Mannheim. Man schreibt den 23. September 2025. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Donald Trump, kommt ins Hauptquartier der UNO in New York. Als er mit Gemahlin Melania die Rolltreppe betritt, die ihn in das Stockwerk mit dem Saal der Generalversammlung bringen soll, bleibt diese Rolltreppe stehen. Und als der Präsident am Rednerpult steht, streikt auch noch der Teleprompter. „Der, der dafür verantwortlich ist, wird große Probleme bekommen“, schimpft Trump in der ihm eigenen Art.
Ein Gutes hat der Vorfall jedoch: Nicht nur die UNO als Organisation, die genau vor 80 Jahren gegründet wird, sondern auch ihr Hauptquartier kommt damit überhaupt endlich enmal in den Genuss weltweiter Aufmerksamkeit. Ein Gebäude, das selbst Geschichte schreibt.
Und diese Geschichte beginnt bereits im Zweiten Weltkrieg. Als Konsequenz aus dem Völkerschlachten will US-Präsident Franklin D. Roosevelt eine Organisation schaffen, die nach dessen Ende Frieden und Menschenrechte weltweit garantiert. Noch vor Kriegsende, im Februar 1945, ist sein Plan in Jalta Thema auf der Konferenz der Großen Drei – neben ihm der britische Premier Churchill und Sowjetdiktator Stalin.
Wie die Sowjetunion drei Mitgliedschaften in der UNO bekam
Sowjet-Außenminister Molotow verlangt ein Vetorecht für die Großmächte. Churchill argument dagegen; große Staaten dürften kleinere nicht dominieren. Man vertagt sich.
Am folgenden Tag kommt Molotow mit einem neuen Vorschlag um die Ecke: Einen Sitz in der UNO verlangt er nicht nur für die Sowjetunion als Ganzes, sondern auch für die sowjetischen Teilrepublken Ukraine, Weißrussland und Litauen. „Auch Englands Kolonien Australien und Kanada haben ja eine eigene Mitgliedschaft“, argumentiert er. Empört weist Churchill dies zurück; diese Länder seien seit einem Jahrhundert unabhängig und von Anfang an gegen Hitler gewesen - ein Seitenhieb gegen Stalin, der 1939 znächst mit Hitler gemeinsame Sache macht.
Am Ende einigen sich die Großen Drei: Es soll einen Weltsicherheitsrat geben, dessen ständige Mitglieder ein Vetorecht besitzen. Neben den USA, der Sowjetunion, China und Großbritannien soll auch Frankreich dazu gehören. Und die Ukraine und Weißrussland dürfen separat Mitglied in der UNO werden.
Charta erlaubt Intervention der UNO in Deutschland
Am 26. Juni 1945 unterzeichnen 50 Staaten in San Francisco die Gründungs-Charta. Besonders interessant sind die Artikel 53 und 107. Demnach können die Unterzeichner gegen Feindstaaten des Zweiten Weltkrieges militärisch intervenieren, sobald diese erneut eine aggressive Poltik verfolgen. Als Feindstaaten gelten Deutschland und Japan. Erst 1994 erklärt die Generalversammlung diesen Passus für „obsolete“ (hinfällig), er wird aber nicht gestrichen und findet sich daher noch heute in der UNO-Charta
Nachdem die Großmächte USA, Sowjetunion, China, Großbritannien und Frankreich die Charta ratifiziert haben, tritt sie am 24. Oktober 1945 in Kraft - genau vor 80 Jahren. Die ersten Sitzungen finden in London, Paris und verschiedenen Städten der USA statt. Doch natürlich stellt sich die Frage, wo die neue Organisation dauerhaft ihren Sitz haben soll.
Diskussion: Wo soll die UNO ihren Sitz haben?
Viele Städte wetteifern um diese Ehre. Eine starke Fraktion unter den Delegierten spricht sich für Genf aus, Standort des früheren Völkerbundes und gelegen in der als Inkarnation von Neutralität geltenden Schweiz. Um absolute Unabhängigkeit von irgendeinem Staat zu garantieren, wird sogar ein Schiff auf hoher See als Sitz der UNO diskutiert.
Am Ende läuft alles auf die USA zu, die damals mächtigste Nation der Welt. San Francisco, der Gründungsort der UNO, wird von den pazifischen und asiatischen Mitgliedsstaaten präferiert. Am Ende wird es doch die Osküste. Vor allem, weil in New York ein kostenloses Grundstück zur Verfügung steht.
Zunächst ist dieses Gelände Teil eines Mischgebietes namens Turtle Bay, auf dem sich Schlachthöfe, die Bleistiftfabrik Eberhard Faber und Mietskasernen befinden. 1946 erwirbt der Immobilienmakler Wlliam Zeckendorf sen. das Gelände, um ein Bürogebäude und ein Hotel zu errichten. Das Projekt scheitert, und so verkauft Zeckendorf das Gelände an Nelson Rockefeller. Als die UNO ein Gelände sucht, schenkt er der Organisation das Grundstück.
Le Corbusier kommt mit seiner Konzeption nicht zum Zuge
Das enge Gelände erfordert eine extrem vertikale Bauweise, also einen hohen Büroturm. Anstelle eines Architektenwettbewerbs entscheidet sich die UNO dafür, die zehn berühmtesten Architekten der Zeit aus verschiedenen Kontinenten zu beauftragen, das Projekt gemeinsam zu planen. Unter ihnen Le Corbusier und Oskar Niemeyer, die bald das Gremium dominieren. Le Corbusier will alle Einrichtungen in einem einzigen Gebäude unterbringen, Niemeyer eine Trennung von Bürohochhaus und Versammlungshalle. So wie es am Ende auch kommt.
