Da ist sie wieder, die Erkenntnis, dass Lesen wichtig ist. In regelmäßigen Abständen wird das erforscht, bestätigt, bekräftigt. Von Forschern. Von Journalisten. Von Politikern, ja, auch von Politikern, die Entscheidungen treffen könnten, die dazu führen könnten, dass vor allem Kinder und Jugendliche mehr lesen und überhaupt mehr Bildung mitkriegen könnten. Könnten. Die Erkenntnis hier lautet leider: Lippenbekenntnisse stehen hoch im Kurs.
Gerade hat also – mal wieder – eine Untersuchung ergeben: Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, haben bessere Startchancen im Leben. Ach so! Das sagen – mal wieder – Wissenschaftler, die auch meinen: Viele Eltern tun sich schwer damit. Und warum? Weil schon ihnen nicht vorgelesen wurde? Vielleicht.
Denn mehr als einem Drittel der Kinder zwischen einem und acht Jahren wird selten oder nie vorgelesen. Das sei das Ergebnis des Vorlesemonitors 2023, der gerade in Berlin vorgestellt wurde. Die große Neuigkeit: Vor allem Eltern mit formal niedriger Bildung lesen selten oder nie vor. Und wir dachten schon, es seien die viel beschäftigten Akademikerinnen und Akademiker, die das nie tun, weil sie keine Zeit dafür haben und ständig in der Welt rumjetten, um irgendwelche Vorträge zu halten. Aber so teilte es die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen nun mal mit.
Simone Ehmig heißt die Frau. Die Studie zeigt ihrer Meinung nach auch, dass Eltern, denen früher selbst vorgelesen wurde, ihren eigenen Kindern häufiger vorlesen. Aha. Also man könnte jetzt auch sagen: Die Studie war rausgeschmissenes Geld, denn das hätte denen jeder von uns auch schon vorher sagen können.
Aber natürlich nicht so exakt. Denn nur 63,4 Prozent der Kinder zwischen eins und acht bekommen regelmäßig mehrmals in der Woche vorgelesen. Das klingt doch gar nicht so schlecht. Kaum kann man’s glauben. Die größte Überraschung der Kommunikationsforscherin kommt aber noch: Eltern nutzen in Kitas und Schulen Buchausleihen, wenn es sie gibt. Also dieser Satz ist wissenschaftlich praktisch nicht falsifizierbar. Die Frage ist nun: Haben wir den Point of no Return schon überschritten? Ist das Land der Dichter und Denker morgen eines der Lullis und Legastheniker? Kommt die Studie zu spät? Verwunderlich wäre letzteres nicht. Immerhin hat sie die Deutsche Bahn (Stiftung) unterstützt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben_artikel,-zeitzeichen-hoert-hoert-lest-lest-_arid,2135123.html