Spargelernte

Als Erntehelferin beim Spargelstechen in der Pfalz – ein Selbstversuch

Auf einem Hof in Weisenheim am Sand bekommt Autorin Susanne Merz Einblicke in den harten Arbeitsalltag von Erntehelfern bei der Spargelernte.

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Susanne Merz
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Autorin Susanne Merz beim Spargelstechen auf einem Feld des Spargelhofs Eberhardt in Weisenheim am Sand. © Susanne Merz

Weisenheim am Sand. „Hier, das brauchen Sie zum Spargelstechen“, sagt Andreas Eberhardt und drückt mir einen Spargelstecher in die Hand. Das ist ein langes, schmales Werkzeug aus Metall, vorne mit einer leicht gebogenen Klinge. Dazu bekomme ich einen speziellen viereckigen Eimer aus Metall, eine Kelle und Handschuhe. „Die schützen Ihre Finger, die scharfen Spargelenden bohren sich sonst beim Schneiden schnell unter die Nägel. Das tut höllisch weh“, fährt der Spargelbauer fort. Ich bin auf den Hof von Andreas Eberhardt im pfälzischen Weisenheim am Sand gefahren, um mehr über die harte Arbeit hinter der Spargelernte zu erfahren. Um sieben Uhr morgens geht es los.

So sticht man Spargel richtig

Michael, der die Ernte organisiert, holt mich ab. „Ich arbeite schon seit 20 Jahren auf dem Hof“, sagt der 50-jährige Rumäne. Auf den Feldern sind schon einige Gruppen von Männern unterwegs, die die Reihen nacheinander abarbeiten. Dazu muss zunächst die Folie von den Dämmen entfernt werden. Dafür bekomme ich Unterstützung. Ein Erntehelfer zieht die Folie für mich ab. „Der Spargel, der aus dem Damm herausguckt, kann geerntet werden“, erklärt Michael.

Michael Sos zeigt, wie der Spargel gestochen wird. © Susanne Merz

Er beugt sich runter, gräbt eine Stange etwas heraus, sticht mit dem Spargelstecher in die Erde, schneidet den Spargel tief unten ab und zieht ihn heraus. Jetzt bin ich an der Reihe. Ich bücke mich, grabe einen Spargel aus, versenke das Messer in die Erde und steche wild um den Spargel herum. „Moment, so machst du den Spargel kaputt. Ich zeig’s dir nochmal“, sagt er und nimmt mir das Messer aus der Hand. „Parallel zur Stange in die Erde, dann mit einem Stoß abschneiden“, erklärt Michael. Erst jetzt verstehe ich es wirklich – ein Moment der Erleuchtung. Aus irgendeinem Grund dachte ich, ich müsse den Spargel drumherum von der Wurzel lösen. Jetzt kann die Arbeit beginnen.

Der harte Alltag der Spargelstecher

Ein etwa 100 Meter langer Spargeldamm liegt vor mir. Noch spitzeln nicht viele Spargelköpfe aus dem Damm hervor, denn es ist Saisonbeginn. „Zurzeit sind hier etwa 60 Saisonarbeiter, in der Hauptsaison sind es etwa 300“, veranschaulicht Michael die Dimension der Ernte auf dem Hof. Links von mir steht der Eimer, rechts steche ich die Spargel, die dann im Eimer landen. Bücken, Spargelmesser rein, zustoßen, rausziehen. Zumindest, wenn alles gut läuft. Das passiert nicht immer. Manchmal halte ich die abgebrochene Spitze in der Hand, manchmal muss ich noch mal zustechen, weil die Stange nicht ganz durchgeschnitten ist.

Flink arbeiten sich die Saisonarbeiter von Damm zu Damm. Meine Reihe ist die ganz links im Bild. © Susanne Merz

Langsam steigen die Temperaturen, ich komme ins Schwitzen. Mein Rücken meldet sich. Während ich mich bis zur Mitte meines Damms kämpfe, hat der Erntetrupp bereits etwa 20 Reihen abgearbeitet. „Da wachsen viel weniger Spargel“, versichert Michael. Ein nett gemeinter Trost. Ob ich langsam aufhören wolle? Nein, natürlich beende ich zumindest eine Reihe. Zumindest die Schnitte werden besser und es brechen nur noch ganz wenige Stangen ab. Michael trägt jetzt meine Jacke und den schon gut gefüllten Spargeleimer. Dieser Luxus ist den anderen Erntehelfern natürlich nicht gegönnt. Auch nicht nach einer Reihe aufzuhören. Michaels Telefon klingelt ständig. Er muss nebenbei die Arbeitergruppen organisieren. Wenn ein Feld geerntet ist, muss er den Gruppen das nächste Feld zuweisen.

