Comedy - Als Comedian begeistert Bülent Ceylan in Stadien und auf dem Bildschirm. Wie es dazu kam, erzählt er in seinem Buch „Ankommen"

Mannheimer Comedian Bülent Ceylan legt berührendes Buch über sein Leben vor

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Ralf-Carl Langhals
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Mannheim. In Arbeiterhaushalten herrscht Ordnung: „Nooch de achdä gibt’s nix mehr Warmes zu esse!“, sagt die herzensgute Hilde kategorisch. Wer nun, wie Hilde Ceylan, in zweiter Ehe mit einem sonst wenig traditionellen türkischen Bierkutscher und späteren Betonmischer verheiratet ist, dessen Verwandtschaft zu Besuch ist und gerade am Abend davon ausgeht, üppig und warm bewirtet zu werden, gerät beim Streit ums abendliche Aufkochen in Teufelsküche. Hier wandern an anderen Tagen auch mal Schweinekoteletts in die Pfanne. „Gibt’s nix onnares?“, fragt Vater Turan. „Nää!“, sagt Hilde. „Alla gut, ma will jo awwa als Moslem a nädd verrecke. Awwa mach’s Lischt aus, donn sieht’s Allah nädd.“

In dieses herzliche, launige, aber beileibe nicht immer fröhliche 68- Quadratmeter-Arbeiterwelt auf dem Mannheimer Waldhof entführt uns nun beider berühmter Sohn (in der Reihe seines Auftretens): Bülent, s’Biwl, Billy, Bülent Ceylan. In seiner mit der Journalistin Astrid Herbold verfassten Biografie „Ankommen - Aber wo war ich eigentlich?“ beschreibt der beliebte Comedian weit mehr als nur seinen Werdegang.

Wer „de Bülent“ ist, braucht man längst auch außerhalb der kurpfälzischen Sprach- und Lebenswelt niemandem mehr zu erklären. Wer „vumm Türk aus Monnem“ den ultimativen Comedy-Kick im Buchformat erwartet, wird trotz humoriger Passagen eher enttäuscht sein. Dafür entschuldigt er sich (unnötigerweise) mehrfach bei Leserinnen und Lesern. Bülent Ceylan, Jahrgang 1976, hat mit 45 durchaus etwas zu erzählen und zu sagen. Über Migration, über Selbstwertgefühl, die Medienbranche - über Gott und die Welt. Es ist keine und doch eine exemplarische Geschichte aus dem Gastarbeitermilieu, die mit zahlreichen Klischees aufräumt aber auch von der brutalen Sprache der Schulhöfe, Ausgrenzung und dem Willen der Zugehörigkeit erzählt. Und von den damit einhergehenden Krisen.

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sapo
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Mutter und Vater haben Migrationshintergrund

Der Titel „Ankommen“ ist klug gewählt und durchaus doppeldeutig. Nicht nur sein Vater, der bereits 1958, also zwei Jahre vor dem Anwerbeabkommen mit der Türkei aus politischen Gründen nach Deutschland kam, hat eine Einwanderungsgeschichte. Auch Mutter Hilde, eine in Budapest geborene Donauschwäbin, führte die Politik, in ihrem Fall der Zweite Weltkrieg, nach Mannheim. Anrührend ist das Kapitel, in dem die Autoren sie ihre eigene Fluchtgeschichte erzählen lassen.

Für Mannheimer, man mag es für gefühlsduselig halten, sind dieses Erzählungen besonders intensiv, sind sie doch buchstäblich Stadtgeschichte - des Vertriebenseins, der Zuwanderung, des Zurechtfindens, Heimischwerdens und eben Ankommens. Seit über 400 Jahren ist dies die eigentliche Stärke Mannheims. Und in diesem Buch wird sie durch die Wohnblocks, Zweizimmerwohnungen, Kleingärten, Kegelbahnen und Schulhöfe des Mannheimer Nordens dekliniert. Man begreift diese Stadt mittels einer realexistierenden Patchworkfamilie sogenannter „kleiner Leute“, die trotz aller Enge, Probleme und Sorgen über Tugenden verfügen, die den Menschenschlag, den Landstrich und diesen Komiker so auszeichnen: Herz, Humor und Toleranz.

