Das beliebteste heimische Genre ist und bleibt - trotz TV-Kriminaldauerpräsenz - die Komödie. Die Zuschauerzahlen im Kino belegen dies. Siehe Michael Bully Herbig („Der Schuh des Manitu“), Sönke Wortmann („Der Vorname“), Bora Dagtekin („Chantal im Märchenland“) oder Simon Verhoeven („Willkommen bei den Hartmanns“). Warum dies so ist, darüber ließe sich trefflich streiten. Sicherlich ein Grund ist jedoch - neben der Tatsache, dass die meisten Menschen gerne lachen -, dass Humor preiswert zu produzieren ist. Keine Spezialeffekte, kein Actionfeuerwerk, kaum Stunts. Einzige wichtige Bedingung: ein gutes Drehbuch.
Genau daran hakt es bei deutschen Produktionen gerne. Wie nun bei „Alles Fifty Fifty“, worüber der Bayerische Filmpreis für Regisseur Alireza Golafshan („Die Goldfische“) nicht hinwegtäuschen kann. Eine klassische Dreiecksgeschichte hat er mit Moritz Binder („September 5“) als Koautor zu Papier gebracht. Mit einem Liebesratschläge erteilenden Bademeister namens Paris (Jasin Challah), der durch die Handlung führt, dabei aber immer wieder für längere Strecken verstummt. Nicht weiter relevant, denn die Weisheiten, die er zum Besten gibt - „Mein Vater hat mir geraten, einen sitzenden Beruf zu wählen“ - sind nicht von größerem Belang. Obendrein nicht wirklich erfrischend. Aber von Anfang an.
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Besagter braungebrannter Beckenwart - Tiefe 1,40 Meter, wie er anmerkt - ist Angestellter in einem Nobelresort in Apulien. Sonne, Sand und Meer satt. Hier verbringen Marion (Laura Tonke) und Andi (Moritz Bleibtreu), geschiedenes Juristen-Vorzeigepaar mit dickem Portemonnaie - er fährt Porsche, sie Range Rover - ihren Sommerurlaub. Gemeinsam mit ihrem elfjährigen Sohn Milan (Valentin Thatenhorst). Mit von der Partie ist Marions Neo-Lover Robin (David Kross), seines Zeichens herzensguter, unterbelichteter Personaltrainer.
Film hinterfragt Grenzen und Freiheiten in der Erziehung
Der Sohnemann ist ein verwöhntes, überhebliches Einzelkind, der seine Erzeuger geschickt gegeneinander ausspielt, Espresso trinkt, ständig mit Smartphone und Tablet hantiert, aber noch nicht mal schwimmen kann. Wo, siehe oben, Paris ins Spiel kommt. Derweil versuchen Papa und Mama, ein neues Kapitel familiärer Fürsorge aufzuschlagen. Die beiden beschließen, die von Schulseite angemahnten Versäumnisse ihrer Erziehung gemeinsam anzugehen und kommen sich dabei - wenig überraschend - wieder näher. Gleichzeitig erlebt Milan auf dem Campingplatz neben der Luxusferienanlage seine erste zarte Romanze mit der gleichaltrigen Mila (Aennie Lade), Tochter von Weichspül-Rocker Jens (Axel Stein) ...
Deutschlands Liebling
- Seit seinem Debüt in der TV-Serie „Neues aus Uhlenbusch“ zählt Moritz Bleibtreu zu den Publikumslieblingen des deutschsprachigen Raums.
- Er wurde 1971 als Sohn der Schauspieler Hans Brenner und Monica Bleibtreu in München geboren, wuchs in Hamburg auf, absolvierte in Rom, Paris und New York seine Schauspielausbildung und begann seine Karriere beim Hamburger Schauspielhaus.
- Sein Kinodebüt gab er 1993 in Peter Timms „Einfach nur Liebe“, der Durchbruch gelang ihm 1996 als tumber Gangster - ausgezeichnet mit dem Ernst-Lubitsch-Preis und dem Filmband in Gold als „Bester Nebendarsteller“ - im Roadmovie „Knockin' on Heaven's Door“.
- Weltweit wurde er neben Franka Potente in Tom Tykwers „Lola rennt“ bekannt, seitdem war er regelmäßig in internationalen Produktionen wie Steven Spielbergs „München“, Marc Forsters „World War Z“ oder Bill Condons „Inside Wikileaks - Die fünfte Gewalt“ zu sehen.
- 17 Jahre lang übernahm er nur Rollen in Kinoproduktionen wie Fatih Akins Komödien „Im Juli“ und „Soul Kitchen“, 2013 überraschte er mit einem Werbeauftritt für die Cheeseburger von McDonald's.
- Einen Deutschen Filmpreis brachte ihm sein Häftling Nr. 77 in Oliver Hirschbiegels „Das Experiment“ ein, einen Silbernen Bären der Bruno in Oskar Roehlers „Elementarteilchen“.
- Bleibtreu, Vater eines Sohnes namens David (*2008), seit 2020 mit der Personalmanagerin Saskia de Tschaschell verheiratet, aktuell in der Serie „Viktor bringt's“ zu sehen, spricht Englisch, Französisch und Italienisch.
Die brennenden pädagogischen Fragen unserer Zeit sind Thema: Wie viele Grenzen braucht ein Kind, sollten die Eltern sich nicht grundsätzlich entspannter geben, damit der Nachwuchs seine eigenen Erfahrungen sammeln kann? Wie viel Zeit mit digitalen Geräten ist vertretbar? Können unterschiedliche Erziehungsstile der Entwicklung des Kindes schaden? Ist der Wunsch nach häuslicher Harmonie in einer Patchwork-Familie realistisch? Fragen über Fragen, vom Filmemacher mit Hirn und Humor aufbereitet. Problem dabei ist, dass er diesbezüglich halbherzig vorgeht, sich oft zu wenig traut, häufig in Allgemeinplätze und Klischees - reich kontra arm, Edelbadezimmer kontra Campingplatzmünzdusche - verfällt. Wie so oft hat man das Gefühl, dass die Macher die Intelligenz des Publikums unterschätzen.
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„Alles Fifty Fifty“ hält, was er verspricht
Grundsolide ist die technische Umsetzung, Matthias Fleischers („Deutschland 86“) lichtgetränkte Bilder sorgen fürs richtige Azzurro-Pasta-Pizza-Feeling. Schön und trefflich herausgearbeitet sind ein Großteil der Figuren, die alle über spezielle Eigenheiten und Marotten verfügen. Tonke („Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“) - in ihrem Part mit Hang zum Desinfektionsspray - und Bleibtreu („Ich war noch niemals in New York“) spielen überzeugend auf, liegen sich in den Haaren und teilen dann wieder Bett bzw. die Luftmatratze.
Darunter hat vor allem Sonnyboy Kross („Der Vorleser“) zu leiden, der unterbeschäftigt ist und insgesamt blass bleibt, während Stein („Hausmeister Krause - Ordnung muss sein“) mit Rauschebart und Struwwelhaar beim Fische grillen zum Sympathieträger avanciert - und Andi, der „Rücken hat“, tatkräftig von seinen Schmerzen befreit. Mal spritziger Wortwitz, mal plumpe Dialoge, mal kluge Unterhaltung, mal dämliche Klamotte. Der Titel ist Programm, hält, was er verspricht. Alles fifty-fifty.
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