Einzelhandel

Billig-Spargel beim Discounter – Wer zahlt den Preis dafür?

Discounter-Spargel zum Schnäppchenpreis – doch zu welchem Preis für die Landwirte? Wie Supermärkte die Preise drücken – und wer am Ende dafür zahlt.

Von 
Susanne Merz
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Spargelproduktion ist teuer - Spargel wird meist mit der Hand geerntet, sodass viele Erntehelfer notwendig sind. © Susanne Merz

Rhein-Neckar. Wenn im Frühling der erste deutsche Spargel in den Regalen liegt, ist das für viele ein Grund zur Freude. Doch der unschlagbar günstige Preis in den Supermärkten hat eine Kehrseite: Vor allem große Discounter drücken die Einkaufspreise bei landwirtschaftlichen Betrieben massiv. Viele Landwirte sehen sich gezwungen, ihre Ware unter Wert zu verkaufen – und geben den Druck nicht selten weiter an jene, die auf den Feldern die harte Arbeit leisten.

Schnäppchenpreise trotz Spargelknappheit

In der vergangenen Woche warb Aldi mit dem Schnäppchen-Preis von 6,98 Euro pro Kilo deutschem Spargel der Klasse I, während der Preis in Hofläden und auf Märkten bei zehn bis 13 Euro lag. Denn: Wegen des schlechten Wetters war das Angebot knapp – die Erzeugerpreise entsprechend hoch. Auch bei Netto ist das königliche Gemüse diese Woche für 9,49 Euro für eineinhalb Kilo (6,33 pro Kilo) der Klasse II im Angebot. Und auch andere Discounter werben mit Schnäppchenpreisen.

Wie ist es möglich, dass Supermärkte deutschen Spargel so günstig anbieten? Hugo da Mota, Spargelhändler am Pfalzmarkt in Mutterstadt, zeigt sich überrascht: „Vergangene Woche gab es deutlich weniger Spargel als sonst um diese Zeit – nur fünf statt wie im Vorjahr 20 Tonnen pro Tag. Der Preis war entsprechend hoch. Dieser Aktionspreis ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Möglicherweise, vermutet er, seien die Preise lange im Voraus festgelegt worden – in der Annahme, dass mehr geerntet werden könne.

Saisonarbeiter bei der Spargelernte. Die Personalkosten sinken nicht, wenn ein Landwirt größere Mengen erzeugt - sie steigen. © Susanne Merz

Ein Landwirt, Inhaber eines größeren Betriebs in der Pfalz, äußert sich nur anonym – aus Sorge vor Nachteilen bei künftigen Lieferbeziehungen. Diese Zurückhaltung ist in der Branche nicht ungewöhnlich, wenn es um Kritik an großen Abnehmern wie Supermarktketten geht. Er kritisiert, dass Preisverhandlungen oft unter Druck stattfinden: „Die Verträge werden lange im Voraus gemacht. Wer da auf falsche Mengen setzt, hat jetzt das Nachsehen.“ Wer nicht zu den gewünschten Konditionen liefert, riskiere, ausgelistet zu werden – auch bei anderen Produkten. „Spargel ist derzeit gefragt. Solche Aktionen passen eher, wenn das Angebot überläuft – nicht jetzt“, sagt der Erzeuger.

Verträge unter Druck: Landwirte kämpfen um faire Preise

Hans Lehar, Geschäftsführer der Obst- und Gemüse-Vertriebsgenossenschaft Nordbaden (OGA) Bruchsal, erklärt, dass die Werbeplanung im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) oft ein Jahr im Voraus erfolgt – dadurch passten die Preise nicht immer zur Marktlage. „Der LEH ist ein wichtiger Partner, aber die Preise entsprechen nicht immer unseren Vorstellungen“, so Lehar. Günstiger Spargel aus dem Ausland setze die heimische Produktion unter Druck.

Saisonarbeiter bei der Sortierung des Spargels - zahlreiche Helfer sind notwendig, bis der Spargel versandfertig ist. © Susanne Merz

Vor allem die gestiegenen Löhne durch den höheren Mindestlohn in Deutschland verteuerten die Erzeugung massiv – Länder wie Marokko zahlten nur 2 bis 3 Euro pro Stunde. „Das macht uns in der Landwirtschaft extreme Sorgen.“ Wenn ein Händler mit Tiefpreisen beginne, müssten andere nachziehen – dann verdienen die Produzenten am Ende nichts mehr oder legen sogar noch drauf. Lehar warnt, dass bei weiter sinkender Wettbewerbsfähigkeit ein Drittel der Anbauflächen wegfallen könnte. Trotz allem sei der LEH ein unverzichtbarer Partner, der große Mengen abnehme und breite Kundenschichten versorge.