Bülent Ceylan macht keinen Hehl aus Problemen, auch nicht aus seinen eigenen. Für das stille Kind ist das Schulhofpflaster hart, wo er „de Türk“ in der Cordhose ist. Das Halbtürkisch sein, ohne Türkisch zu sprechen, wird zunehmend ein Problem, bei der türkischen Verwandtschaft und später bei der türkischen Fan-Community. Warum er kein Türkisch spricht? Er kann die Frage nicht mehr hören, wehrt, verweigert sich wird pubertär zu „Billy“- und lernt Russisch.

Auf dem Gymnasium ist Ceylan eher Außenseiter als Mädchenschwarm

Der heute so durchtrainiert wirkende Beau mit den tollen (wie er verrät nur an den Schläfen etwas gefärbten) „Hooar“ war einst eher ein unscheinbares „Biwäle“, auch auf dem Ludwig-Frank-Gymnasium eher Außenseiter als Klassenkasper oder gar Mädchenschwarm. Ein tendenziell uncooler Streber, der die Schule sehr ernst nahm, mit Lehrern um Noten feilschte und es mit Psychologie und Philosophie weit bringen wollte. Wir wissen, es kam so, aber eben anders.

„Ankommen“ wollte er durchaus auch bei Klassenkameraden, den Frauen, dem Publikum, der Gesellschaft. Erst in der Oberstufe nimmt seine Akzeptanz und die Haarlänge zu. Mit seiner Gabe, Stimmen, Tonlagen und Charaktere zu parodieren wird er quasi durch Helmut Kohl und Boris Becker zum Star der Schul-Aula - und erhält einen Kuss der Oberstufenschneekönigin: Endlich läuft es an.

Detailliert berichtet er von seinem Weg über die Kleinkunstbühnen: Vom Waldhof die Waldhofstraße hoch, erst ins Opera Buffa, dann, an deren Ende, ins Capitol. Dankbarkeit und Wertschätzung für frühe Weggefährten, Teamkollegen, und lokale Veranstalter sind Ceylan viele Seiten wert. Aus lokaler Sicht, das sei nicht verschwiegen, kann man sich wundern, warum einige Namen nicht fallen. Sei’s drum.

Seinen Ehrgeiz, auch seinen Frust und Sinnkrisen beim Scheitern verschweigt er in keiner Zeile. „Die Türken-Schublade ist schon besetzt“, heißt es in der Branche mit Blick auf Kaya Yanar. Zehn Jahre von 1998 bis 2008 will der Mann nach oben. Wichtiger als der fraglos interessante Werdegang über Viva, RTL, Sat1 und den überregionalen Durchbruch, der ihn über die 10.000er Marke der SAP Arena durch die Hallen der Republik bis ins Frankfurter Stadion mit 42.000 Menschen führte, ist anderes: seine - ohne Schaum vor dem Mund verfasste - Einschätzung der Medien- und Comedy-Welt etwa. Oder sein Spiel mit den Klischees, deren Durchbrechen ihm ebenso wichtig ist wie die antirassistische Botschaft.

Fragen nach Privatleben werden beantwortet

Ceylan bleibt - auch in der zweiten Ehe ein begeisterter Familienmensch. Er schreibt missionseiferfrei und äußerst ernsthaft über seinen Glauben - und witzelt nach intensiven Passagen: „Vadder Moslem, Mudder katholisch - wass do rauskummt? Än Evangelische nadierlisch!“

Manchmal schmeißt sich Ceylan mit seiner auferlegten Ehrlichkeit vielleicht ein bisschen zu sehr an sein Lesepublikum, das ihm nach Lektüre fraglos noch geneigter sein dürfte. Zudem beantwortet er in einem Kapitel häufig gestellten Fragen nach seinem Privatleben, und gibt Auskunft, was ihn an manchen der FAQs ärgert. Am Ende 234 Taschenbuchseiten stehen charmante Szenen einer Ehe die ein wenig an Ephraim Kishons „beste Ehefrau von allen“ erinnert.

Der „Alleinunterhalter“, zu dem er im Kinderzimmer und am Küchentisch zur Aufmunterung der Mutter wurde, ist privat eher zurückhaltend. Die Geheimnisse seines Erfolgs sind nicht Haarlänge und Dialekt. Auf der Bühne und im Buch heißt sein Zauber schlicht „Einfühlungsvermögen“. 

Das Buch: Bülent Ceylan mit Astrid Herbold „Ankommen. Aber wo war ich eigentlich?“, Fischer Verlag, 234 Seiten, mit vier Bildtafeln, 18 Euro

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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