Der neue Film

Viggo Mortensens "The Dead Don't Hurt" ist nur vordergründig ein Western

Bei „The Dead Don’t Hurt“ ist Viggo Mortensen alles auf einmal: Schauspieler, Drehbuchautor, Regisseur und sogar Musiker. Neben ihm spielt Vicky Krieps eine Pionierin, die sich in einer von Männern dominierten Welt behaupten muss

Von 
Gebhard Hölzl
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Wollen sich gemeinsam einen Zukunft aufbauen: Viggo Mortensen als Holger Olsen und Vicky Krieps als Vivienne Le Coudy in „The Dead Don·t Hurt“. © Marcel Zyskind/Alamode/dpa

Als Aragon in der „Herr der Ringe“-Trilogie wurde er berühmt: Viggo Mortensen, 1958 in Manhattan geboren, aufgewachsen auf einer Ranch in Argentinien. Politik und Spanisch hat er studiert, zudem spricht er Dänisch, Französisch und Italienisch. Sein Leinwanddebüt gab er 1985 im Thriller „Der einzige Zeuge“. Dreimal wurde „Cuervo“, so sein Spitzname, für einen Oscar nominiert - für die Parts in „Green Book“, „Captain Fantastic - Einmal Wildnis und zurück“ und „Tödliche Versprechen - Eastern Promises“. Er ist nicht nur Schauspieler, sondern arbeitet auch als Fotograf, Maler und Musiker.

Luxemburgerin Vicky Krieps als kongeniale Partnerin

Mortensen ist ein Renaissance-Mann, ein intellektueller Star, der als Produzent tätig ist und auch schon einmal auf dem Regiestuhl Platz genommen hat - beim Drama „Falling“ (2020), das um das Verhältnis eines Sohnes zu seinem alternden Vater kreist. Für eine Beziehung interessiert sich das Multitalent nun wieder - als Drehbuchautor, Hauptdarsteller und Regisseur, alles in einem. Als Form hat er bei seinem Werk „The Dead Don’t Hurt“ den Western gewählt und als kongeniale Partnerin die Luxemburgerin Vicky Krieps, die spätestens seit ihrem Auftritt als Kaiserin „Sisi“ in „Corsage“ zu den derzeit angesagten Schauspielerinnen zählt.

Vicky Krieps - vom „Zimmermädchen Lynn“ zum internationalen Star

Selbstironisch bezeichnete sich Vicky Krieps in einem Interview als den „größten Star ihres Landes“ - längst aber ist die 1983 geborene Luxemburgerin weit über die Grenzen ihrer Heimat hinaus bekannt.

Erste Schauspielerfahrungen sammelte sie am Conservatoire de Luxembourg, an der Zürcher Hochschule der Künste absolvierte sie eine Schauspielausbildung. Während dieser Zeit wirkte sie in Kurzfilmen und Bühnenstücken mit, spielte am Schauspielhaus Zürich die Titelrolle in „Die rote Zora und ihre Bande“ und inszenierte 2010 „Darwins Erbe“ am Jungen Staatstheater Berlin.

Ihren ersten größeren Kinopart hatte die Enkelin des Politikers und Resistance-Kämpfers Robert Krieps in der Politstudie „Wer wenn nicht wir“ (2011).

Den Durchbruch schaffte sie 2014 als „Das Zimmermädchen Lynn“- geehrt mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino als beste Nachwuchsdarstellerin.

Seitdem brillierte sie etwa in Paul Thomas Andersons Beziehungsdrama „Der seidene Faden“, in der Stieg-Larsson-Verfilmung „Verschwörung“ oder - mit dem Deutschen Fernsehpreis belohnt - in der Sky-Hitserie „Das Boot“. geh

Im Kalifornien des Jahres 1860 setzt die Handlung ein. Im Hafen von San Francisco lernt Vivienne Le Coudy (Krieps) den Schreiner Holger Olson (Mortensen) kennen. Die beiden kommen ins Gespräch - er cool und maulfaul wie einst der junge Clint Eastwood, sie aufgedreht und neugierig - und landen kurz darauf im Bett. Aus dem One-Night-Stand - eigentlich wollte die Frau nur ihren angeberischen Oberklassenliebhaber eifersüchtig machen - wird mehr. So folgt sie dem dänischen Einwanderer in ein trostloses Nest im rauen Hinterland.

Dort bewohnt Holger Olson eine einsam gelegene Hütte - in karger Landschaft ohne Bäume, ohne Schatten. Was Vivienne bemängelt - woraufhin er umgehend Abhilfe schafft. Das Paar harmoniert auf Augenhöhe. Bis der Bürgerkrieg ausbricht und Holger Olsen es als seine Pflicht ansieht, sich freiwillig zu melden.

Weibliche Ermächtigung im Frontier ist das Hauptthema

Vivienne ist fortan auf sich allein gestellt. In der Kleinstadt, wo der rücksichtslose Rancher Alfred Jeffries (Garret Dillahunt), unterstützt vom korrupten Bürgermeisters Rudolph Schiller (Danny Huston), das Sagen hat. Besonders setzt ihr Jeffries‘ sadistischer Sohn Weston (Solly McLeod) zu. Kurz denkt sie darüber nach, dem Ort zu verlassen. Doch sie beschließt zu bleiben und auf Holger zu warten - und so steht sie am nächsten Tag wieder hinter dem Tresen des Saloons, wo sie aushilft.

Der Film kommt daher wie ein klassischer Rancher-Western und ist perfekt aufbereitet. Alle Versatzstücke und die dazugehörigen Figuren sind vorhanden - darunter ein (mexikanischer) Barpianist (Rafel Plana), dem übel mitgespielt wird, leichte Mädchen und eine Pokerrunde. Ein Gottessmann (John Getz) samt Kirche, ein Doktor, Eisenbahner, Pferde, Rinder, Colts und Gewehre. Und ein willfähriger Richter (Ray McKinnon), der nach einem Sechsfachmord einen Unschuldigen zum Tod am Strang verurteilt - was dann so einfach nicht klappen will.

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Das Genre ist jedoch nur Folie. Der Filmemacher interessiert sich in Wahrheit für das harte Leben im „Wilden“ Westen, für die Lebensumstände seiner Protagonisten. Vor allem für die von Vivienne, die sich in einer Männergesellschaft behaupten und durchsetzen muss. Zunächst alleine, später als Mutter eines Sohnes. Es geht um weibliche Ermächtigung im Frontier. Aus der Perspektive von Vivienne wird die Geschichte im Rückblick aufgerollt, auf ihrem Sterbebett lernt der Zuschauer sie kennen. Eine letzte Vision hat sie da, von einem edlen Ritter hoch zu Ross, den sie in Holger findet. Zurückhaltend in Mimik und Gestik füllt Krieps ihre Rolle, lakonische Pionierfrauensätze legt ihr Mortensens Skript in den Mund: „Wie war dein Krieg?“ fragt sie nach der Rückkehr ihren Gatten, setzt sich dann wortlos neben ihn vor die Veranda.

Auch die Filmmusik hat Viggo Mortensen komponiert

Ein sauber ausgestatteter, von Marcel Zyskind („The Killer Inside Me“) beeindruckend fotografierter Film, gleichermaßen episch wie emotional, pointiert untermalt mit dem vom Regisseur selbst komponierten Soundtrack. Ruhig, beschaulich ist das Tempo, melancholisch der Grundton. Zu einer einzigen Schießerei kommt es im Verlauf der Story - und die fällt antiklimaktisch aus. Dennoch lauern überall Hass, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Die Vergangenheit sagt viel über den heutigen Zustand der USA aus.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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