Geschichte Zetreise

Pentagon: Gigantisches Fort und Herz der US-Streitkräfte

Vor kurzem feierte die US Army ihren 250. Gründungstag. Organisiert wird diese stärkste Militärmacht der Welt im größten Bürogebäude des Erdballs: dem Pentagon.

Von 
Konstantin Groß
Lesedauer: 
Das Pentagon, Hauptsitz des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Bild: dpa © picture alliance/dpa/Xinhua

Mannheim. Charles Falkenberg, seine Frau Leslie sowie ihre Töchter Zoe (9) und Dana (3) besteigen in Washington eine Boeing 757 der American Airlines. Kurz nach dem Start bringen Terroristen der islamistischen Gruppe Al Qaida die Maschine in ihre Gewalt. Und lenken das Flugzeug in das Pentagon, das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika. Die ganze Familie Falkenberg wird ausgelöscht. Es ist der 11. September 2001, 9.37 Uhr.

Die Falkenbergs sind vier der 184 Opfer dieses Anschlags, der sich zeitgleich mit jenem auf das World Trade Center in New York ereignet. In einem anrührenden Gedenkhain neben dem riesigen Bürogebäude wird an die Toten erinnert, jeweils mit einer Bank und kleinem Bach, versehen mit Namen und Geburtsjahr. Auch an Dana. Geboren 1998. Sie ist drei Jahre alt, als sie stirbt.

Der öffentliche Gedenkhain am Pentagon, der an die Opfer des Anschlages vom 11. September 2001 erinnert. © Konstantin Groß

Nine Eleven, die Attacke aus dem Hinterhalt, mitten im Frieden und im Herzen des eigenen Landes, dies ist das traumatischste Ereignis in der Geschichte des Pentagon und der US-Armee, die vor kurzem den 250. Jahrestag ihrer Gründung begeht. Mit einer Militärparade ihres Oberbefehlshabers, Präsident Donald Trump, der an jenem Tag zugleich seinen 79. Geburtstag feiert.

Wer in die Geschichte der US-Streitkräfte blickt, kommt jedoch zu einem erstaunlichen Befund: Über lange Phasen hat die junge Nation mit Militär wenig am Hut. Das ändert sich erst im 20. Jahrhundert

George Washington wird erster Armeechef und danach Präsident

Der Ursprung der US-Armee liegt im Unabhängigkeitskampf der nordamerikanischen Siedler gegen die britische Kolonialmacht. Am 14. Juni 1775 stellt der Kongress dafür zehn Kompanien auf und ernennt am Tag danach George Washington zum Oberbefehlshaber. Zunächst haben es die Milizionäre schwer, sich gegen die gut ausgebildeten Soldaten der Weltmacht aus Europa und ihre Söldner, unter ihnen übrigens 20.000 aus Hessen, zu behaupten. Es ist der preußische General von Steuben, der sie erst in Form bringt.

Um ihren Erzfeind England zu schwächen, unterstützen die Franzosen ab 1778 die Amerikaner mit Waffen. In der Schlacht bei Yorktown 1781 erleiden die Briten die entscheidende Niederlage, der Krieg endet 1783 mit dem Frieden von Paris und der Unabhängigkeit Nordamerikas; die Vereinigten Staten sind geboren. Armeechef George Washington wird der erste Präsident.

Die Verfassung von 1787 setzt einen sehr zivilen Rahmen für das Militär. Im Unterschied zu den europäischen Monarchien erhält alleine der Kongress das Recht, ein stehendes Heer aufzustellen und Krieg gegen ausländische Mächte zu erklären. Erst zwei Jahre später wird das Kriegsministerium geschaffen. 1802 gründet Präsident Thomas Jefferson in New York die heute weltberühmte Militärakademie West Point. Ein bis heute nicht gänzlich aufgearbeitetes dunkles Kapitel in der Geschichte der Army sind ihre jahrzehntelangen blutigen Feldzüge gegen die indigene Bevölkerung („Indianerkriege“).

