Kommentar Bilanz der Schillertage am NTM: Bitte mehr Schiller!

Auch die dritte Auflage der Internationalen Schillertage am Nationaltheater Mannheim unter Schauspielintendant Christian Holtzhauer bewegt sich wieder sehr weit gefasst um den eigentlichen Festivalkern

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Ralf-Carl Langhals
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Für Intendanten seien sie ein schwieriges Erbe, die Schillertage, weil die ewig gleichen Werke eines Klassikers sich erschöpften und Versmaß und Pathos nicht mehr zeitgemäß seien. So hört man immer wieder aus theaternahen Kreisen, zumal Schiller ja auch kaum noch gespielt würde. 2018/19 spielten ihn 47 deutschsprachige Theater, 2019/20 stand Schiller (nach Shakespeare und Brecht, aber vor Goethe) laut Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins mit 42 Werken auf Platz 3 der Beliebtheitsskala. 2022 wurde etwa an Bühnen wie Zürich, Stuttgart, Hamburg, Weimar oder Dresden von Regisseuren wie Roger Vontobel, David Bösch, Milan Peschel, Jan Neumann oder Milo Rau reichlich Schiller inszeniert. Für Mannheim war wohl in geschmacklicher und räumlicher Hinsicht nichts dabei, was ins Programm der Schillertage gepasst hätte...

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Stattdessen gab es ein Karpfen-Musical, Konzertformate, Akrobatik, Hundedressur, Stadtrundgänge, Berührungsarbeit für Frauen und auch Videos mit Tantra-Massagen. Natürlich sah man auch Gelungenes aus dem In- und Ausland. Problematisch ist nicht die seit 20 Jahren gängige Aufnahme performativer und diskursiver Formate (herrlich, dies Theaterdeutsch), die ein Festival zeitgenössisch und interessant machen, Ästhetiken zeigen und mit der lokalen Freien Szene verknüpfen. Das Weglassen der Dramen ist das Problem. Seit 1978 sind die Schillertage von einem trockenen Dramaturgenfestival zunehmend zu einem lebendigen Festival für die ganze Stadt geworden. Schaufenster-Deko und spektakuläre Schiller-Räder prägten das Stadtbild. Partyvolk, Gelehrte, Literaturfreunde und Bürger konnten jeweils ihre Schiene finden. Natürlich gibt es Sanierung und Ersatzspielstätten geschuldete Beschränkung, die es Christian Holtzhauer schwer machen. Allein der Weg nach Franklin ist vielen zu weit. Dennoch: Die Schillertage sind weder ein Musikfestival, noch ein Impulsfestival für die Dramaturgische Gesellschaft, sondern ein Fest für alle Mannheimer. Dies ist ein kein schwieriges Erbe, sondern ein Geschenk. Man muss es nur annehmen wollen.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.