Region. Dem Verband Region Rhein-Neckar (VRRN) steht ein arbeitsreicher Sommer bevor. Insgesamt müssen bis zu rund 4000 Einwendungen sortiert und in ein einheitliches System eingeordnet werden. Danach müssen die Argumente einzeln gesichtet und abgewogen werden. So viele Reaktionen hat der VRRN binnen zwei Monaten als Reaktion auf mögliche Standorte von Windrädern in der Metropolregion erhalten. Am 5. März wurde der erste Planentwurf veröffentlicht, wo sich überall in der Metropolregion in Zukunft Windkraftanlagen drehen könnten. Am 13. Mai endete die Frist. Jetzt werden beim Planungsverband sehr viele E-Mails und viel Papier sortiert.
Hintergrund des sogenannten Teilregionalplans Windenergie Rhein-Neckar sind die politischen Vorgaben von Bund und Ländern, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern. Dazu hat der Bund mit dem „Wind-an-Land-Gesetz“ das Ziel ausgegeben, dass zwei Prozent der Fläche für Windkraft bereitgehalten werden muss. Auf Länderebene variieren die Zahlen geringfügig. So muss Baden-Württemberg 1,8 Prozent der Fläche bringen, Hessen und Rheinland-Pfalz jeweils 2,2 Prozent. Wenn sie diese Flächen nicht bringen, können am Ende Windräder theoretisch überall und mit erheblich weniger Genehmigungsauflagen gebaut werden. Dann greift die „Super-Privilegierung“. Deshalb sind die Planungsgremien mit Ehrgeiz dabei, den Windrad-Wildwuchs zu verhindern und Gebiete zu bestimmen, wo sich die Windkraft entwickeln kann - und entsprechend wo nicht.
In Tübingen karrt ein Lkw 430 000 Stellungnahmen herbei
Der VRRN hatte mit einer vierstelligen Zahl von Einwendungen gerechnet. Das hatten schon die Erfahrungen anderer Regionalverbände gezeigt. In Tübingen beispielsweise karrte ein Lkw 430 000 Stellungnahmen heran, einzeln kuvertiert und mit Adressen versehen, wenn auch überwiegend mit identischem Wortlaut. Auch diese müssen nun einzeln beantwortet werden. Die Verwaltung ist auf Monate mit nichts anderem beschäftigt. Der Verband Schwarzwald-Baar nahm 16 000 Einwendungen in Empfang.
„So etwas legt eine Verwaltung lahm“, weiß der VRRN-Verbandsdirektor Ralph Schlusche. Insofern ist er den drei Bürgerinitiative aus dem Raum Heidelberg-Weinheim sehr dankbar, dass diese ihre Einwendungen gebündelt abgegeben haben und die 20 0000 Unterschriften mit den einheitlichen Forderungen nach dem Verzicht von Windrädern etwa am Lammerskopf in drei Aktenordnern als Sammeleinwendung überreicht haben.
Nicht ganz überraschend: Parallel zu den Windkraft-Plänen hat der VRRN auch einen ersten Entwurf für geplante Freiflächen-Photovoltaik veröffentlicht. Da kamen gerade einmal rund 250 Einwendungen zusammen. Und die stammen überwiegend von Fachverbänden. Dieses Thema polarisiert also weitaus weniger als die Windkraft.
Es ist eine erhebliche Anzahl von privaten Stellungnahmen, die Kritik an einzelnen Flächen formulieren. Ganz neue Argumente sind bislang nicht dabei, wie der VRRN nach ersten Sichtungen festgestellt hat. Es geht um Natur- und Artenschutz, das Landschaftsbild und die Frage, ob Windkraft im Wald der Weisheit letzter Schluss ist. Aus dem Neckar-Odenwald-Kreis, in dem wegen der weniger dichten Besiedelung etwas mehr Flächen angedacht sind, kommen Befürchtungen, dass man von Windrädern umzingelt werde. Dies alles sei relevant und werde sorgfältig geprüft, verspricht Verbandsdirektor Schlusche.
Allerdings: Es gibt nicht nur Kritik. Einige Kommunen bringen auch neue Flächen für Windkraft ins Spiel. Schließlich sorgt der Ertrag der erneuerbaren Energien und die Steuerabgaben mancherorts auch für zusätzliche Einnahmen in den gebeutelten Stadtkassen.
Gleichwohl: „Die knapp 4000 Einwendungen werden die Arbeitskraft unserer Planer im Sommer zu 100 Prozent binden“, sagt Schlusche. Immerhin durfte der Verband drei Energieplaner zusätzlich einstellen. Insgesamt werden zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Post beschäftigt sein. Und die Zeit drängt: Bis zum 30. September 2025 muss der Teilregionalplan Windkraft im Stuttgarter Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen vorliegen. „Wir gehen im Moment davon aus, dass wir noch in diesem Jahr die erste Offenlage abarbeiten und die zweite Offenlage angehen können.“
Entscheidung trifft das Parlament der Metropolregion
Es gilt: Jede Einwendung muss bearbeitet werden. „Es darf keine verlorengehen“, sagt Ralph Schlusche. Alle Argumente und Bedenken werden abgewogen. Die Abwägungsentscheidungen der Verwaltung fließen dann in einen Vorschlag, der von der Verbandsversammlung entschieden wird. Die ist das oberste politische Gremium der Region. Und wenn das Regionalparlament entschieden hat, bekommen die Einwender Post vom VRRN. Auch im Internet werden die Entscheidungen einsehbar sein. „Ausgedruckt dürften die Dokumente viele Ordner füllen“, schätzt Schlusche.
Im Dezember, spätestens im Frühjahr soll die zweite Offenlage der Pläne beginnen, mit dann wahrscheinlich reduzierten Flächenvorschlägen. Aktuell liegt eine Menge von etwa vier Prozent der Verbandsfläche auf dem Tisch. Am Ende müssen es in Baden-Württemberg 1,8 Prozent sein. Es ist also noch viel Verhandlungspotenzial vorhanden. „Ein Spielraum ist da“, sagt auch Schlusche. Auch im zweiten Durchgang müssen alle Einwendungen gelesen werden. Aber nur neue Argumente zählen dann: Was schon abgewogen ist, muss nicht noch einmal beschieden werden.
Die Zeit drängt. Erstens wegen der gesetzlichen Fristen, aber auch zweitens wegen der Energiewende. Der Ökostrom wird gebraucht. Und aus den Kommunen ist zu hören, dass potenzielle Windkraftbetreiber in den Startlöchern stehen. Die Metropolregion Rhein-Neckar ist zumindest auf einem besseren Weg als andere: Der Planungsverband in Heilbronn hat noch nicht mal einen ersten Entwurf offengelegt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Windenergie: Fakten statt Gefühle