Hollywoodreife Filmproduktionen am heimischen PC, schnellere Entwicklung von Antibiotika oder emotionale Chat-Roboter. Kaum ein Tag vergeht ohne Meldungen über bahnbrechende Innovationen mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI). In der deutschen Wirtschaft gilt KI-Kompetenz längst als Voraussetzung für den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Energiewirtschaft ist da keine Ausnahme. Im Gegenteil: Anlagenplaner, Energieversorger, Stromhändler, Netzbetreiber, Forschungseinrichtungen, Immobilienbesitzer bis hin zu Unternehmen der energieintensiven Industrie experimentieren mit KI oder setzen sie bereits ein.
Der KI-Einsatz in der Energieversorgung ist kein Selbstzweck. Denn um die Ziele der Energiewende zu erreichen, müssen bis 2030 rund 721 Milliarden Euro in den Ausbau der Energieerzeugung, unter anderem für Windparks und Photovoltaik, sowie der Netze für Strom und Wasserstoff investiert werden. Ob es gelingt, die notwendigen Finanzmittel aufzubringen und die Energieinfrastruktur zu errichten, ist offen. Vor diesem Hintergrund sind kostensenkende und prozessbeschleunigende Technologien wie die KI von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Energiewende.
Technologien wie die KI sind von zentraler Bedeutung für das Gelingen der Energiewende
KI-basierte Anwendungen zeigen bereits heute, dass sie entlang der energiewirtschaftlichen Wertschöpfungskette vielfältig eingesetzt werden können. In der energieintensiven Stahlindustrie kann sie zur Erhöhung der Recyclingquote von wiederverwertbarem Metallschrott beitragen, indem sie den Sortierprozess auf den Förderbändern verbessert. Die recycelten Metalle verbrauchen in der Stahlproduktion weniger als die Hälfte der Energie, die sonst für die Verarbeitung von Erz benötigt wird. Stahl ist für den Bau von Windkraftanlagen unverzichtbar. Die Forschung erprobt den Einsatz von trainierten KI-Modellen zur präziseren Steuerung der Wärmezufuhr im Stahlschmelzprozess, um Energie zu sparen. Damit lassen sich bereits Energieeffizienzsteigerungen im einstelligen Prozentbereich erzielen, die hochgerechnet einen großen Unterschied machen können.
KI verkürzt auch die Entwicklungszeit neuer Batteriematerialien, die eine höhere Energiedichte oder eine längere Lebensdauer ermöglichen. Sie lernt aus großen Mengen wissenschaftlicher Daten, Experimenten, Veröffentlichungen und Patentdokumenten. So erkennt sie Muster und Zusammenhänge, die Menschen übersehen. Mit Hilfe von Simulationen kann sie vorhersagen, wie sich Materialien unter bestimmten Bedingungen verhalten, und so teure und langwierige Experimente vermeiden. In einem konkreten Fall wurde ein Material entdeckt, das den Lithiumbedarf von Spezialbatterien um 70 Prozent reduziert. Der Forschungsprozess, der normalerweise Jahrzehnte gedauert hätte, konnte mit KI innerhalb einer Woche abgeschlossen werden.
KI beschleunigt den Ausbau von Erneuerbare-Energien-Anlagen durch schnellere Planungs- und Genehmigungsprozesse. Dies geschieht durch KI-Anwendungen, die präziser und schneller maßgeschneiderte Infos über standortrelevante Wetterfaktoren, Strommarktpreise, Netzzugang, Wartungs- oder Instandhaltungsarbeiten bereitstellen als bisherige Verfahren. Einfach zu bedienende Chatbots, die für komplexe Zertifizierungen trainiert sind, geben Expertenrat für aufwendige Genehmigungsprozesse. Auch auf Behördenseite wird KI ausgetestet, um etwa Genehmigungsverfahren für Anlagen zu beschleunigen. Verwaltungsprozesse, Datenabfragen und behördenübergreifende Entscheidungen sollen schneller und koordinierter erfolgen.
KI verringert die Kosten des Stromnetzmanagements. Diese entstehen mitunter an besonders windreichen Tagen, da die Netze noch nicht in der Lage sind, den zusätzlichen Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird. Dann sind netzstabilisierende Maßnahmen wie das Abschalten von Windkraftanlagen oder das lokale Hochfahren fossiler Kraftwerke notwendig, die auf ganz Deutschland hochgerechnet mehrere Milliarden Euro pro Jahr kosten. Mit KI lassen sich diese Kosten verringern. Die Echtzeitüberwachung des Stromnetzes und die Prognose von Wetterdaten und der Energieverbrauch erlauben frühzeitige Eingriffe wie die Bereitstellung von Speicherkapazitäten.
Der Gastautor
Die KAS greift die aktuellen Entwicklungen der Künstliche Intelligenz (KI) mit Blick auf ihre Chancen und Herausforderungen für die Demokratie, Bildung, Innovation und Sicherheit auf.
In Deutschland und in über 100 Büros weltweit organisiert sie dazu Konferenzen, Delegationen und Bildungsseminare. Im März dieses Jahres fand in Berlin unter anderem „Hi Ai – der KI-Kongress für alle“ statt, der KI für ein breites Publikum über eine Vielzahl von Themen zugänglich machte.
KI steigert die Energieeffizienz von Bürogebäuden, in denen Heizung, Lüftung und Klimatisierung einen großen Anteil am Energieverbrauch haben. Mit Hilfe von Sensoren, die kontinuierlich Daten über Temperatur, Luftfeuchtigkeit, CO2-Gehalt und Belegungsdichte sammeln, können Anpassungen vorgenommen werden, um ein optimales Raumklima zu gewährleisten. So wird die Heizung gedrosselt, wenn ein Raum leer ist, oder die Lüftung erhöht, wenn die CO2-Werte steigen. Durch diese Maßnahmen konnte der Energieverbrauch um bis zu 30 Prozent gesenkt werden.
