Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker!“ Diesen Satz dürfte so ziemlich jeder und jede kennen. Auch wenn der auffordernde Slogan bereits vor gut drei Jahrzehnten speziell für (Fernseh-)Werbung von Arzneimitteln kreiert wurde, besitzt er längst so etwas wie Kultstatus. Auch deshalb, weil die Erfahrung zeigt: Bevor eine medizinische Praxis konsultiert wird, werden häufig erst mal der Apotheker beziehungsweise die Apothekerin des Vertrauens um Rat gebeten, wenn etwa die Nase schnieft, der Kopf schmerzt oder Magen und Darm rumoren.
Viele Menschen, vor allem ältere, haben seit Jahren – manche seit Jahrzehnten – „ihre“ Stammapotheke bevorzugt im eigenen Wohngebiet. Und dort werden nicht nur Rezepte vorgelegt, Pillen und Pasten über die Theke gereicht, sondern auch Gespräche geführt. Vorwiegend über Krankheiten und Medikamente, aber auch über ganz persönliche Dinge. Dieser Aspekt ist nicht zu unterschätzen. Apotheken an der Ecke sind so etwas wie die Schnittschnelle zur Arztpraxis wie zum Alltagsleben.
Bei der bundesweiten Protestaktion des pharmazeutischen Berufsstandes am 14. Juni stehen zwar das Aufstocken von abgekoppelten Honoraren und das Aufbäumen gegen überbordende Bürokratie im Mittelpunkt, es geht aber auch um den kontinuierlichen Rückgang klassischer Betriebe. Man könnte fast schon von einem Sterben sprechen. Und dies hat dazu geführt, dass in Deutschland die Dichte von Apotheken mit 22 pro 100 000 Einwohner unter den Durchschnitt in der Europäischen Union gefallen ist. Und es sind insbesondere ausgerechnet die kleinen Vor-Ort-Anlaufstellen in Stadtteilen sowie ländlichen Regionen, die immer mehr verschwinden. Beispielsweise weil sich aus Gründen der Rentabilität keine Nachfolge findet, wenn der Inhaber oder die Inhaberin aus Altersgründen aufhört.
Klar, ließe sich argumentieren, dass ja Versand-Apotheken in diese Lücke springen könnten. Allerdings ist die Stiftung Warentest, die elf solcher Online-Anbieter im März vor einem Jahr unter die Lupe nahm, zu wenig zufriedenstellenden Ergebnissen gekommen, vor allem rund um die Beratungskompetenz. Bei den Bewertungen spielte natürlich keine Rolle, dass virtuell all jene Gespräche wegfallen, die so manch einsame Menschen mit chronischem Leiden regelmäßig beim Abholen ihrer Arznei „leibhaftig“ führen. Dabei dürften auch solcherart Schwätzchen zur Gesundung beitragen.
Apotheken an der Ecke sind so etwas wie die Schnittschnelle zur Arztpraxis wie zum Alltagsleben.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Apotheken sind eine wichtige Schnittstelle
Waltraud Kirsch-Mayer findet, dass die Stamm-Apotheke des Vertrauens vor Ort weit mehr leistet als die Medikamentenausgabe. Sie ist auch eine wichtige Schnittstelle zu Arztpraxen und zum Alltagsleben