Debatte

Wie gelingt es, unsere Träume zu erfüllen, Herr Brünner?

Trotz seiner Einschränkung hat Oliver Brünner es geschafft, einen Halbmarathon zu laufen und in seinem Beruf erfolgreich zu sein. Geholfen hat ihm dabei vor allem eins: sein unbedingter Wille. Ein Gastbeitrag

Von 
Oliver Brünner
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Wer ein Ziel verfolgt, muss dafür das ein oder andere Mal über seine persönliche Grenze gehen. Diese Erfahrung hat auch unser Gastautor Oliver Brünner gemacht. © istock

Den Begriff „Wille“ assoziieren die meisten Menschen mit etwas sehr Positivem. Er symbolisiert Kraft und Freiheit und vermittelt den Eindruck, dass man selbst für den Verlauf seines Lebens und die Erreichung seiner Ziele und Träume verantwortlich ist. Leider vernachlässigen viele Menschen bei dieser Art der Betrachtungsweise die Kehrseite der Medaille.

Ein beispielhaftes Szenario nimmt meistens rund um das Jahresende seinen Lauf. Denn im neuen Jahr wird ja bekanntlich eh alles besser. Wir nehmen uns vor, unsere Ernährung umzustellen und häufiger ins Fitnessstudio zu fahren. Und tatsächlich sind wir in dem Moment, in dem wir dieses Vorhaben formulieren, felsenfest davon überzeugt, dass wir unseren Worten auch Taten folgen lassen werden.

Für uns steht fest: Die Kilos müssen weg! Und dafür werden wir wöchentlich auf dem Laufband stehen, Hanteln stemmen und jedes noch so leckere Dessert ablehnen. Das haben wir uns fest vorgenommen. Was sollte also dagegensprechen, dass in den kommenden Monaten tatsächlich all die Kilos purzeln, die wir uns über die Feiertage angefressen haben?

Die Instanz, die viele in die Knie zwingt, benennen wir im Volksmund gerne als den inneren Schweinehund

Die Instanz, die viele von uns bei der Umsetzung in die Knie zwingt, benennen wir im Volksmund gerne als den inneren Schweinehund. Für viele klingt die Vorstellung, zwei- bis dreimal die Woche ins Fitnessstudio zu gehen, in der Theorie erst einmal gar nicht so schmerzhaft. Da fährt man halt mal hin, hampelt ein bisschen rum und nach ein paar Wochen werden die Extrakilos schon weg sein. Mit der Zeit aber merkt man, dass man tatsächlich über seine Grenzen hinausgehen muss, um das zu erreichen, was man sich vorgenommen hat. Man merkt, dass es nicht leicht werden und vermutlich wehtun wird.

Für den inneren Schweinehund bietet sich jetzt die perfekte Gelegenheit, um einzuschreiten und uns an der weiteren Verfolgung der Ziele zu hindern. Er sorgt von nun an dafür, dass es uns schwerer fällt, uns zum eigentlich fest eingeplanten Work-out zu überwinden. Er meldet sich jedes Mal, wenn man auf dem Laufband steht. Und er meldet sich jedes Mal, wenn irgendjemand einem eine der vielen Leckereien anbietet, von denen wir ja eigentlich die Finger lassen wollten. Da wird dann jede dieser Situationen zu einer inneren Zerreißprobe. Die Paarung ist dabei immer die gleiche: du gegen deinen inneren Schweinehund.

Der Gastautor: Oliver Brünner



  • Als sich bei deiner Geburt die Nabelschnur um seinen Hals zieht und eine spastische Tetraparese auslöst, scheint es, als stünde das Leben von Oliver Brünner unter keinem guten Stern.
  • Schon früh als Sorgenkind verschrien, traut es ihm kaum jemand zu, ein erfülltes Leben zu führen. Heute kann Brünner mit stolz sagen, dass er genau das geschafft hat.
  • Oliver Brünner ist nicht nur erfolgreicher SAP-Trainer und Speaker, sondern hat als sechsfacher Familienvater auch sein privates Glück gefunden.

Mit jedem Konflikt dieser Art, den der leidliche Begleiter für sich entscheidet, entfernen wir uns weiter von unserem gesetzten Ziel. Und mit jedem weiteren Meter, den wir uns entfernen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass wir unseren Traum irgendwann vollständig verwerfen und in alte Muster verfallen.

