Kommentar Baden-Württemberg ignoriert das Recht

Peter W. Ragge findet es skandalös, dass das Land Baden-Württemberg ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs zu einer patientengerechteren Rettungsdienstplanung einfach ignoriert

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Peter W. Ragge
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Ein Bürger, der eine Gerichtsentscheidung schlichtweg ignoriert? Eigentlich unvorstellbar. Wenn es doch jemand versucht, schickt das Land den Gerichtsvollzieher und notfalls die Polizei, die diese Person dann in Beugehaft nimmt.

Nur was, wenn es das Land selbst ist, das einen Richterspruch ignoriert? Genau vor der Situation steht Baden-Württemberg derzeit. In unvorstellbar dreister Weise tut das Innenministerium so, als ob es die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zum Rettungsdienst einfach gar nicht gegeben hätte. Kein Wunder, aber auch peinlich, dass die damaligen Kläger nun wieder die Hilfe der Justiz erbitten müssen.

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Die Richter des Verwaltungsgerichtshofs haben dem Land im Mai eine deutliche, in dieser Form sogar unerwartet deutliche Ohrfeige verpasst. Es kommt nicht alle Tage vor, dass das höchste Verwaltungsgericht des Landes einem Ministerium ins Stammbuch schreibt, dass es „seit Jahren“ gegen sein eigenes Gesetz verstoßen und damit das Grundrecht auf Leben der Bürger verletzt hat.

Statt aber daraus dann sofort Konsequenzen zu ziehen, wird erst mal weiter auf Zeit gespielt und schließlich versucht, das Urteil auszuhebeln – indem das Gesetz verändert und eben lascher formuliert wird.

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Das Grundproblem ist, dass es beim Rettungsdienst nicht um Barmherzigkeit geht. Es handelt sich vielmehr um ein knallhartes Geschäft, in dem um Marktanteile und Einfluss gerungen wird. Andere Bundesländer schaffen zwar problemlos kürzere Hilfsfristen, regulieren das Thema aber viel stärker. In Baden-Württemberg überlässt das Land dieses Geschäft allein den Hilfsorganisationen und Krankenkassen, welche die Spielregeln dafür selbst aufstellen dürfen. Das Innenministerium setzt nur den Rahmen und berücksichtigt sehr weitgehend deren Interessen. Niemand schaut genau hin, ob das mit den Rechten der Bürger vereinbar ist. Genau das haben die Richter gerügt und verlangt, dass die Rettungsdienstplanung aus Sicht der Patienten und deren (Grund-)Rechte zu erfolgen hat. Doch im Stuttgarter Innenministerium nimmt man das nur achselzuckend zur Kenntnis.

Die Frage ist, ob hier einfach die Fachabteilung des Ministeriums weiter so vor sich hinwurstelt oder ob die politische Führung des Hauses, sprich Minister Thomas Strobl, das sogar billigt. Beides wäre skandalös, denn auch Minister und Ministerialbeamte sind nun mal an Recht und Gesetz und damit an Gerichtsurteile gebunden.

Redaktion Chefreporter