Trotz der niedrigen Preise im Handel bleiben die Produktionskosten für die Betriebe gleich – mit gravierenden Folgen: Sie tragen das volle Risiko, während die Supermärkte den größten Gewinn einstreichen. Der WDR berichtet in der Dokumentation „Bittere Früchte“, dass der Handel etwa die Hälfte des Verkaufspreises beansprucht, obwohl er kein Risiko trägt. Landwirt Andreas Rahmann erzählte, dass er wegen der günstigen Erdbeerpreise 100.000 Euro Verlust gemacht habe – deshalb sei er auf Mais umgestiegen. Später hätten ihm die Supermarktketten gar kein Gemüse mehr abgenommen, weil er sich an die Medien gewandt hätte: „Ich wurde ausgelistet.“

Das sagen Supermarkt und Handelsverband

Aldi Süd teilt auf Anfrage zur Entstehung der günstigen Preise mit, dass das Unternehmen „langfristige Partnerschaften mit Lieferanten und regionalen Erzeugern pflegt, und ihnen damit Planungssicherheit ermöglicht.“ Aus Wettbewerbsgründen äußere sich die Firma grundsätzlich nicht zu Einzelpreisen. Eine konkrete Antwort auf die Frage, wie bei einer stark wetterabhängigen Kultur wie Spargel Planungssicherheit gewährleistet werden könne, blieb aus. Solche ausweichenden Antworten sind bei Anfragen zu preissensiblen Themen im Lebensmitteleinzelhandel keine Seltenheit – häufig wird mit Wettbewerbsgründen argumentiert.

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Auch Philipp Hennerkes vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) betont, Preise entstünden durch Angebot und Nachfrage. Im Discountgeschäft spielten Skaleneffekte – also Kostenvorteile durch große Mengen – eine große Rolle. Sonderaktionen hätten zudem eine wichtige Werbewirkung und würden in der Regel mit den Erzeugern abgestimmt. Auf Basis reiner Verkaufspreise könne man daher nicht von Preisdumping sprechen.

Landwirte schlagen Alarm wegen Spargelpreisen

Johannes Zehfuß, Vizepräsident des Bauernverbands Rheinland-Pfalz, sieht das anders. Ab einer gewissen Betriebsgröße wirkten Skaleneffekte nicht mehr, weil mit der Produktion auch die Kosten stark steigen. „Mehr Ertrag bedeutet nicht automatisch mehr Gewinn“, sagt er. Grundsätzlich sei es zu begrüßen, dass Discounter regionale Ware listen – doch bei Rabattaktionen ohne Angebotsdruck stelle sich die Frage, ob die Erzeuger noch kostendeckend wirtschaften könnten.

Auch viele Landwirte sehen sich durch die Preispolitik der Supermärkte unter Druck. Regelmäßig machen die Bauern mit Protesten auf ihre Situation aufmerksam, wie bei einer Großdemonstration vor dem Brandenburger Tor im Januar 2024. Ihr Vorwurf: Der Lebensmitteleinzelhandel diktiere ruinöse Preise, die kein auskömmliches Einkommen mehr ermöglichen. Diesen Druck geben Betriebe nicht selten nach unten weiter – an die Saisonarbeiter aus dem Ausland. Auch diese Redaktion berichtet von einem Fall in der Region, in der ehemalige Saisonarbeiter ihre Löhne nicht korrekt ausgezahlt worden sein sollen. Nach einer kurzfristigen Kündigung strandeten sie obdachlos auf dem Flughafen.

Schuld vor allem bei deutschen Supermarktketten

Auch Markus Köck, Wissenschaftler an der Hochschule Fulda, sieht den Preisdruck in der Landwirtschaft kritisch. In seiner Forschung zur Situation von Saisonarbeitern stellt er fest: „Natürlich gibt es gesetzeskonform arbeitende Betriebe – aber Unregelmäßigkeiten bei Löhnen und Arbeitszeiten sind keine Seltenheit.“ Diskriminierendes Verhalten gegenüber Saisonkräften komme immer wieder vor. „Man kann leider nicht nur von ein paar schwarzen Schafen sprechen.“

Zwei der Saisonarbeiterinnen, die nach einer kurzfristigen Kündigung am Flughafen strandeten, eine beim Suchen von Pfandflaschen © Ketevan G.

Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Viele Saisonarbeiter und Saisonarbeiterinnen in Deutschland erleben Ausbeutung und schlechte Arbeitsbedingungen. Lohndumping und Wuchermieten sind allgegenwärtig“, heißt es in dem Bericht aus dem Jahr 2024.

Köck und Oxfam sehen die Hauptverantwortung beim Lebensmitteleinzelhandel, die den Landwirten ruinöse Preise zahlten: „Aldi, Rewe, Edeka und die Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl teilen mehr als 85 Prozent des Marktes unter sich auf“, heißt es in der Studie. Wer nicht zu den gewünschten Preisen liefere, riskiere die Auslistung. Diesen Preisdruck würden die Betriebe an die Schwächsten weitergeben – an die Saisonarbeiter, die sich nur schwer wehren könnten.

Das Spannungsfeld zwischen günstigen Preisen, fairer Bezahlung und unternehmerischer Planungssicherheit ist nicht nur ein Thema für Spargelbauern, sondern betrifft die gesamte Landwirtschaft. Wie gerechte Preise und faire Arbeitsbedingungen sichergestellt werden können, bleibt eine zentrale Herausforderung für Politik, Handel und Gesellschaft.

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