Berlin/Mannheim. Im Notfall soll es die Kohle richten. Dafür legt der Bundestag an diesem Donnerstag die Grundlage. Per Gesetz erlaubt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den Einsatz von Reserve-Kohlekraftwerken, falls der Strom mangels Brennstoff nicht mehr aus Gaskraftwerken geliefert werden kann. Das ist schmerzlich“, gibt Habeck zu, „aber für eine Übergangszeit müssen wir es tun, um Gas einzusparen und über den Winter zu kommen.“ Die Entscheidung pro Kohle und gegen einen Weiterbetrieb der Atommeiler hat auch einen guten technischen Grund. Kohlekraftwerke lassen sich vergleichsweise einfach an- und abschalten. Das ist bei Kernkraftwerken nicht der Fall.
Folgen auch für GKM-Blöcke?
Rund 50 Großkraftwerke, von denen elf Braunkohle und die anderen Steinkohle verfeuern, weist die Deutschlandkarte aus. Die meisten gibt es in Nordrhein-Westfalen, das größte steht mit dem Grosskraftwerk Mannheim (GKM) in der Metropolregion Rhein-Neckar. Ein Teil der Anlagen ist schon abgeschaltet oder in der sogenannten Reserve. Letzteres bedeutet, dass ein Kraftwerk als systemrelevant eingestuft wurde und deshalb so erhalten werden muss, dass es den Betrieb wieder aufnehmen kann. Stillgelegte Braunkohlekraftwerke sollen ebenfalls in die Versorgungsreserve überführt werden. Braunkohle ist unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes die schmutzigste Art der Stromerzeugung.
Der angepeilte Weiterbetrieb von Kraftwerken könnte sich auch unmittelbar auf das GKM auswirken, konkret auf die beiden Blöcke 7 und 8. Block 7 wird nach der bisherigen Rechtslage nur als Netzreserve genutzt. Block 8 kommt ab Mai 2024 auch nur noch allenfalls für diese Nutzung infrage. Gibt der Bundestag grünes Licht für Habecks Plan, könnte es sein, dass Block 7 aus der Notreserve herausgenommen und Block 8 über das genannte Datum hinaus sogar normal weiterlaufen würde.
Eigentlich will sich Deutschland bis 2038 komplett aus der Kohleverstromung verabschieden. Das ist die geltende Gesetzeslage. Die Ampelkoalition will den Ausstieg sogar noch schneller vollziehen und 2030 das letzte Kraftwerk abschalten. Dann sollen erneuerbare Energien den Strom erzeugen. Noch ist die Kohle aber unverzichtbar. Im deutschen Strommix stellt die Braunkohle derzeit mit 28,7 Prozent einen großen Anteil, die Steinkohle leistet mit 18,9 Prozent auch noch einen beträchtlichen Beitrag zur Versorgung.
Newsletter "MM Business" - kostenlos anmelden!
Das Wirtschaftsministerium glaubt, dass dieser Plan nach wie vor gelingt, und will trotz des geplanten Einsatzes von mehr Kohlekraftwerken am Ausstiegsdatum festhalten. „Der Kohleausstieg 2030 wackelt überhaupt nicht. Es ist wichtiger denn je, dass er 2030 über die Bühne geht“, erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Montag in Berlin auf die entsprechende Frage eines Journalisten.
So steht es auch im Gesetz, mit dem die Kraftwerke reaktiviert werden. Diese Regelung ist folgerichtig auch zeitlich begrenzt bis zum 31. März 2024. Für die Kohlereviere bedeutet dies einen herben Verlust. Mit bis zu 40 Milliarden Euro will die Bundesregierung den Strukturwandel erleichtern, etwa durch den Ausbau der Infrastruktur oder auch die Ansiedlung von öffentlichen Einrichtungen in den betroffenen Gebieten.
Neue Steinkohlelieferanten nötig
An Rohstoffen für den Betrieb der Brennöfen mangelt es nicht, jedenfalls nicht direkt. Die Braunkohle kann direkt in Deutschland aus dem Boden geholt werden. Zwei Reviere gibt es dafür. Eines liegt in der Lausitz und erstreckt sich über die Länder Brandenburg und Sachsen. Das rheinische Revier liegt 700 Kilometer weiter westlich in Nordrhein-Westfalen. Da die CO2-Emissionen der Braunkohlekraftwerke besonders hoch sind, gibt es immer wieder Proteste gegen deren Betrieb.
Bei der Steinkohle sieht es anders aus. Sie wird in Deutschland gar nicht mehr gefördert, sonder muss aus dem Ausland importiert werden. Grundsätzlich gibt es keinen Mangel an Steinkohle. Doch es muss gelingen, die bisherigen Importe aus Russland durch Lieferungen aus anderen Herkunftsländern zu ersetzen. Von dort kam bisher die Hälfte der Steinkohle. Als alternative Lieferanten kommen zum Beispiel die beiden größten Exportländer der Welt – Indonesien und Australien – in Frage.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-im-notfall-muss-die-kohle-ran-_arid,1970489.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html