Heidelberg. Marlene Dietrich war Vamp, Mutter, Kämpferin und Einsame, ein Weltstar – aber eben wohl auch eine große Liebende: Diese Facette jedenfalls rückt Schauspielerin Claudia Michelsen bei ihrer Lesung am Freitagabend im Heidelberger Karlstorbahnhof in den Mittelpunkt.
Wer sie wirklich war, wissen wohl nur diejenigen, die „die Dietrich“ persönlich kennenlernen durften. Gehörte doch das Unnahbare zur Marke der Ikone, die mit dem Film „Marokko“ unter der Regie von Josef von Sternberg in Hollywood Fuß fasste und eine Weltkarriere startete. „Mysteriös sein war entgegen der allgemeinen Annahme nie meine Stärke“, trägt Michelsen einen Satz der Dietrich vor. Es ist ein sehr reduzierter Abend. Eine Frau auf der Bühne im großen Saal, ein schwarzverhüllter Tisch, sparsames Licht.
Ob in „Zeugin der Anklage“ (1957) von Billy Wilder, „Die rote Lola“ von Alfred Hitchcock (1950) oder „Engel der Gejagten“ (1952) von Fritz Lang: Dietrich arbeitete mit vielen legendären Regisseuren zusammen und wurde selbst eine Legende. Gestartet war die gebürtige Berlinerin mit Strapsen und Pumps, einen Zylinder auf dem Kopf, als Sängerin mit dem Lied „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.“ Marlene Dietrich wurde zum Sexsymbol und ihre langen Beine berühmt. Später schuf sie mit Hosenanzügen und Smoking androgyne Modetrends. Ihre letzten Jahre verlebte sie zurückgezogen in ihrem Appartement in Paris.
Marlene Dietrich wäre 121 Jahre alt geworden
Michelsen geht grob chronologisch vor, liest aus der Dietrich-Autobiografie und aus Berichten ihrer Wegbegleiter. So bekommt die Tochter Maria Riva breiteren Raum. Es sind spannende Perspektivwechsel für die Zuhörerinnen und Zuhörer, die an diesem Abend mit Jacken auf ihre Stühle setzen, weil der Saal winterlich-kühl bleibt.
Marlene Dietrich
- Am 30. März 1945 erreichten amerikanische Truppen Heidelberg. Sie brachten auch einen Weltstar mit, der in Deutschland geboren worden war und hier seine Karriere begann: Marlene Dietrich (1901-1992).
- Dietrich, seit 1939 amerikanische Staatsbürgerin, hatte seit 1943 für die Truppenbetreuung der Army gearbeitet und immer wieder in der Nähe der Front Konzerte gegeben.
- Filmerfolge u.a. : „Marokko“ und „Zeugin der Anklage“.
Am 27. Dezember wäre die Dietrich 121 Jahre alt geworden. Vor 30 Jahren ist sie gestorben. In Heidelberg erinnert seit kurzem ein Platz an sie: Der neue Karlstorbahnhof auf der Konversionsfläche in der Südstadt hat die Adresse „Marlene-Dietrich-Platz 3“. Möglicherweise war sie tatsächlich bei ihrem Heidelberg-Besuch auch genau an dieser Stelle: Die Amerikaner hatten in der ehemaligen Kutschenhalle der Wehrmacht ein Casino eingerichtet. Per Foto überliefert ist indes die Stippvisite des Weltstars auf der Terrasse des Heidelberger Schlosses: Ein Schwarzweiß-Bild zeigt sie an der Seite des Generals McAuliffe.
Michelsen lässt Marlene Dietrich selbst sprechen
Dass die Deutsche Marlene im Zweiten Weltkrieg Amerikanerin wurde und an der Front die Moral von US-Soldaten aufrecht hielt sowie Lazarette besuchte, hat sie für manche zur „Verräterin“ gemacht. Michelsen geht auf diesen Aspekt im ansonsten sehr unpolitischen Abend kurz ein, indem sie Marlene selbst sprechen lässt. Sie, die anfangs von den Nazis umgarnt worden war, sah sich in der Pflicht – und empfand die Frage nach ihrem Verhalten als nicht nachvollziehbar angesichts der Gräuel, das die Nationalsozialisten ausgelöst hatten.
Auf Erklärungen und Rücksprache mit dem Publikum verzichtet die gebürtige Dresdnerin Michelsen, die wie die Dietrich mit einem Regisseur liiert war und eine Zeit lang in den USA lebte.
Die 2021 bei den Filmfestspielen auf der Ludwigshafener Parkinsel mit dem Schauspielpreis ausgezeichnete Michelsen ist aus Film und Theater bekannt. Von der Tanzlehrerin Caterina Schöllack aus der von Nico Hofmann produzierten Serien „Ku’damm 56“, „Ku‘damm 59“ und „Ku‘damm 63“ lässt Michelsen ein wenig durchblitzen, als sie zur Mutter Marlene wird: streng und kämpferisch – aber wohl mit einem sehr großen Herzen.
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