Der neue Film

Marvel lässt grüßen: So ist Guillermo del Toros „Frankenstein“

Guillermo del Toro hat Mary Shelleys Gruselklassiker „Frankenstein“ für Netflix neu aufbereitet – mit Jacob Elordi und Oscar Isaac in den Hauptrollen.

Von 
Gebhard Hölzl
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Oscar Isaac als Victor Frankenstein in dem Film „Frankenstein“. © Ken Woroner/Netflix/dpa

Zurück bis in die griechische Mythologie reicht der Mythos von der Erschaffung eines künstlichen Menschen, als Daedalus für König Minos von Kreta einen Homunculus schuf. In der Romantik stand der künstliche Mensch als Ausdruck der Furcht vor dem Seelenlosen. 1818 griff Mary Shelley (1797 bis 1851) in ihrem Roman „Frankenstein, or the Modern Prometheus“ das Sujet auf, erweiterte es mit neuen Motiven, mit Kritik an der christlichen Schöpfergeschichte, in der der Mensch ohne sein Zutun, ohne expliziten Wunsch, vom Gott geschaffen wird – noch dazu unvollkommen für das Dasein ausgestattet.

Der verzweigte Roman mit seinen reflektierenden Einschüben wurde bald gestrafft und überarbeitet, diente als Bühnenvorlage, ehe sich das Kino des Stoffes annahm. Bereits 1910 realisierte J. Scarlet Dawley für die Edison Company „Frankenstein“, wobei man den Zuschauern da versicherte, „eine Reihe von abstoßenden Szenen des Buches im Film eliminiert zu haben“. Den endgültigen Einzug in die Mainsteam-Kultur verdankt Shelleys Schöpfung der auf Horror spezialisierten Produktionsfirma Universal, deren gewiefter Chef, der gebürtige Leipheimer Carl Laemmle, James Whale 1931 beauftragte, „Frankenstein“ als Tonfilm zu inszenieren – mit dem bis dato kaum bekannten Schurkendarsteller William Henry Pratt alias Boris Karloff als Kreatur.

Dieses von Netflix veröffentlichte Bild zeigt Regisseur Guillermo del Toro (l.) und Oscar Isaac am Set von „Frankenstein“. © Ken Woroner/Netflix via AP/dpa

Zahllose Leinwandadaptionen hat es seitdem gegeben. „Mary Shelleys Frankenstein“, die letzte opulente Hollywood-Verfilmung, stammt aus dem Jahr 1994, verantwortet von Kenneth Branagh. Als Flop entpuppte sich das Unterfangen, das nur 115 Millionen Dollar generierte. Weniger als die Hälfte der 250 Millionen Dollar, die Netflix Guillermo del Toro („Shape of Water: Das Flüstern des Wassers“) angeblich für sein Traumprojekt zur Verfügung gestellt hat. Wohl weil er dem Streamingdienst mit seiner animierten Variante von „Pinocchio“ beste Abrufzahlen besorgte.

„Frankenstein“: Bei der Zeichnung des Monsters geht del Toro eigene Wege

Nahe am Urtext – inklusive persönlicher Freiheiten – hält sich del Toro nach eigenem Skript. Bei der Zeichnung des Monsters, in der Vorlage „Es“ genannt, geht er jedoch eigene Wege. War Shelleys Kunstmensch böse und kantig, die Haut gelblich fahl, ist er hier strahlend schön und entpuppt sich letztendlich als herzensgut. Ein Frauenschwarm, und das wohl nicht von ungefähr – die jugendliche Klientel fest im Blick –, verkörpert vom langgliedrigen Teenschwarm Jacob Elordi („Saltburn“), der einen hippen Gothic-Look pflegt. Aus Leichen, unseren Zeiten entsprechend Kriegstoten, hat ihn der „mad scientist“ Victor Frankenstein (Oscar Isaac) geformt.

Oscar Isaac



Oscar Isaac ist dem breiten Publikum durch Rollen in Science-Fiction-Epen wie „Star Wars: Das Erwachen der Macht“, „Dune“ oder „X-Men: Apocalypse“ bekannt.

