Kommentar Feiern darf sein

Peter W. Ragge verteidigt Feste in Zeiten des Krieges

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Peter W. Ragge
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Darf man das? Paradiesäpfel auf der Maimess essen, während russische Soldaten aus Städten in der Ukraine die Hölle auf Erden machen? Vor Begeisterung in Fahrgeschäften kreischen, während Menschen in knapp 2000 Kilometern Luftlinie entfernt vor Angst schreien, weil sie in Bunkern dem russischen Dauerbeschuss mit Bomben, Raketen und Granaten ausgesetzt sind? Also: Darf man feiern, während ein Krieg mitten in Europa tobt?

Es mag Menschen geben, denen ganz persönlich danach nicht zumute ist. Das ist zu respektieren. Es mag Menschen geben, die irritiert sind angesichts fröhlich-feiernder Massen in Zeiten der schlimmsten europäischen Krise der Nachkriegszeit. Das darf man nicht einfach so abtun, sondern man muss sich damit auseinandersetzen. Und sicher ist es völlig richtig, angesichts des nahen Krieges auf ein Feuerwerk zu verzichten, wie das jetzt Stadt und Schausteller bei der Mannheimer Maimess tun.

Aber ganz verzichten auf alle fröhlichen Feste, wie das einige Städte tatsächlich diskutiert haben? Das wäre so falsch wie es auch falsch wäre, alle Leute mit moralisch-säuerlich erhobenem Zeigefinger zu verurteilen, die jetzt einfach mal wieder ihren Spaß haben wollen. Das sollen sie haben, das dürfen sie haben – ohne schlechtes Gewissen.

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Der Ukraine-Krieg ist uns zwar besonders nahe – aber Krieg war in den vergangenen Jahrzehnten leider immer irgendwo, im ehemaligen Jugoslawien, in Syrien, in Afghanistan usw. Selbst in der Ukraine wird dort, wo nicht gerade der Krieg tobt, das orthodoxe Osterfest gefeiert. Der Krieg in der Ukraine endet auch nicht, wenn wir auf Feste verzichten – der russische Machthaber Wladimir Putin freut sich höchstens, dass er uns nicht nur Inflation, innenpolitischen Streit und Lieferschwierigkeiten vieler Güter beschert, sondern noch mehr den Alltag vermiest. Das darf, das soll er nicht. Um in Krisen stark zu sein und zudem bedrängten, geflüchteten Menschen helfen zu können, muss man auch abschalten und feiern können – zumal nach zwei Jahren Pandemie.

Redaktion Chefreporter