Auch im 71. Jahr seines Bestehens hat sich das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg seine Strahlkraft bewahrt. Bis gestern Abend waren eine sehenswerte Wettbewerbsauswahl und ein hochkarätiges Beiprogramm zu erleben, das je nach Sichtweise auch als Hauptsache gelten konnte. Das Leitungsteam hat in seinem dritten Jahr zu einer eigenen Handschrift gefunden, die sich ebenso am traditionellen Profil der Veranstaltung orientiert wie am im Kultursektor inzwischen unabdingbaren Vielfalt-Gebot. Alles im Lot also? Mit Blick auf die Filmwirtschaft hat das Festival seinen Stellenwert nicht halten können – ein Prozess, der seit Jahren im Gang ist und von den Festivalmachern kaum beeinflusst werden kann. Anders gesagt: Er wird von ihnen nur insgesamt beeinflusst, da die vielen Filmfeste miteinander um die sehenswerten Werke konkurrieren und die größten, wichtigsten Festivals die kleineren, zu denen auch das hiesige zählt, naturgemäß meistens ausstechen.
Vielversprechende junge Regietalente präsentiert man hier noch immer, doch als exklusiver Ort dafür kann die Region längst nicht mehr gelten. Positiv stimmt die Zuschauerentwicklung: Die Besucherzahl lag in diesem Jahr mit voraussichtlich deutlich über 20 000 viel höher als im noch von Corona geprägten Vorjahr. Allerdings wissen auch die Festivalmacher, dass das Potenzial damit nicht ausgeschöpft ist. Vor nicht allzu langer Zeit wurden noch doppelt so viele Zuschauer verzeichnet. Festivals und Kinos sitzen im selben Boot – gemeinsam übrigens mit den deutschen Theatern: Man ist noch weit davon entfernt, wieder die Publikumszahlen von vor der Pandemie ausweisen zu können. Um dem Ziel näher zu kommen, sind ebenso die Akteure selbst gefordert wie die bundesweite Kulturpolitik, denn der gesellschaftliche Nutzen und überhaupt Sinn von Kunst und Kultur steht ja hoffentlich weiterhin und trotz angespannter Haushaltslage nicht infrage. Der Wertschätzung der regionalen Kulturpolitik kann sich das Festival derzeit sicher sein. Um sie auch dauerhaft zu gewährleisten, wäre es gewiss von Vorteil, wenn die Zuschauerentwicklung deutlich positiv bliebe.
Dass Festivals einen wichtigen Beitrag zur deutschen Filmkultur leisten, steht außer Frage. Für sie alle gilt indes, dass sie ihren Stellenwert umso mehr verdienen, wenn sie sich nicht als Veranstaltung für eingeschworene Cineasten verstehen, sondern auch ein breites Publikum ansprechen.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Filmfestival soll nicht nur echte Cineasten ansprechen
Das Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg verzeichnet wieder mehr Besucher. Wünschenswert wäre, wenn sich der positive Trend auch künftig fortsetzen würde