Innerer Schweinehund: Der stille Gegner auf dem Weg zum Erfolg

Ich habe im Laufe meines Lebens schon zahlreiche Kämpfe gegen meinen inneren Schweinehund austragen müssen. Dabei ist mir vor allem die Vorbereitung auf meinen ersten Halbmarathon nachhaltig im Gedächtnis geblieben. Ich habe schon immer davon geträumt, eines Tages bei einem Halbmarathon an den Start zu gehen. Ich weiß, dass ein solches Vorhaben schon für Menschen ohne Behinderung eine echte Mammutaufgabe darstellt. Umso entschlossener war ich, dem Ganzen trotz meiner Behinderung nachzugehen.

Ich nahm mir vor, mich geschlagene sechs Monate lang auf den anstehenden Wettkampf vorzubereiten. Ich wollte täglich trainieren gehen, einen gesunden Lebensstil pflegen und überhaupt alles dafür tun, um am Tag des Marathons bestmöglich vorbereitet zu sein. An manchen Tagen fiel mir das leicht, an anderen dafür umso schwerer. Ich zwang mich also auch an solchen Tagen dazu, meinen Arsch ins Fitnessstudio zu bewegen - und wurde langfristig dafür belohnt. Denn nach sechs Monaten hartem Training lief ich schlussendlich tatsächlich meinen ersten Halbmarathon, auf den noch einige weitere folgen sollten. Und dabei lief ich noch nicht einmal als Letzter ins Ziel.

Das, was wir als „inneren Schweinehund“ bezeichnen, ist eigentlich gar keine reelle Instanz, die sich nur bei sportlichen Herausforderungen gegen unseren Willen stellt. Wenn wir vom inneren Schweinehund sprechen, beziehen wir uns damit eigentlich auf die Erfahrung, die wir machen, wenn wir merken, dass wir beim Erfüllen unserer Ziele über unsere Grenzen hinausgehen müssen. Dieses Gefühl kann auch bei allen anderen Arten von Zielsetzungen auftreten, also auch beim Träumen. Es beschreibt nämlich einzig das Phänomen, dass wir beim Erfüllen unserer Träume durchaus auf Widerstände stoßen können. Und diese Widerstände gilt es mit dem eigenen Willen zu bekämpfen und zu übertrumpfen.

Das Träumen selbst ist das eine. Die Erfüllung eines Traumes steht jedoch auf einem anderen Blatt und erfordert es oftmals, die eigene Willenskraft bis an ihre Grenzen - und darüber hinaus - auszureizen. Wenn man etwas wirklich und von ganzem Herzen will, dann werden alle anderen Aktivitäten untergeordnet.

Die Erfüllung eines Traumes erfordert es oftmals, die eigene Willenskraft bis an ihre Grenzen auszureizen

Ich weiß, wovon ich spreche. Als ich davon träumte, eines Tages auf der Hauptbühne des größten Speaker-Events in Deutschland zu stehen, agierte ich nach dem gleichen Muster. Ich war bereit, für die Erfüllung meines Traumes alles zu tun. Und es war mir egal, ob der Aufwand, den ich erbringen musste, energetischer oder monetärer Natur war. So wie ich als Sportler über meine Grenzen hinausging, tat ich es auch hier, indem ich alle mir zur Verfügung stehenden Ressourcen in die Erfüllung meines Traumes steckte. Und genau das möchte ich dir auch raten. Wenn du einen Traum hast, den du dir unbedingt erfüllen möchtest, dann musst du auch dazu bereit sein, alles zu tun, was dafür notwendig ist. Denn wenn das Ziel eines ist, das deinen Willen dazu antreibt, über seine Grenzen zu gehen, dann bringt es auch nichts, danach zu fragen, was das Ganze am Ende kostet.

Denn wir möchten ja nicht der Typ sein, der zwei Wochen nach Neujahr seine Mitgliedschaft im Fitnessstudio kündigt, weil sein innerer Schweinehund zu stark war. Handele also auch entsprechend. Halte nichts zurück. Hänge dich voll rein. Folge deinem Willen mit allem, was du hast. Wenn es um die Erfüllung deiner Träume geht, hilft am Ende nur eins: machen, machen, machen! Denn du bist der Einzige, vor dem du dich in deinem Leben jemals rechtfertigen musst.

