos an der Ladesäule hat Feuer gefangen. Dies ist eines der Übungsszenarien beim ersten derartigen Kurs für Feuerwehrleute im Rhein-Neckar-Kreis. © Bernhard Zinke

Erst dringen weiße, dann plötzlich dicke dunkelbraune Rauchwolken aus den Radkästen des Fahrzeugs. Das Auto hängt noch an einer Ladesäule. Und ganz offensichtlich hat die Batterie Feuer gefangen. Das ist eines der Übungsszenarien, mit denen sich 17 Feuerwehrleute aus St. Leon, Waibstadt, Hockenheim, Malsch und Plankstadt an diesem Samstagvormittag befassen.

Wie in der vergangenen Woche berichtet, ist die Wahrscheinlichkeit, dass E-Autos Feuer fangen, nicht größer als bei herkömmlichen Verbrennerfahrzeugen. Dennoch haben es die Einsatzkräfte hier mit Hochvolt-Systemen zu tun. Da müssen sie wissen, wie am löscht, ohne mit der Spannung in Konflikt zu kommen. „Da ist viel gefährliches Halbwissen unterwegs“, weiß Daniel Rothmaier. Der Maschinenbauingenieur, der sich auch hauptberuflich mit der Entwicklung und dem Aufbau von Batterietechnologie und Brennstoffzellen beschäftigt, betreibt nebenberuflich mit seinem Kollegen Christian Kern, Elektroingenieur und ebenfalls Fachmann für Batterietechnik, das Unternehmen „Q4Flo“. Die Abkürzung steht für „Qualifizierung für den Florian“. Florian ist bekanntlich der Schutzpatron der Feuerwehrleute. Es geht also um die Zusatzausbildung der Brandschützer angesichts stark steigender Zulassungszahlen von reinen Elektroautos oder Hybridfahrzeugen, die sowohl mit Kraftstoff als auch Strom angetrieben werden.

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Die Unsicherheit ist da

Dass die Feuerwehrleute tatsächlich Respekt vor der Technologie haben, bestätigt Marco Heinzmann, Mitglied der Wehr von St. Leon und Teilnehmer des Praxis-Lehrgangs. „Die Unsicherheit ist da – definitiv“, sagt er. Schließlich habe man es mit Systemen von bis zu 1000 Volt zu tun. Deswegen geht es in der Übung darum, zu erkennen, wo die Gefahren lauern.

Dabei ist es laut Daniel Rothmeier nahezu ausgeschlossen, dass Einsatzkräfte beim Löschen von E-Autos der Schlag trifft. Erstens erkennt die Autoelektronik in der Regel den Fehler selbst und schaltet das System ab. Außerdem verhindert die Erdung, dass sich die Einsatzkräfte einer Gefahr aussetzen. Meist seien die Sichtverhältnisse durch die starke Rauchentwicklung das Problem, sagt Rothmaier.

Aber natürlich gelte es vor dem Einsatz bestimmte Dinge zu beachten und zu erkennen, erklärt der Fachmann. Dazu gehöre die Erkundung, ob es sich überhaupt um ein E-Auto handelt. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, das Hochvoltsystem zu deaktivieren. Zudem sollten offene Leitungen abgedeckt werden. Nicht zuletzt sollten die Räder gesichert werden, damit der Wagen im Zweifelsfall nicht doch plötzlich von alleine losfährt. Besonders zu beachten sei Flusssäure, die beim Batteriebrand austreten und den Einsatzkräften ernsthaft gefährlich werden kann.

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Feuer-Übung mit brennendem E-Auto

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Tatsächlich üben die Feuerwehrleute nicht an einem echten E-Auto. Das sei – noch – zu teuer. Außerdem sollen die Einsatzkräfte bei solchen praktischen Übungen nicht unnötig den chemischen und elektrischen Gefahren eines E-Auto-Brandes ausgesetzt werden. Deshalb haben Rothmaier und Kern einen Skoda Fabio speziell präpariert und für die Schulungszwecke auch patentieren lassen. Per App können die beiden das Auto Rauch ausströmen und an speziellen Stellen Hitze entwickeln lassen. Diese kann mit einer Wärmebildkamera während der Übung auch gemessen werden, sodass die Feuerwehrleute die Brandquelle besser lokalisieren können.

Q4Flo

  • In der Pandemie 2020 haben Daniel Rothmaier und Christian Kern ein Konzept entwickelt, wie sich Brände von E-Autos bekämpfen lassen.
  • Die beiden Geschäftsführer sind hauptberuflich als Maschinenbauingenieur (Rothmaier) und Elektroingenieur (Kern) unter anderem mit der Entwicklung von Hochvoltbatterien beschäftigt und engagieren sich nebenberuflich in der Aufklärung für Feuerwehrleute.
  • Die Unfallkasse Baden-Württemberg hat die beiden beauftragt, alle 120 000 Feuerwehrleute schulen.

Grundsätzlich geht es vor allem darum, im Ernstfall die Batterie zu kühlen, damit sich das Feuer nicht von einer Zelle zur nächsten fortsetzen kann. Dafür reiche allerdings die Löschwassermenge von bis zu 2000 Litern, die man normalerweise beim Einsatz dabei habe, nicht unbedingt aus, sagt Bernd Kerle, Kommandant der St. Leoner Wehr. Manchmal könne es besser sein, das Auto schlicht abbrennen zu lassen, wenn es freilich die Umstände erlaubten, gibt Rothmaier zu bedenken.

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Grundkurs für alle Einsatzkräfte

In drei Jahren hat Q4Flo rund 10 000 Einsatzkräfte bundesweit geschult und für die Herausforderungen eines E-Auto-Brandes sensibilisiert. Die Unfallkasse des Landes Baden-Württemberg hat das Unternehmen nun beauftragt, sämtlichen 120 000 Feuerwehrleute des Landes einen Sensibilisierungskurs zu geben. Der findet in der Regel online statt und umfasst neun Unterrichtseinheiten, die von Fahrzeugtechnik über Einsatztaktik bis zu Fallbeispielen reichen. Wenn vom örtlichen Katastrophenschutz gewünscht, gibt’s obendrauf ein taktisches Praxistraining, wie hier an diesem Samstagvormittag in St. Leon. Es ist die erste Übung dieser Art für die Feuerwehren des Rhein-Neckar-Kreises. Das Konzept hat Erfolg: Diese Woche stimmt Rothmaier die Termine mit dem Kreis Bergstraße ab. Und auch mit dem Innenministerium Rheinland-Pfalz ist Q4Flo im Gespräch.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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