Konzertkritik

SAP Arena im Apache-207 Fieber

Jeweils rund 10000 Fans feiern in Mannheim bei zwei ausverkauften Shows den Start der ersten Tournee des Ludwigshafener Rappers. Der 24-Jährige glänzt mit enormer Bühnenpräsenz – und verrät auf der Bühne zwei Geheimnisse

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Jörg-Peter Klotz
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Gigantische Stimmung unterstrichen von Feuerstößen wie bei Rammstein: Apache 207 räumt mit Hits wie "Roller" und "Kein Problem" bei seinem ersten Heimspiel in der SAP Arena komplett ab. © Paul Shady

Mannheim. In der ausverkauften SAP Arena herrschen am Freitagabend 207 Grad – so hoch ist zumindest das gefühlte Fieber der Begeisterung der rund 10000 Fans beim Start der ersten Tournee von Volkan Yaman. Der ist besser bekannt als Rapper Apache 207 – und seit 2018 zum erfolgreichsten deutschen Musiker aufgestiegen. Live konnte der 24-jährige Ludwigshafener die Ernte der Streaming-Zahlen auf internationalem Topniveau pandemiebedingt lange nicht einfahren: „Darauf habe ich zweieinhalb Jahre gewartet“, ruft er etwa in der Mitte des Konzerts, als der Triumph des tanzbeinschwingenden Gangsters aus der Gartenstadt längst absehbar ist.

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Dass Apache nach ein paar Festivalauftritten und einer Tournee im Vorprogramm von Bausa eigentlich kein Bühnenroutinier sein kann, vergisst man in Mannheim aber schon bei den ersten Takten: Enorme Bühnenpräsenz, die die ikonische Wirkung seiner Videos fortschreibt, kein Hauch von Nervosität – der Zwei-Meter-Mann tritt mit einer Selbstverständlichkeit vor großem Publikum auf, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Es wirkt, als sei er für die ganz große Bühne geboren. Dabei ist ein roter Faden, der mit Theater- und Kino-Elementen ergänzten Show der böse Satz „Glaubst du, irgendjemand will dich singen hören?“ Der klingt heute wie das Ablehnungsschreiben der Plattenfirma Decca an die Beatles – absurd.

Die seit zweieinhalb aufgestaute, regelrecht eruptierende Apache-Mania der extrem feierwilligen, durchgängig textfesten Fans für Hits wie „Roller“, „Kein Problem“, „200 km/h“. Als der riesige rote Vorhang nach der DJ Einlage von Ruben Rawdriguez fällt, singt die ungeduldig erwartete tiefe Stimme eindringlich „Brot nach Hause“ durch die für Wohnblocks typische Sicherheitsglastür. Dann stürmt der Star des Abends regelrecht die Bühne. In seinen klassisch gewordenen Look: Unterhemd, Jeans, Sonnenbrille. Apache klatscht locker ein paar Fans in der ersten Reihe ab und stoppt den ohrenbetäubenden Jubel mit einem coolen „Kann ich kurz?“ Dann singt er a cappella noch durchdringender den Refrain des Liedes vom Aufsteiger, der früh mit für seine Familie sorgen musste. Als er das auch nach vier Jahren immer noch unwiderstehliche „Kein Problem“ nachlegt, rastet das Publikum komplett aus. Es gibt rhythmische Apache-Sprechchöre, Flammenstöße unterstreichen den Effekt wie beim Rammstein-Konzert - das nennt man wohl Triumph.

Was beim über eine halbe Milliarde Mal gestreamten „Roller“ los ist – Ausnahmezustand, wie man es auch als Dauer-Zuschauer in der SAP Arena ganz selten erlebt hat. Die Fans übernehmen den ikonisch gewordenen Refrain mit unglaublicher Inbrunst. Verstärkt wird die gigantische Stimmung durch vorab verteilte Leucht-Armbändchen, die farbig variabel im Takt der mehr oder weniger vertrackten Beats ferngesteuert werden.

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Und das Ganze soll trotz 10 000-fachem Plastik noch nachhaltig ablaufen. Also bittet Apache darum, die auch gut als Souvenir geeigneten Teile wie im Kino die 3D-Brillen zurückzugeben: „Umwelt! Umwelt! Wir sind eine neue Generation“, erklärt er so pflichtschuldig wie selbstironisch. „Auch wenn ich da noch nicht das beste Beispiel bin, aber mit irgendwas muss man ja anfangen.“ Man sieht: Der Auftritt ist in vielerlei Hinsicht souverän.