Der 1979 in Guatemala-Stadt geborene Sohn eines Kubaners und einer Guatemaltekin wuchs in Miami, Florida, auf.

Als Jugendlicher musizierte er in der wenig bekannten Band The Blinking Underdogs und besuchte in New York die Juilliard School, um das Schauspielhandwerk zu erlernen. Diese schloss er 2005 ab, drei Jahre zuvor hatte er neben Ice Cube im Buddy-Actioner „All About the Money“ sein Kinodebüt gegeben.

Schnell fasste er im Film- und TV-Geschäft Fuß, wirkte in Produktionen wie dem Bibelfilm „Es begab sich aber zu der Zeit …“, Steven Soderberghs „Guerrila“, der Serie „Scenes from a Marriage“, „Inside Llewyn Lewis“ von den Coen-Brüdern oder Alex Garlands „Ex_Machina“ mit.

Zudem kann man Oscar Isaac Hernandez Estrada gelegentlich auf der Bühne bewundern – wie 2005 am Broadway in Shakespeares „Zwei Herren aus Verona“. Der Mime wurde für seinen Part in der Miniserie „Show Me a Hero“ mit dem Golden Globe ausgezeichnet und tritt zudem als Produzent, siehe „In the Hand of Dante“ oder „Moon Knight“, in Erscheinung.

2017 heiratete er die dänische Regisseurin Elvira Lind. Das Paar hat zwei Söhne. geh

In drei Teile gliedert sich der Film, spannende zweieinhalb Stunden lang. In der Antarktis findet die Besatzung eines festgefrorenen Schoners – mit Lars Mikkelsen („House of Cards“) als knorrigem Kapitän – den verletzten Frankenstein, dem eine unzerstörbar scheinenden Kreatur – Marvels Superhelden lassen grüßen – nach dem Leben trachtet. Danach folgen „Victor’s Story“ und „The Creature’s Story“. Man erfährt von der schweren Kindheit Victors und von seinem grausamen Vater, einem erfolgreichen Chirurgen, gespielt von Charles Dance („Gosford Park“). Voller Hass ist er auf den Sohn, den er für den Tod seiner Ehefrau Claire (Mia Goth) verantwortlich macht.

Guillermo del Toros „Frankenstein“: Zu viel Look, zu wenig Seele

Auftritt Christoph Waltz („Inglourios Basterds“). Als Mäzen Harlander finanziert er die Experimente Frankensteins, der – um sich dem Papa zu beweisen – aus toter Masse Leben schaffen will. Erfolgreich. Im Gegensatz zu seinem Werben um die Verlobte des Bruders (Felix Kammerer). Elizabeth – Mia Goth („Suspiria“) in einer Doppelrolle – verweigert sich ihm, wendet sich stattdessen der angeketteten Kreatur zu, deren Seele sie „entdeckt“. Wütend brennt Frankenstein sein Labor nieder, überlässt „Es“ seinem Schicksal. Worauf die Perspektive wechselt, die Menschwerdung des Monsters beschrieben wird. Damit schließt sich der Kreis der Rückblenden, ehe es im ewigen Eis zum Showdown kommt.

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„Frankenstein“ ist ein Schaustück im Wortsinn, ein Effekte- und Überwältigungskino, perfekt gehandhabt. Der Filmemacher orientiert sich an den alten Werken der Traumfabrik. Vermengt elegant Grusel, (Melo-)Drama und Romanze, Old School und CGI-Hightech. Das Produktionsdesign ist ebenso stimmig wie das Kostümbild, die Kameraarbeit von Dan Lausten („John Wick: Kapitel 4“) makellos, und Altmeister Alexandre Desplat („Grand Budapest Hotel“) trifft mit seinem Score stets den richtigen Ton. Action, Liebe, Hass, Wut – alles da. In jeder Einstellung, jedem Bild, gibt es etwas zu entdecken. Das erschöpft, lenkt von der Geschichte und seinen spannenden Figuren ab. Zu viel Look, zu wenig Seele – und darum geht’s doch eigentlich bei dieser ewigen Schauermär.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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