Kommentar Systematische Täuschung in der Erzdözese Freiburg

Peter W. Ragge über den neuen Bericht zum Missbrauch in der Erzdiözese Freiburg und der systematischen Täuschung der Priester

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Peter W. Ragge
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Freiburg. Es mache ihn „fassungslos“, reagiert Erzbischof Stephan Burger darauf, was seine Vorgänger Saier und Zollitsch an gezielter Vertuschung, Verschleierung, ja Behinderung von Strafverfolgung bei sexuellem Missbrauch getrieben haben. Nun, wenn es einen Mann des kirchlichen Systems schon fassungslos macht – was muss man da als Bürger sagen? Es packt einen Wut und Empörung, zu lesen und zu hören, wie hier Erzbischöfe über Jahrzehnte hinweg nicht nur weltliches, sondern auch kirchliches Recht gebrochen und das schlimme Leid der Opfer schlichtweg völlig negiert haben.

Kirchen steht ein von der Verfassung garantiertes Selbstbestimmungsrecht zu. Sie dürfen sich ohne staatlichen Einfluss organisieren. Aber sie stehen nicht über dem Gesetz, sind kein rechtsfreier Raum. Das haben aber offenbar einige Bischöfe – nicht nur in Freiburg! – lange gedacht. Im Freiburger Ordinariat wurde, das legt der Bericht offen, mit geradezu krimineller Energie getrickst und getäuscht, um schuldig gewordene Priester vor Strafverfolgung zu schützen.

Für Mannheim bitter ist, welche Rolle Robert Zollitsch hierbei gespielt hat. Er lebte einige Jahre auf der Rheinau, feierte hier seine Primiz, gilt vielen Menschen immer noch als Vorbild eines treu sorgenden, gütigen Priesters. Beim Katholikentag 2012 in Mannheim war er umschwärmt, von älteren wie jüngeren Gläubigen. Für sie bricht jetzt sicher eine Welt zusammen und sie erkennen, warum der inzwischen 84 Jahre alte, kranke und schwache einstige Oberhirte sich im Oktober öffentlich entschuldigte. Er hat wirklich schwere Schuld auf sich geladen – im starren Glauben, Schutz und Ansehen seiner Kirche stünden über allem. Das Image war wichtiger als verletzte Seelen missbrauchter Kinder.

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Zollitsch ist so geprägt worden. Jenseits des persönlichen Versagens, das stellt der Bericht klar, liegt der Fehler nämlich im System. Die katholische Kirche ist eben strikt hierarchisch aufgebaut. Neue Priester müssen sich vor dem Bischof auf den Boden werfen und ihm Treue schwören, und diese unverbrüchliche Treue schulden die Oberhirten dem Papst. Noch gebärden sich auch manche Pfarrer wie Halbgötter, die von ihrer Gemeinde und ihren Mitarbeitern devote Unterwürfigkeit erwarten, statt Mitbestimmung zuzulassen. Auch das kirchliche Arbeitsrecht billigt den Beschäftigten weitaus weniger Rechte zu als anderswo. Burger hat versprochen, er werde das alles hinterfragen. Doch wenn die Kirche sich nicht schnell selbst reformiert, wird der Staat ihr Sonderrechte entziehen müssen.

Redaktion Chefreporter