Als die Pandemie uns ins Homeoffice bewegte, standen viele dieser neuen Form des Arbeitens zunächst positiv gegenüber. Die Vorstellung, ohne Pendeln und mit mehr Flexibilität arbeiten zu können, klang fast zu schön, um wahr zu sein. Jetzt, einige Jahre später, spüren wir jedoch auch die Nachteile davon. Es fehlen die spontanen Gespräche in der Küche, das direkte Feedback von Kollegen und die kreative Energie, die im gemeinsamen Austausch im Büro entsteht.
Bürozwang ist nicht die Lösung, reine Anwesenheit darf niemals der Indikator für Erfolg und Leistung sein
In vielen Unternehmen hat sich daher eine Mischform etabliert. Man kommt ins Büro, wenn es gerade passt oder ein Event ansteht. Meistens gehen der Entscheidung, an welchen Tagen der Bürobesuch stattfindet, Dutzende von Nachrichten und der Austausch mit Kollegen voran. Die digitale Absprache raubt jedoch Zeit und Nerven. Viele Mitarbeitende sind frustriert. Man könne ja nicht alle Kollegen immer fragen, wann sie im Büro sein werden. Und wenn man sich mal spontan umentscheide, solle man allen Bescheid geben – das höre ich immer wieder in Gesprächen.
Auch besteht die Gefahr des „Proximity Bias“. Die geringere Anwesenheit im Büro und damit Vernetzung kann dazu führen, dass diese Mitarbeitenden bei Beförderungen oder wichtigen Projekten übergangen werden, weil sie weniger gesehen und wahrgenommen werden als die Kollegen vor Ort.
Gleichzeitig machen sich Arbeitgeber Sorgen um die Produktivität im Homeoffice, die Unternehmenskultur, die Bindung ihrer Mitarbeitenden sowie die Innovationsfähigkeit. Wie lassen sich die Bedenken beider Seiten gleichermaßen adressieren?
Der Gastautor
Ivan Cossu, CEO und Co-Founder von deskbird, ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen.
Nach seinem Abschluss an der Universität St. Gallen hat er für namhafte Unternehmen wie Morgan Stanley und BCG gearbeitet und schon in jungen Jahren eine Leidenschaft für das Unternehmertum entwickelt.
Er realisierte bereits in seiner Freizeit kleinere Projekte, bis er gemeinsam mit Jonas Hess deskbird gründete, eine Software für Arbeitsplatz-Management. Bild: deskbird
Ein Bürozwang ist für mich nicht die Lösung, denn reine Anwesenheit darf niemals der Indikator für Erfolg und Leistung sein. Was es jedoch braucht, ist die Erkenntnis, dass hybride Arbeit aktiv gestaltet werden muss. Ich nenne dies koordinierte Hybridarbeit, die verschiedenste Maßnahmen der Arbeits- und Organisationsgestaltung beinhaltet.
Dazu gehört ein attraktives Büro, in das die Mitarbeitenden gern kommen. Damit Bürotage erfolgreich sind, braucht es Anreize, die über den klassischen Obstkorb und die Tischtennisplatte hinausgehen. Die Bürogestaltung ist eine entscheidende Maßnahme, um einen ansprechenden und funktionalen Arbeitsplatz zu schaffen, der einen Mehrwert gegenüber dem Homeoffice bietet. Das Büro muss eine effektive Zusammenarbeit ermöglichen und informelle Gespräche fördern, sei es in offenen Lounge-Bereichen, Besprechungsräumen für kollaborative Projekte oder kreativen Zonen. Gleichzeitig sollte es Raum für konzentriertes Arbeiten bieten, damit sich Mitarbeitende bei Bedarf zurückziehen können.
Wichtig ist auch, dass die Gestaltung des Büros Flexibilität und Anpassung zulässt. Die Anforderungen der Mitarbeitenden können sich je nach Projekt, Teamgröße oder persönlichen Präferenzen ändern. Gut gestaltet kann das Büro als „Magnet“ dienen und die Mitarbeitenden zur Rückkehr motivieren.
Bei vielen Unternehmen, mit denen ich spreche, sieht das so aus: Zwei feste Tage pro Woche werden in Absprache mit dem Team für die Anwesenheit im Büro eingeplant. An diesen Tagen finden zum Beispiel Brainstormings oder Team-Updates statt, die den direkten Austausch fördern.
