Konzertkritik Rock - Die früheren New-Wave-Stars um Sänger Jim Kerr begeistern auf dem Maimarktgelände die überschaubare Kulisse von 700 Fans.

Die Simple Minds glänzen in Mannheim vor kleinem Publikum mit großen Melodien

Von 
Martin Vögele
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Simple-Minds-Frontmann Jim Kerr lässt die Fans minutenlang den Welthit "Don't You (Forget About Me)" singen. © Markus Mertens

Mannheim. Es ist ein auratischer Moment, als die Simple Minds beim Zeltfestival Rhein-Neckar auf die Bühne treten. Als Sänger Jim Kerr „What a pleasure to be in Mannheim“ ruft („Was für ein Vergnügen, in Mannheim zu sein“) und die Band mit „Act Of Love“ aus dem Stand, mit frappierender Energie, ein monumentales Klang-Portal öffnet, durch das wir fast 45 Jahre zurück geschleudert werden:  „Act Of Love“ war einer ihrer frühesten Songs überhaupt, geschrieben 1978, im Gründungsjahr einer New-Wave- und Rock-Formation, die in den 1980er Jahren sensationell erfolgreich werden sollte.

Man muss da, nur einen kleinen Moment lang, an Walter Benjamin und seinen berühmten Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ denken, worin der Philosoph (auch) darüber räsoniert, wie die „Aura“ von Kunst durch Vervielfältigungsmöglichkeiten verloren geht. Reproduzierbar war Pop-Musik jedenfalls auch in den 80er Jahren schon längst, und von Authentizität will man gar nicht erst reden. Aber es gab zu jener Zeit – freilich völlig subjektiv wahrgenommen - eine Hingabe an den Pop, einen unbedingten Stilwillen, eine Grandezza und eine Furchtlosigkeit großen Melodien gegenüber, die so vielleicht eben nur Bands zur Vollendung bringen konnten, die mit Punk angefangen hatten (im Simple-Minds-Fall: als Johnny And The Self Abusers) und aus einem Arbeiterklasse-Hintergrund (in der schottischen Industrie-Metropole Glasgow) heraus auf die Weltbühne traten.  Das alles schlägt in diesen „Act Of Love“-Augenblick wie ein Blitz ein.

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40 Jahre Hits

„40 Years Of Hits“, 40 Jahre Hits also, feiert die Band um die beiden Gründer Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill auf ihrer aktuellen Tour, die vor zwei Jahren Corona-bedingt hatte ausgesetzt werden müssen. Es sind überraschend wenige Besucherinnen und Besucher zu dem Konzert ins Palastzelt gekommen, nach Auskunft des Veranstalters sind rund 700 Fans gekommen. Was sehr bedauerlich ist, denn wer nicht hier ist, verpasst schlichtweg einen großartigen Abend. Und wäre es auch nur gewesen, um einen stimmlich äußerst starken Kerr bei der überwältigenden Simple-Minds-Hitsingle „Don't You (Forget About Me“) zu erleben, zu hören, wie das Publikum minutenlang mitsingt (Kerr-Humor-Kostprobe: er ermuntert, die klang-ikonischen Refrain-Zeilen „La, la-la-la-la, la-la-la-la ...“ in verschiedenen Sprachen zu singen). Oder um festzustellen, wie „Belfast Child“ einem, ob man will oder nicht, Gänsehaut-Momente beschert, wie „Mandela Day“ das Zelt mit einem Gefühl von Hoffnung flutet.

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Um sich über den Klassiker „Promised You A Miracle“ oder die unerhörte Lässigkeit der neuen Single „Vision Thing“ zu freuen. Das alles funktioniert auch deshalb so gut, weil Kerr und Burchill mit Schlagzeugerin Cherisse Osei, Gitarrist Gordy Goudie, Bassist Ged Grimes, Keyboarderin (und Vokalistin) Berenice Scott sowie der fantastische Sängerin Sarah Brown grandiose Mitmusiker zu Seite stehen. Mit den 1985er-Singles „Alive And Kicking“ und „Sanctify Yourself“ als letzte Zugaben beenden die Simple Minds ihren Auftritt.

Malik Harris im Vorprogramm

Und von diesem Ende noch einmal ganz zum Anfang des Abends zurückzukehren: Im Vorprogramm tritt der Sänger und Multiinstrumentalist Malik Harris aus, der sich offenbar erfreulicherweise von seinem letzten Platz beim Eurovision Song Contest nicht hat aus der Contenance bringen lassen. Sein live an zwei Loop-Stationen auf Band-Stärke gebrachter Singer-Songwriter-Soul ist jedenfalls ziemlich souverän in Töne gesetzt, und „Rockstars“ war auch schon beim ESC einer der besseren Songs gewesen. Gute Performance.

Freier Autor

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