MVV-Chef Georg Müller ist Jurist und alles andere als ein Marktschreier: Insofern darf man davon ausgehen, dass seine Ankündigung, das Grosskraftwerk Mannheim (GKM) werde wohl bereits bis 2030 anstatt wie bislang angenommen 2033 vom Netz gehen, keine spontane Eingebung war, sondern eine wohlüberlegte Aussage – auch wenn das GKM selbst noch an der bisherigen Linie festhält.
Das hat zum einen natürlich mit der Verschärfung der Klimaschutzziele zu tun. Zwar hat die Bundesregierung noch nicht verraten, wie diese erreicht werden sollen. Denn Ankündigungen sind viel leichter und schneller ausgesprochen, als realistische Pläne geschmiedet. Verwunderlich wäre es allerdings nicht, wenn die wirtschaftliche Lage des GKM bei Müllers Prognose auch eine gewisse Rolle spielen würde.
Durch die Bevorzugung der erneuerbaren Energien im Strommarkt bei gleichzeitig steigenden Produktionskosten durch Klimaschutzmaßnahmen wie teurere CO2-Zertifikate sind viele Kohlekraftwerke schlicht nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben. Nicht umsonst hat die EnBW vergangene Woche Abschreibungen und höhere Rückstellungen in Höhe von rund einer Milliarde Euro für ihre Kohleanlagen verkündet.
Klimaschützer wird das absehbare frühere Aus dieser Technologie zwar freuen. Doch es wirft auch gewaltige Fragen auf. Etwa die nach der Perspektive für die Beschäftigten, die trotz eindeutiger Versprechen der Politik, was Mannheim angeht, nach wie vor unklar ist: Angesichts der immensen und offenbar viel zu hohen Ausgaben des Staates für den Kohleausstieg schlichtweg beschämend.
Doch auch die Versorgungssicherheit mit Strom rückt zunehmend ins Zentrum. Wie wichtig die Kohlekraftwerke dafür noch sind, zeigt allein der Umstand, dass praktisch alle Anlagen in Süddeutschland als systemrelevant gelten – sie also in absehbarer Zeit gar nicht ganz vom Netz gehen dürfen, sondern für Notfälle bereitstehen müssen.
Die neue Bundesregierung steht also nicht nur bei der Konkretisierung der Klimaschutzziele, sondern auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien vor gewaltigen Aufgaben, die sie schnellstens angehen muss.
Aber nicht nur Berlin ist gefordert. Sei es durch eventuell unliebsame Windräder, Angst auslösende Geothermieanlagen oder steigende Energiekosten: Wir alle werden einen Preis zahlen müssen. Der Klimaschutz sollte es uns trotzdem Wert sein. Die Hochwasser-Katastrophe ist gerade mal eine Woche her.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/meinung/kommentare_artikel,-kommentar-frueheres-aus-fuer-das-grosskraftwerk-wirft-viele-fragen-auf-_arid,1826549.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Früheres Aus für das Grosskraftwerk wirft viele Fragen auf
Martin Geiger über das GKM und den Kohleausstieg