Eines Tages hören Toni der Igel und das Eichhörnchen Fiona eine schöne Melodie im Wald. Nachdem sie sich auf die Suche gemacht haben, finden sie die Maus Susi Flöte spielend in einem Busch. Die beiden Hobbymusiker sind begeistert und bitten die talentierte Maus, mit ihnen ein Konzert für die Tiere des Waldes zu spielen. Doch Susi ist viel zu schüchtern. Zum Glück kommt Toni eine rettende Idee. Während der Igel die anderen Tiere im Wald einlädt, proben Fiona und Susi gemeinsam für ihr Konzert. Am Abend der Vorstellung bleibt Toni die ganze Zeit an der Seite der kleinen Maus, bis sie ihr Lampenfieber nach und nach überwindet. Das Konzert wird ein voller Erfolg und zum Schluss feiern die drei Musiker-Tiere zusammen eine Pyjama-Party.
Prädikat: Fragwürdig
Im Buch geht es um Freundschaft, Zusammenhalt und darum, über seinen eigenen Schatten zu springen, ohne die eigenen Grenzen verletzen zu müssen. In einer stimmig gestalteten Geschichte werden so wichtige soziale Kompetenzen nah gebracht. Kritisch betrachten könnte man das Ende der Geschichte, in dem Eichhörnchen Fiona Susi erklärt, dass Susi ohne die Hilfe ihres Igel-Freundes Toni dieses Konzert nie hätte spielen können. Vor dem Zubettgehen umarmt die weibliche Maus ihre weibliche Tier-Freundin, Toni hingegen bekommt einen Kuss auf die Stirn. Auf dem letzten Bild kann man sehen, wie der Igel rot anläuft. Diese kindlich verpackte Szene mag auf den ersten Blick harmlos anmuten, indoktriniert einem Kind jedoch neben heteronormativen Verhaltensweisen Muster der emotionalen Abhängigkeit.
Körperliche Dankbarkeitsbekundungen nicht erforderlich
Das Bild eines ängstlichen kleinen Wesens, also einer Maus, das mit Hilfe seiner Freunde lernt, an den eigenen Unsicherheiten zu arbeiten, ist wertvoll. Das Bild eines schüchternen Tieres, das zuerst ein Wesen des anderen Geschlechts braucht, um aus sich heraus zu kommen und sich anschließend durch körperliche Zuneigung dankbar zeigt, ist kein gutes Vorbild. Wie seit dem Weinstein-Skandal allgemein bekannt, kam es gerade in der Unterhaltungsbranche immer wieder dazu, dass junge Entertainerinnen sich in Abhängigkeit einer oft männlichen, erfahreneren Person fühlten. Wertvoller wäre es, ein Kind von klein auf dazu zu ermutigen, eigene Erfolgserlebnisse festzuhalten und darin zu bestärken, dass körperliche Dankbarkeitsbekundungen nicht erforderlich sind.
Illustriert mit liebevollen Bildern von Jessica Marquardt ist der Band ansprechend gestaltet und regt die Fantasie an. Mit den beiliegenden Ausmalbildern kann dieser auch gleich freien Lauf gelassen werden. Der Verzicht auf knallige Farben und die angemessene Bildgröße regen das Kind an, ohne es zu überfordern.
Kombiniert mit einer moderaten Spannungskurve ist stilistisch das perfekte Buch zum Vorlesen geschaffen. Ob als Gute-Nacht-Geschichte oder für eine Lesepause beim Herbstspaziergang im Wald: Dieses Buch darf überall hin mit. Nur für die ersten Gehversuche im eigenständigen Lesen ist der Band möglicherweise nicht geeignet, da er mit rund 20 Seiten zu lang ist und die schmale und etwas kleiner geratene Schriftgröße vielen Leseanfängern Probleme bereiten könnte.
Trotz des pädagogischen Stolpersteins am Schluss ist „Trau dich, kleine Maus!“ ein sehr gelungenes Kinderbuch, welches sowohl sprachlich als auch optisch mit Liebe zum Detail besticht. Gerade junge Hobbymusiker und Musikerinnen sowie tierliebe Kinder sollten Freude an diesem Buch haben.
Info: „Trau dich, kleine Maus!“, 32 Seiten, 4-9 Jahre, 15 Euro
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