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Was meine ich damit? Um das zu verstehen, müssen wir uns bewusst machen, welchen unglaublichen Einfluss wir selbst auf den Verlauf unseres eigenen Lebens haben. Als Menschen verfügen wir nicht nur über ein materielles Sein, sondern auch über eine metaphysische Ebene der Erkenntnis – das höhere Ich. Dieses höhere Ich ist die Instanz, die mithilfe unseres übergeordneten Willen unseren individuellen Lebensplan entwirft. Richtig, dein Lebensplan und die darin enthaltene Lebensaufgabe wurde von dir entworfen und von niemandem sonst.

Blick von außen auf das eigene Leben eröffnet neue Perspektiven 

Im Laufe des Lebens kann es hin und wieder vorkommen, dass wir aufgrund innerer oder äußerer Einflüsse davon abkommen und Gefahr laufen, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Verhindern können wir das nur, indem wir uns die Zusammenhänge zwischen unseren Träumen und unserem übergeordneten Lebensplan einmal wie den Ausweg aus einem Labyrinth vorstellen. Wenn man all seine Kapazitäten aufwendet, um den eigenen Willen auf die Erfüllung des Traumes zu lenken, ist das so, als würde man sich im Inneren eines Labyrinths befinden. Man sieht einzig die Wände um sich herum, aber nicht das große Ganze. Deutlich leichter gestaltet es sich, wenn man sich einen Moment Zeit nimmt, um von außen auf das Labyrinth zu blicken. Aus der Vogelperspektive siehst du, welche Wege dich ans Ziel führen und welche ohnehin in Sackgassen munden.

Ein solcher Blick von außen ist mit der Betrachtung deines übergeordneten Lebensplans gleichzusetzen. Für diesen gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Wichtig ist nur, dass es die Möglichkeit gibt, mal einen Gang zurückzuschalten und dich zu fragen, ob du noch auf dem richtigen Weg bist. Befindest du dich noch in der richtigen Spur? Ist der Preis, den du für die Erfüllung deines Traumes zahlst, noch vertretbar? Oder ist er inzwischen zu hoch?

Ich nehme mir in meinem Alltag regelmäßig Zeit, um mich mit meinem Lebensplan zu beschäftigen

In vielen Fällen ist das Zauberwort zur Erkenntnis in diesem Zusammenhang Reflexion. Dabei ist es im Grunde egal, auf welche Art der Reflexion man zum Zwecke des Erkenntnisgewinns zurückgreift. Vielen Menschen verhelfen tatsächlich spirituelle Phänomene wie Religion und Gebete zu reflektierter Erkenntnis. Andere nutzen dazu Meditation und Yoga, und für wieder andere erfüllt ein Spaziergang im Wald denselben Zweck.

Auch ich nehme mir in meinem Alltag regelmäßig die Zeit, um mich mit meinem übergeordneten Lebensplan zu beschäftigen. Als stärkstes Mittel zum Erkenntnisgewinn hat sich dabei das Gebet erwiesen, wobei es kein klassisches Gebet ist, sondern eher einem meditativen Zustand gleicht, in den ich verfalle. Das kann in allen möglichen Lebenssituationen passieren.

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Meistens kommt es in Situationen vor, in denen ich für eine längere Zeit alleine bin, beispielsweise auf einer längeren Autofahrt oder beim morgendlichen Kaffee. In solchen Momenten genieße ich es, einfach mal in einen Zustand der inneren Ruhe zu verfallen und von außen auf mein Leben zu blicken. So kann ich für mich reflektieren, inwiefern sich meine Träume aktuell im Gleichgewicht mit meinem übergeordneten Lebensplan befinden.

Obwohl ich diese Art des Betens nie aktiv forciere, passiert es mir beinahe täglich, dass ich mich in Momenten der Ruhe in solch einem meditationsähnlichen Zustand wiederfinde. Diese spirituelle Erfüllung erinnert mich daran, dass ich selbst es bin, der für den Entwurf meines eigenen Lebensplans verantwortlich ist. Schließlich sagt man ja nicht umsonst: Du betest nicht, um Gott zu verändern. Du betest, um dich zu verändern.

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