Ansonsten bleibt ihre Schlagkraft gering. Im erneuten Krieg gegen die Engländer 1812 besetzen diese die Hauptstadt Washington, brennen sogar das Weiße Haus nieder. Gerade noch kann die Army eine Niederlage abwenden, die die Existenz des jungen Staates beendet hätte.

Im 19. Jahrhundert haben die Amerikaner mit Militär

Weitere Schwächung bringt der Bürgerkrieg 1861-65. Wie das ganze Land, so spaltet die Loslösung der Südstaaten auch die Armee, legendäre Generäle wie Lee und Grant kämpfen nun gegeneinander. Im Norden stehen zwei Millionen Mann unter Waffen, bei den Südstaaten die Hälfte. Der Bürgerkrieg fordert eine Million Tote, die Hälfte Uniformierte - mehr als alle anderen militärischen Einsätze der USA zusammen.

Als er zu Ende ist, wollen die Menschen von Militär und Kämpfen nichts mehr wissen. Es dauert Jahrzehnte, bis sich die Armee erholt. Noch Ende des 19. Jahrunderts zählt sie gerade mal 39.000 Mann und ist damit im Verhältnis eine der kleinsten der Welt; Frankreich verfügt zu jener Zeit über 542.000 Soldaten.

Infos und Tipps zum Pentagon



Lage : Das Pentagon liegt im US-Bundesstaat Virgina direkt an der Grenze zur Hauptstadt Washington D.C. am Fluss Potomac.

Aussehen : Das Gebäude hat den Grundriss eines Fünfecks (griechisch Pentagon). Jeder der fünf Gebäudetrakte ist 291 Meter lang. Die Höhe beträgt 23 Meter.

Größe : Mit 135.000 qm Grundfläche, 600.000 qm Nutzfläche (davon 350.000 qm Büroflächen) und einem Volumen von 2 Mio. Kubikmetern ist es das größte Verwaltungsgebäude der Welt. Die Gesamtlänge aller Korridore beträgt 28 km.

Besonderheit : Oberhalb der Haupthalle steht die Halle der Helden, in der 3.500 Empfänger der Ehrenmedaille geehrt werden. Am Ort des Einschlags vom 11. September 2001 befinden sich eine Kapelle und ein Denkmal. Zu jedem Jahrestag wird dort jene Flagge gehisst, die die Explosion überstanden hat. Alle 184 Opfer sind auf der Website „pentagonmemorial.org“ aufgeführt.

Beschäftigte : Im Pentagon arbeiten etwa 25.000 Menschen, nicht mitgerechnet natürlich die 1,4 Millionen Soldaten, die von hier aus verwaltet werden. Minister ist seit Januar 2025 der frühere Fernsehmoderator Pete Hegseth (45).

Besichtigung: Diese ist nur US-Bürgern möglich, nach Online-Voranmeldung. Das Memorial neben dem Pentagon ist jedoch frei öffentlich zugänglich. Zu erreichen über die gleichnamige Metro-Haltestelle der blauen und gelben Linien.

Infos : www.defense.gov.

Ihre Stärke beziehen die USA aus der ungeheuren Wirtschaftskraft. Als sie 1917 auf Seiten Englands und Frankreichs in den Ersten Weltkrieg eintreten, ist das militärische Schicksal Deutschlands besiegelt. 115.000 GIs sterben, aber „nur“ 50.000 bei Kampfhandlungen. Die Mehrzahl an der Spanischen Grippe, die in US-Ausbildungslagern entsteht.

Für Amerika ist der Erste Weltkrieg dennoch ein Lehre. Nie mehr will man sich in die Händel der Europäer reinziehen lassen. 1920 wird die Armee drastisch verkleinert, jede Beförderung seit 1917 annulliert. Mit dem Aufstieg des japanischen Militarismus in Asien und von Hitler-Deutschland in Europa ändert sich das in den 1930er Jahren. Eine militärische Auseinandersetzung scheint unausweichlich, und damit eine Reorganisation der Armee.