Selbst frühe Ohrwürmer wie „Nicht wie du“ saugt er auf und wirkt immer wieder auch gerührt („Mannheim, was machst Du mit mir?“, „Ihr bringt mich auch ein bisschen zum Weinen“). Trotzdem liefert er raptechnisch und gesanglich annähernd Perfektion. Am eindrucksvollsten zeigt er das bei drei Balladen auf der kleinen Nebenbühne am anderen Hallenende, begleitet von Schlagzeuger Dirk Erchinger (Jazzkantine) und der an der Popakademie geschliffene Gitarrist Max Grund. Dabei wird wieder mal klar: In diesem vermeintlichen Straßenrapper steckt auch ein waschechter Crooner. Als Sänger im Balladenfach zeigt Apache enorme Emotionalität, die er teilweise  aus seinen türkischen Wurzeln zieht, etwa wenn er ins Tremolo driftet.

Per Boot durchs Publikum

Apropos: Zur Nebenbühne und zurück ging es per Boot zum gleichnamigen Song durchs Publikum – und das ohne Angst auch vor großem Kitsch. Auf der Rückfahrt dirigiert Apache den frenetisch mitsingenden Fanchor zum „Titanic“-Song „My Heart Will Go On“ – diese Mitsingintensität muss die leibhaftige Céline Dion bei ihrem geplanten Konzert im Februar 2023 in der SAP Arena erstmal toppen.

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So war's bei Apache 207 in der SAP Arena

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Dass Apache ansonsten quasi eine Ein-Mann-Show liefert, verstärkt diesen Eindruck noch: Der Sound kommt mit wenigem Ausnahmen von seinem DJ Pretty Flippo. Früher hätte man dazu Halb-Playback gesagt und ein wenig die Nase gerümpft. Inzwischen haben Superstars wie Kendrick Lamar längst gezeigt, dass so zumindest im Hip-Hop große Bühnenkunst entstehen kann. Zumal die Technik heutzutage wesentlich weiter ist, als die ersten großen Rap-Tourneen, die oft einfach nur furchtbar klangen. Das ist in der SAP Arena nicht der Fall.

Bühnenshow mit Theater- und Kino-Elementen

Auch die Bühnenshow verrät große Ambition in der Traditionslinie der Apache-Video-Bildsprache. Sie startet mit blauem Licht und martialischen Rhythmen einer Drumline aus fünf maskierten Trommlern vor der fast in Originalgröße aufgebauten Kulisse des Plattenbaus, in dem der Rapper in Ludwigshafen-Gartenstadt mit zwei Geschwistern und seiner alleinerziehenden Mutter aufgewachsen ist.

Die Geschichte des kometenhaften Aufstiegs aus diesen einfachen Verhältnissen, die der Hauptdarsteller trotzdem in Ehren hält („Apache bleibt gleich“), zieht sich konsequent durch die Dramaturgie des fast zweistündigen Konzerts – optisch und musikalisch. Von „Brot nach Hause“ bis zu den neueren Stücken wie vor allem „Angst“, in denen der junge Vater oft seinen Ruhm samt den Folgen wie Einsamkeit oder Stress relativiert und die Oberflächlichkeiten des Musikgeschäfts reflektiert. Diese Inhalte verleihen seiner Musik und dem Auftritt in der heimischen Arena eine Tiefe, die vielen Genrekollegen meist komplett abgeht.