Zur Finanzierung beantragt US-Präsident Truman im April 1948 beim Kongress ein zinsloses Darlehen n Höhe von 65 Millionen Dollar. Doch als die UN-Mitarbeiter Valentin Gubitchev und Judith Coplon als Sowjet-Spione enttarnt werden, stellt sich das Repräsentantenhaus quer, stimmt am Ende aber doch zu.
Der Spatenstich für das Hochhaus erfolgt im September 1948, die Grundsteinlegung im Oktober 1949 durch den Gouverneur von New York. Im Januar 1951 wird das Gebäude bezogen. Unternehmen aus 37 Ländern spenden das Mobiliar im Wert von zwei Millionen Dollar. 1952 folgt der Saal der Generalversammlung, 1961 die Bibliothek.
Legendäre Auftritte berühmter Redner vor der Generalversammlung
Der Standort des Hauptquartiers ist wie Botschaften exterritoral. Bei der Strafverfolgung setzen die UNO-Regeln also die Gesetze der USA außer Kraft, mit Ausnahme bei Verbrechen. Das ermöglicht auch Erzfeinden der Amerikaner, bei der UNO aufzutreten. So etwa 1964 Ernesto Chez Guevara, dem Kampfgefährten von Kubas Fidel Castro.
Infos und Tipps zum Hauptquartier der UNO
- Das UNO-Hauptquartier umfasst vier Gebäude : das Hochhaus für das Sekretariat, das weithin als Symbol der UNO gilt; das kuppelförmige Gebäude der Generalversammlung; die Dag-Hammerskjöld-Bibliothek; das Besucherzentrum.
- Direkt am Zaun befinden sich die Fahnenmasten , an denen die Flaggen aller UNO-Mitgliedsstaaten (aktuell 193 und zwei Beobachter) sowie die UNO-Flagge gehisst sind, platziert in alphabetischer Reihenfolge der Staatsnamen in englischer Sprache.
- Das Sekretaritsgebäude , 1950 fertiggestellt, umfasst 39 Stockwerke und 82.600 qm Nutzfläche. Es beherbergt das Büro des Generalsekretärs sowie Arbeitsplätze für 4.000 Mitarbeiter.
- Der Saal der Generalversammlung ist 50 mal 35 Meter groß und bietet 1.800 Sitzplätze. Am Kopf befindet sich das Podium aus grünem Marmor für „The President of the General Assembly“ (aktuell Annalena Baerbock) und den Generalsekretär sowie das Rednerpult mit dem Teleprompter. Jede der 193 Delegtaionen verfügt über sechs Sitze im Saal, davon jeweils drei mit Tisch.
- Die Bibliothek , 1961 engeweiht und benannt nach Dag Hammerskjöld, Generalsekretär 1953-1961, verfügt über 400.000 Bücher, 9.800 Zeitungen und Zeitschriften sowie 80.000 Karten.
- Eine Besichtigung des UNO-Gebäudes ist möglich. Besuchszeiten Montag bis Freitag 9-17 Uhr. Vorherige Anmeldung unerlässlich. Per Mail unter: inquiries2@un.org. Oder auf Facebook: @UNVisitorsCentre.
- Das Ensemble diente mehrmals als Filmkulisse . Legendär sind die Szenen in „Der unsichtbare Dritte“ (1959) und „Topas“ (1969), aber auch im „Rosaroten Panther“ (1976) und „Superman IV“ (1987).
Überhaupt werden viele Auftritte legendär. Wie der des sowjetischen Parteichefs Chruschtschow 1960, der mit einem Schuh auf den Tisch schlägt. Grund für seine Wut: Seine Kritik am Kolonialismus westlicher Länder begegnet man mit der Frage nach der Unabhängikeit der osteuropäischen Staaten. Oder der Auftritt von PLO-Chef Yassir Arafat 1974 - mit sichtbarem Revolver im Halfter.
Überhaupt ist für die UNO eine antiisraelische Haltung kennzeichnend. Höhepunkt ist die Resolution Nr. 3379 vom 10. November 1975, in der Zionismus, also das Streben der Juden nach einer Heimstatt in Palästina, als Rassismus verurteilt wird. Dagegen votieren 35 Staaten, allen voran die USA und Westeuropa, darunter die Bundesrepublik, dafür 72, vor allem arabische, afrkanische, asiatische und kommunistische Staaten, darunter die DDR. Ein „Tiefpunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen“, wie der spätere Generalsekretär Kofi Annan bekennt. Am 16. Dezember 1991 wird die Resolution daher mit 111 zu 25 Stimmen offiziell zurückgenommen.
Das Gebäude wird zu klein und renovierungsbedürftig
Immer mehr Länder treten der UNO bei: In den 1950er Jahren die früheren „Feindstaaten“ Japan, Italien, Österreich, 1973 auch die Bundesrepublik und die DDR. Es wird also eng im Haus, das außerdem in die Jahre kommt. „Wenn die Vereinten Nationen sich an die Bauvorschriften für Städte halten müssten“, schreibt die „New York Times“ bissig, „könnte es durchaus geschlossen werden.“ Eine Sanierung muss her.
Ein Angebot legt auch ein New Yorker Immobilienunternehmer namens Donald Trump vor. „Ich sagte damals, ich würde es für 500 Millionen Dollar machen, und alles würde wunderschön werden“, berichtet er, inzwischen Präsident, in seiner Rede am 23. September 2025. Die Verantwortlichen hätten sich jedoch dagegen entschieden. Aus seiner Sicht eine falsche Entscheidung: Am Ende betragen die Sanierngskosten mehr als zwei Milliarden Dollar.
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