Das Kriegsministerium ist unter engsten Verhältnissen in einem Munitionslager in Washington untergebracht. Im Frühjahr 1941 beantragt Kriegsminister Stimson bei Präsident Roosevelt einen großen Neubau. Dieser stimmt zu, der Kongress bewilligt die Mittel. Dem Architekten George Bergstrom werden jedoch klare Vorgaben gemacht: Um Stahl zu sparen, der für die Rüstung benötigt wird, soll das Gebäude nur wenige Stockwerke umfassen. Das bedeutet: Es muss horizontal angelegt werden. Als Form wählt man eine historische: die eines Forts.

Mehr zum Thema

Zeitreise

Vor 150 Jahren: Großherzog weiht Mannheimer Mühlauhafen ein

Veröffentlicht
Von
Peter W. Ragge
Mehr erfahren
Zeitreise

Warum der Turm von Pisa schief steht und wie er gerettet wurde

Veröffentlicht
Von
Konstantin Groß
Mehr erfahren
Zeitreise Geschichte

Wie das legendäre Schloss Neuschwanstein entstand

Veröffentlicht
Von
Konstantin Groß
Mehr erfahren

Die horizontale Bauweise erfordert viel Platz, der in Washington D.C. nicht vorhanden ist. So wählt man ein Grundstück im angrenzenden Bundesstaat Virginia. Am 11. September 1941 wird der Erste Spatenstich gesetzt. Nicht mal drei Monate später tritt der Ernstfall ein: Am 7. Dezember 1941 überfällt Japan die amerikanische Flotte in Pearl Harbor, die USA befinden sich im Krieg. Die Regierung drängt auf einen schnellen Baufortschritt.

Den Vorgaben entsprechend wird mit Stahlbeton gebaut, auf Basis von 680.000 Tonnen Sand, die aus dem Potomac ausgebaggert werden. Die Fassade wird mit Kalkstein aus Indiana lediglich verbrämt. Nach nur 16 Monaten ist der Mammutbau fertig und wird am 15. Januar 1943 eingeweiht. Die Kosten betragen 83 Millionen Dollar, nach heutiger Kaufkraft mehr als 1,5 Milliarden.

Das Ministerium als Spiegelbild der Rassentrennung

Das Gebäude ist Spiegelbild der gesellschaftlichen Situation. Gemäß den Rassegesetzen im Staate Virginia, auf dessen Gemarkung es liegt, weist es separate Toiletten und Kantinen für Weiße und Schwarze auf, letztere werden sogar in den Keller verbannt. Und dies, wo zeitgleich 1,2 Millionen Schwarze im Krieg für ihr Land kämpfen und einen überdurchschnittlichen Blutzoll leisten.

Doch das Pentagon wird auch Ort von Protest: Der Schwarze Ingenieur Jimmy Harold setzt sich demonstrativ in die Cafeterria für Weiße und wird von einem weißen Sicherheitsbeamten zusammengeschlagen. Als Präsident Roosevelt davon erfährt, ordnet er an, die Schilder „Whites Only“ zu entfernen. Der Gouverneur von Virginia protestiert, doch Roosevelt argumentiert, als Bundesbehörde unterstehe das Pentagon ihm. So wird es damals das einzige Gebäude im Bundesstaat Virginia, in dem keine Rassentrennung besteht.

Das Pentagon, wie es sich Passanten und Touristen präsentiert. © Konstantin Groß

1945 ist der Krieg zu Ende. Das Kriegsministerium wird in Heeresministerium umbenannt, die Luftwaffe eine eigene Teilstreitkraft und erhält, wie die Marine, ein eigenes Ministerium. Alle drei werden jedoch dem neu geschaffenen Verteidigungsministerium unterstellt, mit Domizil im Pentagon.

1998 beginnt die Sanierung des Bauwerks. Die Räume werden entkernt, Asbest entfernt. Inmitten dieser Arbeiten kommt es zum Anschlag vom 11. September 2001, just 60. Jahrestag seines Baubeginns. Ein Gebäudetrakt wird zerstört. Wegen der Renovierung sind dort nur 800 statt der sonst üblichen 4.500 Personen im Dienst. Sonst hätte es noch mehr Opfer gegeben als jene 184.

Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke