Kommentar Wo ist das Vertrauen in die Demokratie hin?

MM-Redakteur Stephan Alfter ist der Überzeugung, dass die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin richtig gehandelt hat.

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Stephan Alfter
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Ludwigshafen. Wie klug ist der Ausschluss des AfD-Kandidaten aus dem Kreis der Bewerber für das Ludwigshafener Oberbürgermeisteramt? Und fällt dieser faktische Rauswurf den anderen vier Kandidaten eventuell vor die Füße, falls die AfD und Paul vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich sein sollten? Unter diesen Umständen käme es wohl zu einer Art „Jetzt-erst-recht-Mentalität“ und der Mann könnte sich so präsentieren, wie sich seine Partei am liebsten sieht: nämlich als Opfer eines von linken und „woken“ Gutmenschen gelenkten Staates. Das kennt man inzwischen und da ist oft sehr viel Verschwörungstheorie dabei.

Andererseits: Ist es nicht die festgeschriebene Pflicht des Verfassungsschutzes, Hinweise an den Wahlausschuss zu geben, in einem Moment, da sich ein Mann vom ultrarechten Rand wie Paul daran macht, eine Stadt von fast 180.000 Menschen regieren zu wollen. Eine Stadt, zu deren wesentlichen Charaktereigenschaften es gehört, multi-ethnisch zu sein. Wie muss man sich das vorstellen, wenn jemand, der junge, muslimische Männer, die es in Ludwigshafen tausendfach gibt, per se für radikalisierte Gewalttäter hält? Kann so jemand eine diverse Gesellschaft hinter sich versammeln?

Um das Vertrauen in unsere Demokratie ist es nicht gut bestellt, wenn eine laute Community, die kurioserweise auch noch zum Teil aus jungen Muslimen besteht, vor allem im Internet mutmaßt, dass es sich bei der Entscheidung des Wahlausschusses um eine politische Maßnahme gehandelt habe. „Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selbst“, lautet ein dazu passendes Sprichwort.

Nur die dümmsten Kälber wählen ihren Metzger selbst

Wie aber gelingt die Vermittlung, dass es sich bei Paul wirklich um eine politische Figur handelt, die offen rassistisch redet und handelt – was wiederum den rechtlichen Grundsätzen unserer Verfassung widerspricht. Ist es überhaupt möglich, AfD-Fans zurückzuholen ins pluralistische Spektrum? Oft wirkt es so, als seien AfD-Sympathisanten loyaler gegenüber ihrer Partei als der Rest der Gesellschaft. Wie Ultras von Fußballclubs verzeihen sie Niederlagen eher und feiern Siege so ausgelassen wie Gläubige an die gemeinsame Sache. Besonders unter Jugendlichen ist es heute vielfach „in“, rechts zu sein – oft um sich einfach von den Eltern abzugrenzen.

Jedenfalls hat Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck den amtlichen Auftrag, Schaden abzuwenden von ihrer Stadt. Und nach allem, was man jetzt weiß, würde Paul Ludwigshafen weiter spalten – in Deutsche und Nicht-Deutsche.

Redaktion Reporter in der Metropolregion Rhein-Neckar

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