Kolumne #mahlzeit

Warum eine Frau eine Frau eine Frau ist

Die Tochter von Caros Freundin will Amerikanistik studieren, weil sie Gertrude Stein so toll findet. Daraus entspinnt sich die Frage: Warum studieren Frauen Nicht IT, Kernphysik oder Philosophie, die total von Männern dominiert ist

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Die Tochter ihrer Freundin, erzählt Caro, hat sich in Amerikanistik eingeschrieben. Ich sage: „Studieren nicht alle Frauen Istik? Amerikan-, Roman- oder German-Istik?“ Caro blickt böse, beißt – mal wieder – auf einem zähen Tofu-Ding rum und meint vollmundig: „Es interessiert sie.“ Alya meint, genau das sei ja das Problem, sie, Alya, könne es ja sagen, da sie ja ein typisches Männerstudium absolviert habe: Frauen studieren nicht Maschinenbau, IT, Elektrotechnik, Mathe oder Physik. Traurig. „Und hast du schon mal eine Frau ’ne Biotonne in ’nen Müllwagen ausleeren sehen?“, fragt Bela und nuckelt, während Caro hirnt, an einer Cola.

Während die drei langsam ins Streiten kommen, erinnere ich mich an den 31. Juli 2020 (okay, so gut funktioniert mein Kopf nicht mehr: Ich habe nachgesehen). Da habe ich an dieser Stelle gefragt, wo eigentlich die Philosophinnen sind, die sich – außer um Feminismus ergo ihr Sein in der Welt – um die wichtigen gesellschaftlichen Themen der Zeit kümmern. Um Fragen des Friedens, der EU, der Weltwirtschaft, der Demokratie, der Religion und … über den Zustand der Welt eben. Es meldete sich damals eine „Professorin für Theoretische Philosophie unter besonderer Berücksichtigung der Philosophie der Sprache und des Geistes“ bei mir und wollte sich mit mir unterhalten. Sie versprach sich eine Win-Win-Situation. Ich auch. Leider wurde nichts daraus. Ich habe sie jetzt noch mal angeschrieben. Ich warte auf Antwort.

Und lese Philosophinnen. Ich habe da ein Buch mit Texten von Hélène Cixous, 85, Französin, und Luce Irigaray, 92, Belgierin. Beide beschäftigen sich mit der Unterdrückung von XX- durch XY-Chromosomen. Irigaray meint einmal: „Die Frau ist also hinsichtlich des Funktionierens des – sexuellen, aber allgemein des ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen – Austauschs in einer Situation spezifischer Ausbeutung.“ Sie will, so verstehe ich es, den (männlich dominierten) philosophischen Diskurs zerrütten und die Differenz der Geschlechter in den selbstrepräsentativen Systemen eines männlichen Subjekts auslöschen. Also ich muss sagen: Ich bin dafür. Je früher, desto besser.

Aber wie, wenn es in der Philosophie mehr als 80 Prozent Männer gibt und Frauen eben lieber Istik studieren? Wie die Tochter von Caros Freundin. Selbst Melanie Altanian, Präsidentin der Gesellschaft für Frauen in der Philosophie Schweiz, meinte vor ein paar Jahren: „Man könnte sagen, dass die Menschen je nach Geschlecht, andere Interessen haben und andere Erfahrungen machen.“ Ach so! Also habilitiert muss man nicht sein, um das festzustellen. Da muss ich nur in die Kneipe gehen. Ich will rufen: Frauen, werdet Brauerin, Programmiererin, Philosophin, Klempnerin, Schreinerin, Kernphysikerin, aber doch nicht Amerikanistin, wo ihr später eh kein Geld verdient und einen Programmierer zum Mann und Leben braucht. Los! Macht hinne!

„Sie interessiert sich eben so für Getrude Stein“, sagt Caro über die Tochter ihrer Freundin. Mein Gott! „Ja, ja“, meint Alya, „eine Frau ist eine Frau ist eine Frau. Blablabla … ab in die Küche jetzt!“

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