Kommentar Das Rettungsdienst-System in Baden-Württemberg muss hinterfragt werden!

Peter W. Ragge zur Regelung des Rettungsdienstes

Veröffentlicht
Kommentar von
Peter W. Ragge
Lesedauer

Es ist eine sehr interessante, vielfältige und breite Koalition, die da gemeinsam zum höchsten Gericht des Bundeslandes marschiert ist: Stadträte von – fast – allen Parteien haben trotz aller sonstigen Unterschiede den Antrag eingereicht, den Rettungsdienstplan des Landes zu stoppen. Nur die CDU fehlt – denn dieser Partei gehört der Innenminister an, dessen Haus das Papier verfasst und als „Verbesserung“ bejubelt hat. Dass es das de facto nicht ist, weiß man auch an der CDU-Basis, will aber dem eigenen Minister nicht schaden. Die drei Stadträte der Grünen sind da mutiger – immerhin stellt ihre Partei den Ministerpräsidenten.

Aber das ist eigentlich egal. Völlig unabhängig davon, welche Parteien in den vergangenen Jahrzehnten in Stuttgart regiert haben – das Beharrungsvermögen im Apparat und die Kraft der Lobbyisten war stets stark. So stark, dass ein „Webfehler“ im System nie geändert worden ist: die sogenannte „Selbstverwaltung“ im Rettungsdienst.

Mehr zum Thema

Notfallmedizin

Verletzt der Rettungsdienstplan des Landes Baden-Württemberg das Grundrecht auf Leben?

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Rettungsdienste

Notfallseelsorge in Mannheim gehen die Mitarbeiter aus

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Sicherheit

Noch ein Gutachten zum Mannheimer Rettungsdienst

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren

Ob der Müll rechtzeitig geleert wird, genug sauberes Trinkwasser aus den Leitungen kommt, die Straßen gereinigt sind, es genug (oder leider nicht genug) Schulen und Kindergärten, Friedhöfe und Kläranlagen gibt sowie sozial schwachen Menschen geholfen wird, das nennt man „Daseinsvorsorge“. In Deutschland fällt das unter die kommunale Selbstverwaltung. Die Bürger sind gewohnt, dass ihre Stadt, ihre Gemeinde das regelt und sie sich darauf verlassen können – eigentlich Selbstverständlichkeiten.

Doch wer einen Herzinfarkt erleidet, Atemnot bekommt, wer stürzt oder verunglückt, der kann sich nicht darauf verlassen, dass seine Stadt, seine Gemeinde alles für ihn tut. Ausgerechnet dann, wenn es um lebensbedrohliche Fälle geht, wurde nämlich die kommunale Selbstverwaltung außer Kraft gesetzt – zumindest in Baden-Württemberg. Auch das Land selbst hält sich weitgehend raus. Alles überlässt es rein privaten Vereinen und Firmen, sprich Hilfsorganisationen und Krankenkassen, die darüber stets hinter verschlossenen Türen sprechen: ein Fehler im System. Das ist organisierte Unverantwortlichkeit, ohne jegliche demokratische Legitimation. Und dass selbst die aufgehübschten Hilfsfristen oft nicht eingehalten werden, beweist, dass dieses System nicht mal gut funktioniert.

Böse Zungen spotten über das Land im Südwesten – in Anlehnung an einen Werbespruch – schon lange: „Wir können alles – außer Rettungsdienst“. Doch es geht hier um Menschenleben. Daher ist es sehr gut, dass dieses veraltete System nun mal sehr gründlich hinterfragt wird.

Redaktion Chefreporter