Über Wochen hinweg hat sich die Jugendherberge als erste Anlaufstelle für Geflüchtete bestens bewährt. Die Nähe zum Hauptbahnhof und die gleichzeitige Abgeschiedenheit, die auch vor neugierigen Blicken schützte, waren nur zwei Stärken, die die Verwaltung nicht müde wurde zu betonen. Dass die Unterkunft nun verlassen werden muss, ist deshalb für die ansonsten bislang doch erfolgreiche Ukraine-Politik der Stadt auch ein kleiner Rückschlag.
Natürlich liegt das Thomas-Haus in Neuhermsheim nicht aus der Welt, und es bietet ebenfalls gute Voraussetzungen für ein „kleines Rathaus“ für Geflüchtete. Aber der Weg vom Hauptbahnhof zur neuen Anlaufstelle ist doch wesentlich komplizierter als noch zur Jugendherberge. Geflüchtete müssen in der fremden Stadt mit fremder Schrift nun zunächst mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Unterkunft kommen. Das ist zu schaffen – dennoch muss sich nun auch die RNV auf die neue Situation einstellen, Geflüchtete schnell an die neue Unterkunft zu bringen. Dafür werden aller Voraussicht nach rasch mehr Personal und mindestens mehrsprachige Hinweisschilder, vor allem an den Haltestellen, nötig sein.
Dass Mannheimerinnen und Mannheimer nun auch kostenpflichtig Wohnraum für Geflüchtete anbieten können, ist indes prinzipiell zu begrüßen. Die hohe Inflation auf dem Lebensmittelmarkt und die exorbitant gestiegenen Nebenkosten, die bei kostenloser Logie umso stärker zu Buche schlagen, machen diesen Schritt sogar notwendig. Die Verwaltung muss deshalb nun aber auch noch mehr Wert auf die sowieso wichtigen Vorgespräche und die Prüfung der Wohnräume legen. Denn die Aussicht auf Mietzahlung darf nicht dazu führen, dass Menschen Geflüchtete nur deshalb aufnehmen, um einen zusätzlichen Verdienst zu erhalten. Damit wäre niemandem geholfen. Über allem muss weiter die Motivation stehen, Geflüchtete aus Humanität und Solidarität aufzunehmen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Mannheims Ukraine-Politik steht vor neuen Aufgaben
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