Schauspiel - Stück „Wir Wasserbären“ als Uraufführung

Sehenswerte "Wasserbären" am Mannheimer Nationaltheater

Von 
Martin Vögele
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„Wir Wasserbären“: Szene aus der NTM-Produktion. © Maximilian Borchardt

Wenn es jemandem gelingt, eine bessere Gesellschaft zu erschaffen, dann doch diesen fabelhaften Wesen hier: Wasserbären, auch Bärtierchen genannt (lateinisch: Tardigrada), mögen ihrer äußeren Anmutung nach eine Spur weniger possierlich sein, als es der Name nahelegt. Keinen Millimeter groß, ein bisschen schrumpelig und achtbeinig sind sie - aber mit erstaunlichen Fähigkeiten ausgestattet.

In der sogenannten Kryptobiose etwa, einem todesähnlichen Zustand, können sie sich mit extremsten Umweltbedingungen arrangieren. Und nebenbei sind sie in der bemerkenswerten Lage, sich sowohl zwei- als auch eingeschlechtlich fortzupflanzen.

Fünf dieser erstaunlichen Kreaturen begegnen wir in Till Wiebels Stück „Wir Wasserbären“, dessen Uraufführung in der Regie von Juli Bökamp am Mannheimer Nationaltheater (NTM) Premiere feierte - in einer Koproduktion, die zugleich Bökamps Regie-Abschlussarbeit an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg markiert.

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Den realen Hintergrund des Schauspiels bildet die gescheiterte Mission der israelischen Raumsonde „Beresheet“, die 2019 auf die Mondoberfläche stürzte - und mit an Bord waren dabei eben erwähnte Wasserbären.

Bühnenbild im Lila-Ton

Verkörpert von den NTM-Ensemblemitgliedern Sarah Zastrau und Robin Krakowski sowie den Gast-Darstellern Lea Brückner, Luisa Krause und Nils Eric Müller, schlüpfen diese nun im Studio Werkhaus unter einem Volant-Wolkenhimmel aus Mohnkapsel-artigen Mondkratern (das immersiv-schöne, in lila gehaltene Bühnenbild stammt von Sangyeon Lee) und versuchen, sich eine von alten Mustern unbelastete Zukunft aufzubauen. Was die Spielerinnen und Spieler in ihren silbergrauen Acht-Extremitäten-Anzügen (Kostüm: Roxanne Töpper) mit ansteckender Verve und Leichtigkeit in Worte und (ziemlich hinreißend choreographierte) Bewegungen setzen, in einer Inszenierung, die poppig ist, ohne sich mit vielen Effekt-Spielereien zu belasten.

Vor allem in den klar konturierten, hellsichtig geschriebenen und ebenso inszenierten ersten zwei Dritteln der Produktion ist es eine helle Freude, dem lunaren Teambuilding-Prozess, der zugleich eine Gesellschaftsschöpfung ist („Beresheet“ bedeutet übersetzt „Genesis“), beizuwohnen.

Man verfolgt mit, ob hier die Utopie eines guten, gerechten und (vorurteils)freien Zusammenlebens verwirklicht werden kann, oder ob diese Spezies dazu verdammt ist, die ewig gleichen Fehler der Menschheit zu wiederholen. Der letzte Teil zeigt: Es sieht gut aus für die neue Welt. Aber auch hier gilt dann die Erkenntnis nach Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“: Es kann der frömmste Wasserbär nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Erdnachbarn Mensch nicht gefällt.

Wieder am 25. April, 20 Uhr. Kartentelefon 0621/16 80 150.

Freier Autor

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