Digitale Tools können etwa auch für Fragen hinsichtlich der Datensicherheit entscheidend sein
An den übrigen drei Tagen können die Mitarbeitenden flexibel im Homeoffice arbeiten. Wo immer planbar, eignen sich diese Tage besonders für konzentriertes Arbeiten ohne Unterbrechungen und mit weniger Ablenkung. Ein solches Konzept wird sich in meinen Augen langfristig und unausweichlich durchsetzen. Auch wenn heute vieles digital geht, braucht es für eine erfolgreiche Zusammenarbeit immer auch persönlichen Kontakt.
Mindestens genauso wichtig ist der nahtlose Wechsel zwischen Homeoffice und Büro. Um diese Freiheit effizient und effektiv zu gestalten, sind die richtigen digitalen Tools unerlässlich. Sie bieten nicht nur die Grundlage für eine reibungslose Kommunikation und Zusammenarbeit. Die Lösungen ermöglichen es auch, Arbeitsabläufe, Arbeitsplätze und Projekte zu koordinieren – unabhängig davon, wo sich die Teammitglieder befinden. Das erleichtert die Zusammenarbeit und stellt sicher, dass alle unabhängig vom Arbeitsort auf demselben Stand sind.
Und auch für Fragen hinsichtlich des Arbeitsschutzes, der Datensicherheit und der Einhaltung von Arbeitszeitregelungen können digitale Tools entscheidend sein. Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Richtlinien und Prozesse an die neuen Arbeitsrealitäten angepasst und alle Mitarbeitenden über ihre Rechte und Pflichten im Homeoffice und im Büro umfassend informiert sind.
Ein starkes Wir-Gefühl ist die beste Basis, um in einer hybriden Arbeitswelt erfolgreich zu sein
Die Verantwortung dafür liegt für mich klar bei der Führungsebene, die die Rahmenbedingungen schaffen muss, innerhalb derer die Mitarbeitenden ihre Arbeit optimal gestalten können. Regelmäßiges Feedback und das Arbeitsmodell an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden anzupassen, sind essenziell. Dies kann durch regelmäßige virtuelle Kaffeepausen, Teambuilding-Events oder Projekte geschehen, die eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Teammitgliedern erfordern. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind hier die Schlüsselbegriffe, damit der Zusammenhalt trotz Remote- oder Hybridarbeit nicht leidet.
Kurze interne Meetings sorgen zudem nicht nur für Transparenz, sondern stärken auch das Gemeinschaftsgefühl. Gerade die Nutzung von Videokonferenz-Tools ist daher entscheidend. Es mag banal klingen, aber die Kamera anzuschalten und das Gesicht der Kolleginnen und Kollegen zu sehen, macht einen großen Unterschied, wenn es darum geht, sich verbunden zu fühlen. Hier ist bereits ein tägliches 15-minütiges Update ausreichend, bei dem sich das Team per Videokonferenz kurz abstimmt. Dabei spürt man auch wesentlich besser die Stimmung im Team und kann darauf eingehen, als wenn man nur die Messages der anderen liest – ein klarer Vorteil.
Unternehmen sollten außerdem darauf achten, ihre Werte und Visionen klar zu kommunizieren und zu leben, denn nur so können sich die Mitarbeitenden auch auf Distanz mit dem Unternehmen identifizieren. Ein starkes Wir-Gefühl ist die beste Basis, um in einer hybriden Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Wichtig ist dies bereits im Onboarding-Prozess: Neue Kolleginnen und Kollegen müssen gezielt in die Unternehmenskultur eingeführt werden, damit sie von Anfang an ein Teil des Teams werden und das Gemeinschaftsgefühl spüren. Ein durchdachtes Onboarding, das sowohl persönliche als auch virtuelle Elemente umfasst, kann den entscheidenden Unterschied machen, um neuen Mitarbeitenden den Einstieg zu erleichtern und direkt im hybriden Arbeitskonzept anzukommen.
Richtig umgesetzt gestaltet ein flexibles Arbeitsmodell die Zusammenarbeit noch effizienter
Mein Fazit: Hybride Arbeit muss den Teamzusammenhalt nicht schwächen – im Gegenteil: Richtig umgesetzt und koordiniert bringt ein flexibles Arbeitsmodell Teams enger zusammen und gestaltet die Zusammenarbeit noch effizienter. Der Schlüssel liegt in einer Balance zwischen Homeoffice und Büro, einer empathischen Führung sowie Anreizen, die das Büro wieder attraktiv machen. Digitale Tools sind dabei das Rückgrat einer erfolgreichen hybriden Arbeitswelt.
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