Kommentar Mehr Hilfen statt Hürden für Opfer von Polizeigewalt

Wer als Betroffener gegen mutmaßlicher Polizeigewalt vorgehen will, muss Hürden überwinden und braucht dazu rechtlichen Beistand. Denn die Wahrnehmung der Polizei prägt den Fall auf allen Ebenen, findet Lisa Wazulin

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Lisa Uhlmann
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Wo fängt Polizeigewalt eigentlich an und wie weit dürfen Polizisten und Polizistinen gehen? So einfach diese Fragen klingen, so schwer sind sie zu beantworten. Das wird oft deutlich, wenn sich Betroffene von mutmaßlicher Gewalt an diese Redaktion wenden. Viele empfinden ein großes Ungleichgewicht, sind schockiert über die Gewalt, die ihnen da entgegenschlägt, fühlen sich ohnmächtig und wütend, wenn sie versuchen, dagegen vorzugehen. Wie schwer und kräftezehrend das ist, lässt allein der journalistische Versuch erahnen, einen Erfahrungsbericht gegenzuprüfen. Hürden wie ärztliche Schweigepflicht, Identitätscheck oder Akteneinsicht gilt es dabei zu überwinden, es braucht die Mithilfe von Betroffenen selbst und deren Anwälten. Herauszufinden, was da eigentlich passiert ist, gleicht also einer akribischen Ermittlungsarbeit – und die braucht es neben einem rechtlichen Beistand unbedingt, um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um übermäßige Gewalt im Amt handelt. Die Chance auf Aufarbeitung erhalten aber eben nur diejenigen, die eine Anzeige erstatten.

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Das Problem: Bei den meisten ist nach solchen Erfahrungen das Vertrauen in die Polizei erschüttert, sie wollen sich nicht wieder in ein Polizeirevier wagen. Dass die Aussichten auf Erfolg so gering sind, wie auch die Zahlen in Mannheim zeigen, schreckt ab. Betroffene fürchten oft auch, selbst angezeigt zu werden, überschreiten Laien laut eines Polizeiforschers doch schnell die Schwelle zur Strafbarkeit, etwa, wenn sie sich gegen Polizisten stellen. Geben sie trotzdem eine Anzeige auf, greift die Definitionsmacht der Polizei auf allen Ebenen: Es ist die Wahrnehmung von Polizisten, die den Bericht schreiben, die Anzeige aufnehmen und später ermitteln und so den Fall mitprägen. Laut Forschung werden Beamte oft als glaubwürdigere Zeugen vor Gericht wahrgenommen. Wichtig also, für Betroffene mehr Hilfen als Hürden anzubieten – wie etwa eine neutrale Anlaufstelle oder ein spezielles Beratungsangebot, das in der Region schlicht fehlt.

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.