Kolumne #mahlzeit

So mache ich Urlaub auf der Ägäis-Insel Kolumnos

Er suche nach Ideen, meint ein Leser bemerkt zu haben. Die Rede ist von Kolumnist Stefan M. Dettlinger. Der Leser, der ihm schrieb, schlug vor, mal etwas über Fachkräftemangel zu schrieben. Gesagt, getan

Von 
Stefan M. Dettlinger
Lesedauer: 
© kako

Neulich, es war am heiligen Sonntag um 11.22 Uhr und ich war glücklich vom Sportmachen, trudelte die Mail eines aufmerksamen Lesers bei mir ein. Er, der Leser, der mir schrieb, dessen Namen ich hier natürlich aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht nennen kann, habe den Eindruck, ich, der Kolumnist, suchte nach neuen Themen. Hm. Mein dritter Gedanke war: Der Leser muss ganz schön aufmerksam lesen, wenn er bemerkt haben will, dass ich immer nach neuen Themen suche, tue ich doch alles, um genau diesen Umstand zu kaschieren. Mein zweiter Gedanke war: Bin ich jetzt so schlecht und schnöde geworden, dass mir schon Leser aus Mitleid unter die Arme greifen müssen, damit ich noch was zustande bringe? Ich muss gestehen: Es lag eine Portion negative Energie in der Luft.

Mein erster Gedanke aber war die Erinnerung an ein Buch, das ein geschätzter Kollege veröffentlicht hat. Es geht darin um das Gespenst des Kolumnismus, das den Kolumnisten bis ins Grab verfolgt. Der geschätzte Kollege, der dort einen Querverweis auf das Kommunistische Manifest von Marx-Engels eingebaut hat, schrieb: „Mir zum Beispiel ist es (das Gespenst, d. Red) gut vertraut. Es erscheint hier seit Jahrzehnten nicht nur nachts, sondern am helllichten Tag, nicht nur, wenn ich in meinem Büro sitze, sondern auch, wenn ich im Zug fahre, in einem Hotel übernachte oder irgendwo auf unserem Kontinent Ferien zu machen versuche, Ferien, die nun seit eh und je unterbrochen werden von dem Tag, an dem ich meine Kolumne zu schreiben habe.“ Mal sitze ihm das Gespenst im Nacken, mal tanze es ihm auf der Nase herum, dann wieder flüstere es in sein Ohr: „Hast du schon eine Idee …“

Die Idee ist der springende Punkt. Ich bin mir bewusst, dass der Leser, der mir schrieb, mir dieses lange Zitat als Gedankenlehre und Ideenlosigkeit auslegen wird. Wer so viel abschreibt, kann ja gar keine eigenen Ideen haben, wird der Leser, der mir schrieb, sagen. Aber das ist mir egal! Punkt. Natürlich ist es mir nicht egal, zumal der Leser, der mir schrieb, auch noch vorschlug, ich solle doch mal über den Fachkräftemangel oder die fachliche Inkompetenz vieler Politiker schreiben.

Nun, ich denke, Sie, liebe Leserin und lieber Leser, die vielleicht zu den wenigen Menschen auf dem Planeten gehören, die mir noch nie geschrieben haben, sollten längst bemerken, dass genau dies das Thema dieser Kolumne ist: der Fachkräftemangel. Der Fachkräftemangel ist längst auch bei den Kolumnisten angekommen, die einfach über alles, was es gibt, schon vielfach geschrieben haben. Deswegen lasse ich meine Kolumne seit langem von einem Zufallsgenerator in Kooperation mit ChatGPT schreiben und mache, während die beiden so tun, als seien sie ein ideenloser Kolumnist, also ich, Urlaub auf der Ägäis-Insel Kolumnos (Name von der Redaktion geändert). Dort gibt es nette Menschen, die weder mich noch das Gespenst des Kolumnismus kennen, es gibt guten Fisch und exzellenten Ouzo. Ach, ich sollte mal eine Kolumne über Ouzo schreiben (lassen) … Der Ouzo kommt immer zu kurz.

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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