Kolumne #mahlzeit

Alya, Caro und Ronaldo

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Wäre sie ein Mann, so Alya, sie würde wohl 10 000 Euro im Jahr mehr verdienen, und die könne sie echt gut gebrauchen, sagt sie, während sie ihren kugelrunden Bauch streichelt. Monat Nr. 7. Ihr Freund, dessen Namen ich mir nie merken konnte, ist über alle Berge (das Memorieren hätte sich also auch nicht ausgezahlt). Alya erwartet ein Dasein als Alleinerziehende. Sie ist zwar kein Mann. Aber dafür etwas Besseres: eine Frau. Nur ohne Mann eben. Man kann nicht alles haben.

„Aber du verdienst doch schon gut“, sagt Caro, „wir können gern tauschen!“ Die Karten legt hier wieder mal keiner auf den Tisch. Aber Informationen meines Glasfaserkabels im Hirn zufolge sollten die beiden so 45 000 Euro (Caro) und 70 000 Euro (Alya) jährlich verdienen. Brutto. Ohne Garantie. Aber ich relativiere: „Ein Krankenpfleger verdient in der Regel unter 40 000, Altenpfleger noch darunter!“ Ja, und Ronaldo etwas mehr, sagt Alya. „Willst du dich jetzt mit Ronaldo vergleichen?“, fragt Caro. „Wieso nicht! Der verdient in drei Stunden, was ich im Jahr verdiene. Und wer von uns ist eigentlich wichtiger für die Gesellschaft?“

Nun, ich finde, sie hat zum einen Recht. Bezahlung sollte sich auch am Nutzen für die Gesellschaft und Öffentlichkeit ausrichten. Ich erinnere mich da an ein Gedankenexperiment aus der Pandemie. Es geht so: Stell dir vor, morgen fielen alle Unternehmensberater, Investmentbanker und Aktienanalysten tot um – oder alle Krankenpflegenden, Polizistenden und Verkaufenden. Was würde die Gesellschaft härter treffen? Die Antwort ist klar, wobei nicht auszuschließen ist, dass der Tod der BWLer-Gruppe langfristig immense Auswirkungen hätte.

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Aber bei Ronaldo, dem die sauberen Saudis – egal ob er schläft, sich mit Georgina paart oder kickt – so um die 6,50 Euro pro Sekunde Festgehalt zahlen, ist es so: Er ist kaum ersetzbar. Im Gegensatz zu Alya und Caro. Oder eben mir. Er verdient, was die Leute zahlen. Er ist ein Produkt, eine Aktie.

Natürlich steht das in keiner Relation zum Gehalt – etwa des Bundeskanzlers. Olaf Scholz hat deutlich mehr Verantwortung als CR7. Scholz kriegt laut „oeffentlicher-dienst-news.de“ 30 189,81 Euro Grundgehalt im Monat. Der Kicker verdient das in 80 Minuten Sonnenbad am Pool. Okay, Ronaldo unterhält mit seinem Freistoßanlauf Milliarden Menschen und lenkt sie davon ab, dass die Welt bald unbewohnbar sein wird. Scholz unterhält, wenn er zum Lachen in den Keller geht, vielleicht gerade noch sich selbst.

„Wer am meisten verdienen sollte“, sagt Caro, „sind Leute, die sich für die Einhaltung der 1,5- Grad-Ziele von Paris einsetzen. Das ist ein planetarischer Dienst.“ Luisa Neubauer verdiene ja auch schon eine Million, meint Alya: „Aber das ist nicht mein Punkt. Ich will verdienen wie ein Mann!“ Sie solle, so Caro, doch ihren Arbeitgeber erpressen: Entweder, oder!

Wir brauchen Feindbilder. Sie schweißen uns zusammen. Als der Eiserne Vorhang fiel, war es auch mit der Einigkeit des Westens aus. Ich finde, wenn Ronaldo Ronalda und eine Frau wäre, sollte sie auch 200 Millionen Euro jährlich kriegen. Manche verdienen einfach mehr, als sie verdienen …

Schreiben Sie mir: mahlzeit@mamo.de

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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