Vivaldi. Piazzolla. Vivaldi. Piazzolla. Vorsicht, nichts ist hier, wie es scheint. Barockmeister Vivaldi ist geschrumpft. Tango-Pionier Piazzolla reduziert. Nur das Jahr wird gedehnt, die Jahreszeiten, „Le quattro stagioni“, verdoppelt, deswegen heißt es hier - auf Englisch - „Eight Seasons“. Warum? Weil das Mannheimer Violinduo Marie-Luise und Christoph Dingler, mittlerweile über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt als Twiolins, immer alles anders macht und, nun ja, keinen Respekt kennt vor nichts als der Tatsache, dass Musik für Menschen geschrieben ist und nicht für Grenzen.
Vivaldi. Piazzolla. Vivaldi. Piazzolla. Immer abwechselnd fließt das Album durch die Gehörgänge, 74 Minuten lang. Das Erstaunliche: Obwohl man immer nur die zwei Dingler-Geigen hört, für die sie die Werke selbst arrangiert haben, wird das nie langweilig oder monoton.
Im Gegenteil. Die erfrischenden Werke von Vivaldi und etwas tieferen und melancholischeren von Piazzolla befruchten sich quasi gegenseitig. Wir müssen uns nur das Allegro Pastorale aus dem Frühling anhören, das elegant vor sich hin tänzelt, und direkt danach, von E-Dur nach a-Moll wechselnd, das hypnotisch pochende „Resurreccion del Angel“, bei dem eine der Violinen fast wie ein Banjo als Akkordinstrument geschlagen wird. So scheint diese Stimme immer wieder chromatisch nach unten zu driften, während die Melodie-Violine mit ihren luftig-melancholischen Themen für Aufwind sorgt und ein heller As-Dur-Mittelteil endgültig diese „Auferstehung des Engels“ auslöst.
Immer wieder beeindrucken dabei nicht nur die virtuose Souveränität der beiden Musiker, die Dichte des Tons, die Bogenführung, die makellose Intonation und Homogenität, sondern auch aufnahmetechnisch starke Stereo- und Halleffekte, die das räumliche Hören vergrößern. Erstaunlich ist da etwa die Darstellung von einem Satz wie dem Allegro non molto aus dem Sommer, bei dem die strukturelle Zusammensetzung und das Ineinandergreifen der wuselnden Stimmen so kompakt ist, dass es das Fehlen eines Orchesters vollkommen vergessen lässt und uns in einen Rausch dynamischer Virtuosität hineinzieht.
Dass zusammengeht, was eigentlich nicht geht, das haben die Twiolins immer wieder auch mit moderner Musik gezeigt. Hier tun sie es mal mit sehr Populärem. Vivaldi. Piazzolla. Vivaldi. Piazzolla. Schön.
Twiolins: Eight Seasons Evolution. Solo Musica (Edel).
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