Schnelligkeit zahlt sich beim Spargelstechen aus

Zwischenzeitlich überlege ich, wie schön es auch ist, an der frischen Luft zu arbeiten, umgeben von der ländlichen Idylle. Doch schnell wird mir klar, dass der Alltag der Saisonarbeiter alles andere als romantisch ist. Die Spargelernte dauert etwa drei Monate, und Schnelligkeit zahlt sich aus. Wer mehr erntet, verdient mehr – da bleibt wenig Zeit, die Aussicht zu genießen. Trotzdem sind die Saisonarbeiter froh, dass sie die Möglichkeit haben: „Die wirtschaftliche Situation in Rumänien ist schlecht. Ich wollte meinen Töchtern etwas bieten können, auch wenn es hart ist, meine Familie vier Monate nicht zu sehen“, sagt Michael. Überhaupt sei es gut in Deutschland, es gebe Arbeit und „alles tipitopi sauber hier“ schwärmt der 50-Jährige.

Das ist die Ausbeute meiner Arbeit - etwa zehn Kilo Spargel. © Susanne Merz

Geschafft. Etwa zehn Kilo Spargel liegen in meinem Eimer. Nicht gerade eine große Ausbeute für eineinhalb Stunden. Mein Rücken, der mir seit einiger Zeit Probleme bereitet, meldet sich mittlerweile deutlich. Wir fahren zurück zum Hof. Gerade treffen die Frauen ein, die den Spargel sortieren, schneiden und zu Bündeln packen. Auch die Frauen kommen ausnahmslos aus Rumänien. „Hier, die Handschuhe brauchst du zum Sortieren“, Michael reicht mir eine Tüte mit Gummihandschuhen, eine blaue Gummischürze kriege ich auch noch. Ich stelle mich zwischen zwei Frauen an die Sortiermaschine. Eine Frau holt die Spargel aus den Kisten, davor lagen sie zum Waschen in Wasser. Mit einer geübten Handbewegung rollt sie die Stangen auseinander, sodass die Spargel in einer Reihe auf dem Fließband liegen. Es gibt eine Kiste für die Spargelköpfe, eine für den Spargel mit beschädigten Spitzen und einen für abgebrochene, untere Enden.

Hektik am Fließband

Dann sausen die Spargel an mir vorbei. Mit hektischen Handbewegungen werfe ich den beschädigten Spargel, die Spitzen, die Bruchstücke in die Kisten. So schnell wie die Spargel an mir vorbeiziehen, kann ich gar nicht danach greifen. Immer wieder ist meine Hand im Weg, weil direkt neben mir schon die nächste Arbeiterin sortiert. „Die Maschine läuft noch mit orangem Licht, in der Hauptsaison ist die Lampe dann grün“, sagt Michael. Das heißt: Das Transportband läuft aktuell noch vergleichsweise langsam.

Die Erntehelferinnen aus Rumänien nehmen die grobe Sortierung vor - die feine Sortierung übernimmt die Maschine. © Susanne Merz

Ich bin schon jetzt überfordert und gebe auf, um nicht weiter zu stören. Die Gastarbeiterinnen machen das in der Hauptsaison den ganzen Tag. Die Maschine, die die Spargel dann noch weiter sortiert, macht sieben Bilder von einer Stange, misst Kopf, Länge, Form, um sie richtig zuzuordnen. Insgesamt 30.000 Bilder die Stunde.

Der wahre Preis des Spargels

Ich treffe noch Edith, die am Ende der Sortiermaschine arbeitet. „Sie kommt seit 30 Jahren hierher. Beim ersten Mal hatte sie noch kleine Kinder“, erzählt Michael. „Jetzt Oma“, sagt Edith strahlend. Auch junge Frauen mit Kindern kommen in der Saison zum Arbeiten. Ihre Kinder hütet dann die Familie. Ich bin beeindruckt von den Dimensionen und den vielen Arbeitsschritten, die von der Ernte bis zum Verkauf notwendig sind. Und von der Geschwindigkeit, mit der die Saisonarbeiter und -arbeiterinnen ihren Job erledigen. „Willst du noch etwas wissen?“, fragt Michael. Er hat viel zu tun. Ich merke, dass es Zeit ist, zu gehen. Zum Abschied schenkt mir der Hofbesitzer Eberhardt noch ein Bündel grünen Spargel: „Es soll ja keiner sagen, dass wir sie nicht bezahlt hätten“, sagt er scherzhaft.

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Den frischen Spargel lassen wir uns am Abend mit Kartoffeln, Schnitzel und Sauce hollandaise schmecken – jetzt schmeckt er für mich anders. Vor meinem inneren Auge sehe ich die vielen, harten Arbeitsschritte nochmal. Am nächsten Morgen habe ich stärkere Rückenschmerzen und gehe zum Arzt – eine Entscheidung, die längst überfällig war. Eineinhalb Stunden Spargel stechen haben meinem Rücken den Rest gegeben. Eine ganze Saison würde ich wohl nicht durchhalten.

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