Mannheim. Wenn fast eine halbe Million Menschen wohnungslos ist oder gar auf der Straße lebt, ist das ein Skandal. Der Krieg in der Ukraine hat viele Menschen aus ihren Häusern vertrieben, die erscheinen jetzt in der deutschen Statistik als (vorübergehend) wohnungslos. Die Zahlen spiegeln jedoch noch ein anderes Problem wider: den Mangel an bezahlbarem Wohnraum.
Die Situation wird sich in den nächsten Jahren noch verschärfen. Es gibt Prognosen, wonach 2025 bis zu einer Million Wohnungen in Deutschland fehlen könnten. Dabei gibt es in jeder Kommune reichlich unsichtbaren Leerstand, der genutzt und vor Zweckentfremdung (etwa Vermietung zu touristischen Zwecken) durch entsprechende Satzungen geschützt werden könnte. Auch liegt es in der Hand der Kommunen, Baulücken zu schließen und nicht mehr benötigte Gewerbeimmobilien umzuwidmen.
Umgang mit Obdachlosigkeit ist eine ungelöste Frage
Ein anderes Problem ist die Wohnraumverteilung. Immer mehr ältere Menschen leben allein in Wohnungen oder Häusern, während junge Familien verzweifelt nach diesen suchen. Bundesbauministerin Klara Geywitz hat das Einfamilienhaus als „Lebensabschnittshaus“ bezeichnet. Das sehen in Deutschland nur wenige so.
Ganz aus dem Blickfeld fallen Menschen in ungesicherten Wohnverhältnissen, die ihre Wohnung verloren haben und bei Bekannten oder Freunden Unterschlupf suchen sowie die Menschen, die auf der Straße leben. Der Umgang mit Obdachlosigkeit ist eine ungelöste Frage in den Kommunen. Ihren Anblick auszuhalten, fällt vielen Menschen schwer. Im besten Fall haben sie ein schlechtes Gewissen oder Mitleid, im schlechten beschimpfen sie die Obdachlosen oder rufen die Polizei.
Entgegen der Wahrnehmung, Obdachlose stellten eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung dar, ist es doch eher umgekehrt: Die Menschen benötigen Orte in den Innenstädten, an denen sie ungestört sein können. Denn für sie ist der öffentliche Raum der einzige, den sie haben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Wohnungslosigkeit in der Region: Bitte Platz machen!
Wohnungsnotstand ist auch in Mannheim ein großes Thema. Stefanie Ball über den Umgang mit Obdachlosen im öffentlichen Raum