Pandemie - Gegner der Corona-Maßnahmen versammeln sich zeitgleich an vielen verschiedenen Orten

1450 Corona-Kritiker spazieren durch 14 Kommunen

Von 
Bernhard Zinke
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Nach zahlreichen „Spaziergängen“ am Montag demonstrierten am Dienstag Kritiker der Corona-Maßnahmen am Heidelberger Bismarckplatz. © René Priebe

Rhein-Neckar. Innerhalb kürzester Zeit strömten am Montagabend rund 300 Menschen auf dem Platz vor dem Speyerer Kaiserdom zusammen. Ein Zufall war das nicht – vielmehr die größte Versammlung in der Pfalz zum Protest gegen die Corona-Maßnahmen. Auf rund 1450 Teilnehmer schätzt die Polizei die Beteiligung solcher „Spaziergänge“ in insgesamt 14 Kommunen im Bereich des Polizeipräsidiums Rheinpfalz an diesem Abend.

Spontan seien diese Versammlungen keineswegs gewesen, bilanziert die Polizei. Regelrecht orchestriert wurden die „Spaziergänge“, wohl auch, um die Einsatzkräfte an vielen Stellen zu binden. Die Protestierenden trafen sich in Annweiler (40 Teilnehmer), Bad Dürkheim (50), Bad Bergzabern (250), Frankenthal (50), Freinsheim (30), Germersheim (150), Haßloch (50), Kandel (100), Ludwigshafen (20), Landau (250), Mutterstadt (25), Neustadt (70), Speyer (300) und Wörth (70). Im Rhein-Neckar-Kreis waren Schwetzingen (150) und Sinsheim (70) Schauplatz von Aufläufen. In Worms kamen 100 „Spaziergänger“.

Das Recht auf Versammlungsfreiheit

  • Artikel 8 des Grundgesetzes gewährt den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf Versammlungsfreiheit, um am politischen Meinungs- und Willensbildungsprozess mitzuwirken.
  • Allerdings regelt ein Versammlungsgesetz die Details wie zum Beispiel die Pflicht, Versammlungen unter freiem Himmel spätestens 48 Stunden vor Beginn anzumelden. Damit soll unter anderem eine Abwägung stattfinden können, damit die Grundrechte anderer in Einklang gebracht werden können.
  • Keine der Versammlungen in der Metropolregion am Montagabend war angemeldet worden.
  • Auflösen dürfen Kommunen und Polizei Versammlungen dann, wenn gegen geltendes Recht verstoßen wird wie zum Beispiel gegen Hygienevorschriften. 

„Meist ruhig und friedlich“

Seit Tagen seien die Treffen in sozialen Netzwerken verabredet worden. Keine davon sei allerdings offiziell angemeldet gewesen. „Die meisten sind ruhig und friedlich verlaufen“, bilanziert Polizeisprecher Thorsten Mischler. In Bad Dürkheim, Landau und Speyer kam es zu Provokationen. In Landau verstießen 55 Teilnehmer gegen die aktuelle Corona-Bekämpfungsverordnung. Ein 71-Jähriger weigerte sich vehement, seine Personalien herauszugeben. Um ihn nach seinen Ausweispapieren durchsuchen zu können, habe er zu Boden gebracht werden müssen. Passanten filmten den Zwischenfall. Die Bilder davon verbreiteten sich in den sozialen Netzwerken.

In Sinsheim waren nach Angaben von Ordnungsamtsleiter Florian Zangl 60 bis 70 Menschen in der Innenstadt unterwegs, um nach eigener Aussage „spazieren zu gehen.“ Es habe aber keine öffentliche Ansprache gegeben. Vor der Kirche und dem Rathaus seien Kerzen und Schilder abgelegt worden, dann habe es ein gemeinsames Gebet gegeben, bevor sich der Zug wieder auflöste.

Bis zu 150 Spaziergänger wurden in Schwetzingen gezählt. Treffpunkt dort war der Bahnhofsvorplatz, wo die Polizei bereits erste Platzverweise wegen einer nicht genehmigten Demonstration erteilte. Aber auch hier blieb alles friedlich. Die Menschen hätten sich aufgeteilt und seien auf unterschiedlichen Wegen in Richtung Rathaus marschiert. Dort hätten sie versucht, Kerzen aufzustellen, was die Polizeibeamten verhinderten.

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In Bad Dürkheim trafen sich rund 50 Kritiker der Corona-Politik auf dem Dürkheimer Stadtplatz vor dem Rathaus. Die Polizei erteilte 16 Platzverweise. Eine angemeldete Kundgebung auf dem Wurstmarktplatz hatte die Kreisverwaltung Bad Dürkheim nach Erfahrungen vergangener Veranstaltungen verboten.

Für die Behörden sind derartige Versammlungen stets eine Gratwanderung, wie Sprecher Thorsten Mischler vom Polizeipräsidium in Ludwigshafen sagt. Schließlich sei das Versammlungsrecht ein Grundrecht nach Artikel 8 des Grundgesetzes. „Wenn sich 50 Leute treffen und Abstand halten oder Masken tragen, dann ist das noch kein Grund, die Versammlung aufzulösen“, erläutert Mischler. Allerdings müsse immer abgewogen werden, dass eine Versammlung auch im Einklang mit den Grundrechten anderer Bürger stehe. Genau dazu gebe es im Vorfeld Absprachen mit den Veranstaltern. Diese hat es am Montag indessen nirgends gegeben.

Faktisch nicht zu stoppen

Auch in Speyer nicht, wo sich der Spaziergang der knapp 300 Menschen durch die Innenstadt zur Gedächtniskirche und wieder zurück zum Dom bewegte. Auch wenn gegen die Hygienevorschriften verstoßen worden sei, sei es faktisch nicht möglich gewesen, den Spaziergang ohne übermäßige Gewalt zu stoppen.

Am Dienstagabend gingen die Proteste weiter: Rund 110 Personen demonstrierten am Heidelberger Bismarckplatz gegen Corona-Maßnahmen. Wie die Polizei mitteilte, war die Partei Die Basis Veranstalter der angemeldeten Demo.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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