Damit KI zur kosteneffizienten Umsetzung der Energiewende beitragen kann, braucht sie Energiedaten. Diese sind essenziell für das Training der KI-Modelle und derzeit noch nicht ausreichend erschlossen. Regulatorische Anforderungen, fehlende politische Prioritätensetzung, technische Barrieren und Datenschutzanforderungen erschweren den Zugang zu diesen Daten. Zudem sind sie Bestandteil kritischer Energieinfrastrukturen, die durch KI-basierte Cyberangriffe besonders gefährdet sind und deshalb nur im Rahmen einer engmaschigen Kontrolle verwendet werden können.
Energiedaten sind essenziell für das Training der KI-Modelle und derzeit noch nicht ausreichend erschlossen
Weitere Hürden liegen in den uneinheitlichen Standards für Energiedaten, die nur mit großem Aufwand harmonisiert werden können. Hinzu kommt die mangelnde Erfassung von Energiedaten, da ein Großteil der deutschen Haushalte aber auch Unternehmen nicht über entsprechende digitale Infrastrukturen verfügt. Sowohl bei der Energiedatenharmonisierung als auch bei der digitalen Datenerfassung gibt es bereits Initiativen, die hier Abhilfe schaffen wollen. Dies muss schnell geschehen. Ohne Energiedaten und digitale Infrastruktur kann auch die intelligenteste KI keinen Beitrag zur Kosteneffizienz der Energiewende leisten.
KI kann die Kosten der Energiewende und den Energieverbrauch verringern, sie verbraucht aber auch selbst viel Energie. Mit steigender Tendenz. Für ihre Entwicklung müssen Modelle in energieverbrauchenden Rechenzentren mit großen Datenmengen trainieren. Und jede einzelne Abfrage der KI benötigt wieder Strom. Daher ist die Entwicklung energieeffizienter KI-Infrastrukturen notwendig.
Entwickler und Betreiber fokussieren sich auf die Optimierung von Rechenzentren, Computerchips und Algorithmen sowie deren effektives Management. So werden zum Beispiel KI-basierte Programme eingesetzt, um die Auslastung von Servern hinsichtlich ihres Kühlbedarfs zu steigern. Die Abwärme von Rechenzentren wird zur Beheizung umliegender Gebäude genutzt, um dort den Einsatz konventioneller Heizsysteme zu reduzieren. Eine weitere Maßnahme ist die Kühlung der Server mit Flüssigkeit statt mit Luft. Darüber hinaus trägt die Nutzung erneuerbarer Energien für die Stromversorgung von Rechenzentren dazu bei, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren und einen nachhaltigeren Betrieb zu gewährleisten.
Neue Ansätze reduzieren den Energieverbrauch von KI-Modellen, indem diese dezentral auf anderen Plattformen trainieren. Um die Energieeffizienz zu erhöhen, werden die Modelle dafür vor der Übertragung komprimiert und danach dekomprimiert, was den Stromverbrauch reduziert. Dadurch konnten Energieeinsparungen von über 60 Prozent erzielt werden.
Durch die Entwicklung neuer Computerchip-Architekturen kann die Rechenleistung für KI-Anwendungen genauer gesteuert werden. Dadurch konnten in einigen Fällen Energieeinsparungen von über 30 Prozent im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen erreicht werden. Neue Generationen wie neuromorphe Computerchips, die den energieeffizienten Nervenbahnen des Gehirns nachempfunden sind, können den Energiebedarf für Rechenaufgaben drastisch reduzieren. Im Vergleich zu herkömmlichen Chips zeichnen sie sich durch eine hohe Energieeffizienz und einen geringen Platzbedarf aus. Dadurch können sie in einer Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, um den Energieverbrauch weiter zu senken.
Die konsequente Weiterentwicklung der KI-Infrastruktur nach Kriterien der Energieeffizienz zeigt machbare Wege auf, um den wachsenden Energieverbrauch der KI-Entwicklung effektiv zu begegnen. Mit weiteren Innovationen ist zu rechnen. Für die Energiewende ist KI damit ein Treiber für den energieeffizienten Ausbau der KI-Infrastruktur und zugleich eine Technologie, um ihre hohen Kosten einzugrenzen.
KI in der Energieversorgung ist aber auch kein Allheilmittel. Ihr Einsatz muss noch große Hürden überwinden
KI in der Energieversorgung ist aber auch kein Allheilmittel. Ihr Einsatz und ihre Entwicklung müssen noch große Hürden, etwa den mangelnden Zugang zu Energiedaten und den fehlenden Ausbau der digitalen Infrastruktur, überwinden. Ihre wachsenden Fähigkeiten, die auch Cyberangriffe auf die deutsche Energieversorgung erleichtern, werfen weitere Fragen auf. Der hier aufgegriffene und immer häufiger festzustellende öffentliche Vorwurf, sie sei ein „Energiefresser“, um vermeintliche Widersprüche zwischen Technologieoffenheit und Klimaschutz aufzuzeigen, stellt ebenfalls eine wachsende politische Herausforderung dar.
Für Deutschland spricht, dass viele der hier aufgezeigten Effizienzverbesserungen in den Rechenzentren und dem KI-Einsatz in der Energiewirtschaft entwickelt, erprobt und zum Teil schon wirtschaftlich genutzt werden. Ein Wettbewerbsfaktor, den es herauszustellen und wirtschaftlich zu nutzen gilt.
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