Manchmal fahre ich Taxi. Ich weiß: Das ist nicht gut. Die meisten Taxis sind Verbrenner. Wenn ich Taxi fahre, ist es nicht das, wonach es aussieht. Ich bin kein Luxus-Typ. Ich fahre nur in höchster Not, wenn es schüttet und ich einen wichtigen Termin habe. Da will ich meinen Anzug nicht schrotten. Ich wähle dann die 44 40 44 und weiß: Eine nette Dame wird mir gleich einen Wagen in der RAL-Farbe 1015 mit einem netten Typ drin schicken, ich werde hinten rechts einsteigen und mich entspannen. Das Rad bleibt zurück. Kein Regen. Keine Parkplatzsuche. Alles paletti.
Im Taxi versuche ich, mit dem Fahrer Small-Talk aufzunehmen. Taxi-Fahrer sind oft interessante Menschen, die sich etwas Anderes vom Leben erhofft hatten, was sich aber – wie bei vielen von uns – nicht erfüllt hat. Sie wollten Islamologe werden und sind Taxi-Fahrer geworden. Sie wollten Politologe werden und sind Taxi-Fahrer geworden. Sie wollten ihr Land vor einem Bürgerkrieg retten und sind Taxi-Fahrer geworden. In Deutschland. Sehr viele Taxi-Fahrer sind nämlich Ausländer oder Deutsche mit sicht- und hörbarem migrantischem Hintergrund.
Ich finde Menschen mit migrantischem Hintergrund oft super interessant. Sie sind wertvolle Mitglieder der Gesellschaft und leisten wichtige Beiträge zur Kultur und Identität. Ihre Fähigkeiten und Talente sind ein Geschenk. Wir sollten ihnen Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. Ich spreche, während ich nervös die Entwicklung der Zahlen auf dem Taxameter beobachte, die Taxi-Fahrer mit hör- und sichtbarem migrantischem Hintergrund an und frage, woher sie kommen.
Viele Taxi-Fahrer stammen aus Osteuropa. Insbesondere aus Ländern wie Polen, Rumänien, Bulgarien und der Ukraine. Auch aus Syrien und Afghanistan sind einige. Mich fahren oft Syrer (ich kann da ruhig auf das Gendern verzichten; Taxi-Fahrerinnen machen in Deutschland nur fünf Prozent aus. Eine Syrerin habe ich nie getroffen). Die syrischen Taxi-Fahrer freuen sich, wenn ich sie nach ihrem Land und Leben frage. Ich interessiere mich eben. Sie fühlen sich ernst genommen und sind froh, dass ihnen jemand neugierig und respektvoll begegnet. Sie werden sogar radebrechend redselig. Ich habe es erlebt.
Von meinen Taxi-Abenteuern habe ich neulich Alya (hochschwanger) und Caro erzählt. Sie fanden mein Verhalten rassistisch. Sie sagten, man könne die Leute nicht fragen, woher sie kommen. Ich finde das seltsam. Wenn ich jemanden treffe und mich interessiert, woher er kommt, dann frage ich ihn halt danach. Wenn ich eine Frau schwäbeln höre, frage ich, ob sie (O Schreck!) von der „Alb ra kommt“. Ich weiß, bei Menschen mit migrantischem Hintergrund hat das mit der stärkeren Position zu tun, in der ich als Ureinwohner Deutschlands angeblich bin. Ich fühle mich aber nicht so. Ich denke auch, dass ich kein Rassist bin, wenn ich nette syrische Taxi-Fahrer frage, wie es in Syrien ist und so. Ich kann nicht anders. Vielleicht sollte ich mit Taxi-Fahren aufhören und meine Anzüge im Regen schrotten. Ich hoffe, die Taxi-Fahrer vermissen mich dann – so, wie ich sie vermisse.
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