Die Schauwerte der Show können durchaus mit internationalen Popgrößen mithalten – der Star-Gestus des Deutschrap-Stars sowieso. Nach der Bootstour geht er in Pose, nimmt wie ein US-Rapper den tosenden Jubel ab und verschwindet im Sprint im Wohlblock – verfolgt von behelmten SEK-Darstellern. Filmreif. Prompt läuft auf der riesigen Leinwand wieder so eine „Glaubst Du, irgendjemand will dich singen hören?“-Szene. Schnitt in einen düsteren Raum voller Plattentrophäen – Stille. Zu Moll-Piano-Akkorden trägt das Sondereinsatzkommando einen  schwarzem Sarg zum Spielplatz vor dem Plattenbau. Zu Thriller-Musik folgt die nicht ganz unerwartete Wiederauferstehung - im schwarzem Lederanzug wie einst Elvis 1968. Dann legt Apache den statuenhaft austrainierten Oberkörper frei - für viele hörbar der Höhepunkt der Show. Dazu gibt es die tanzbaren aktuelleren Hits wie „Thunfisch & Weinbrand“ und „Rhythm Of The Night“, das nahtlos in die Partystimmung des gleichnamigen Eurodisco-Songs übergeht. Dazu raucht der Hauptdarsteller erstmal eine und nimmt einen Drink, als wäre er in seiner Privat-Disko: „Schöner kann man sich ein Zigarettenpäuschen nicht vorstellen“, bemerkt er lässig.

Aoache 207 in der SAP Arena - das Programm

  1. Hauptteil: Goldener Käfig (2021),
  2. Brot nach Hause (2019),
  3. Kein Problem  (2019),
  4. 200 km/h  (2019),
  5. Ferrari Testarossa  (2018),
  6. Nicht wie du  (2019),
  7. Famous  (2018),
  8. Roller (2019),
  9. Doch in der Nacht  (2019),
  10. Fame  (2020),
  11. Sie ruft  (2020),
  12. 28 Liter (2020),
  13. Bläulich (2020),
  14. Boot (2020),
  15. Drei-Mann-Set auf Nebenbühne: 2 Minuten  (2019),
  16. Weißes Kleid  (2021),
  17. Wieso tust du dir das an? (2019),
  18. Fortsetzung Hauptbühne: Thunfisch & Weinbrand (2021),
  19. Rhythm Of The Night (2021),
  20. 2sad2disco (2021),
  21. Lamborghini Doors  (2021),
  22. Sport (2021),
  23. Angst (2021),
  24. Zugabe: Vodka  (2021),
  25. Bläulich (2020),
  26. Roller (2019).

„Roller räumt zweimal ab

Nach „2sad2disco“ und „Lamborghini Doors“ nimmt Apache wieder einen Song wörtlich und variiert zu „Sport“ das Thema Liegestütze. Mit Angst endet der Hauptteil. Aber eine als riesiges Applausometer getarnte Samsung-Werbung provoziert die Lautstärke des Jubels um Zugabe bis auf stolze 106 Dezibel. Nach „Vodka“ zeigt sich Apache noch einmal sehr gerührt, legt mit der zweiten Auflage von „Bläulich“ nach, das seine Phase mit nachdenklicheren, selbsttherapeutischen Hits eingeleitet hatte. Und dann kommt, was einfach kommen muss: ein zweites Mal „Roller“. Danach sind keine Fragen mehr offen. Die Fans strömen beseelt aus der Arena. „Apache, ich küsse dein Herz“, schwelgt ein Besucher in unserer Video-Umfrage. Das lohnt sich: Der Merchandising-Stand ist umlagert wie bei Metallica oder Rammstein. Selbst für den Apache-Wein bilden sich vor der Arena lange Schlangen.

Zwei Geheimnisse verraten    

Aber die Show hat auch Nachrichtenwert: Nach diesem Konzert muss zumindest der Wikipedia-Eintrag des vermeintlichen Ludwigshafeners umgeschrieben werden: Denn anders als dort zumindest bis zum Samstag zu lesen ist, wurde Volkan Yaman alias Apache 207 am 23. Oktober 1997 nicht in Ludwigshafen am Rhein geboren. „Viele fragen sich ja, ob ich Mannheimer oder Ludwigshafener bin“, erzählt er. Die Auflösung: „Ich bin in Mannheim geboren und in Ludwigshafen aufgewachsen. Ich bin also beides.“ Später lässt er sich sogar in den Karriereplan schauen: „Es ist vielleicht komisch für Euch, mich reden zu hören. Weil ich noch nie in der Öffentlichkeit geredet und noch nie ein Interview gegeben habe. Das hatte einen Grund.“ Dann lässt er die Katze aus dem Sack: Weil er und sein Team von Anfang daran geglaubt hätten, dass Apache groß rauskommen werde, haben sie wichtige Stationen offenbar gefilmt – für eine Dokumentation über den Rapper, die beim Streaming-Dienst Amazon Prime laufen soll.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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