Der neue Film - Detlev Buck und Daniel Kehlmann wagen sich an Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

Detlev Buck und Daniel Kehlmann wagen sich an Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“

Von 
Gebhard Hölzl
Lesedauer: 
Begabt zum großen Auftritt: Jannis Niewöhner (linksl) als Felix Krull und Joachim Król als Kuckuck. © dpa

Zweimal wurde Thomas Manns unvollendeter ironischer Schelmenroman um die „Karriere“ eines ehrgeizigen Taugenichts, der seinen Charme, seine Verführungs- und Verwandlungskünste frech und geschickt für seinen sozialen Aufstieg nutzt, bereits für die Leinwand aufbereitet. 1957 unter der Regie von Kurt Hoffman – mit Manns Tochter Erika als Co-Drehbuchautorin – und Horst Buchholz als Star, 1982 von Bernhard Sinkel, der den Stoff zunächst als TV-Fünfteiler adaptierte und diesen anschließend zu einer knapp zweistündigen Kinoversion montierte.

John Moulder-Brown schlüpfte da in die Rolle des Titelhelden, das Augenmerk lag bei der leichten Komödie primär – arg verkürzt und der Vorlage wenig gerecht – auf den erotischen Eskapaden des jungen Draufgängers.

„Dichtung und Wahrheit“

Jannis Niewöhner – mehr als nur Teenie-Schwarm

Als Zehnjähriger stand er erstmals im Münsteraner Tatort „Fakten, Fakten...“ vor der Kamera, Kurze Auftritte in Fernsehkrimis wie „Der Alte“ oder „Stolberg“ folgten. Da ging Jannis Niewöhner, 1992 in Krefeld-Hüls geboren, noch zur Schule.

2004 debütierte er in „Der Schatz des weißen Falken“ auf der Leinwand, zwei Jahre später erlangte er als jugendlicher Detektiv in „TKKG und die rätselhafte Mind-Machine“ größere Bekanntheit ehe er in „Die Wilden Hühner und die Liebe“ – vom Herzschmerz geplagt – zum Teenie-Schwarm avancierte.

Der Durchbruch gelang ihm in den Zeitreiseromanzen „Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“. Im historischen Gewand war er in der Miniserie „Augustinus“ und als Kaiser „Maximilian“ in Andreas Prochaskas Dreiteiler zu sehen.

Sein internationales Debüt absolvierte er 2015 im finnischen Biopic „The Girl King“, seitdem wirkte er etwa in Detlev Bucks „Asphaltgorillas“, der Serie „Beat“ oder Moritz Bleibtreus Thriller „Cortex“ mit.

Von 2008 bis 2015 war er mit Emilia Schüle – sie standen unter anderem in „Freche Mädchen 2“ gemeinsam vor der Kamera– liiert, 2015 wurde der Hobbykoch und Tennis- bzw. Hockeyspieler auf der Berlinale als „Shooting Star“ ausgezeichnet. geh

Nun hat sich Detlev Buck an das Buch erinnert, das zwischen 1910 und 1913 beziehungsweise 1950 und 1954 entstand, als Parodie auf Goethes Autobiografie „Dichtung und Wahrheit“ geplant war und von den Memoiren des Betrügers Georges Manolescu inspiriert ist. Wie schon bei „Die Vermessung der Welt“ hat Buck mit Bestsellerautor Daniel Kehlmann das Skript verfasst.

Mehr zum Thema

Filminsel

Künstler ausspioniert

Veröffentlicht
Von
cid
Mehr erfahren
Kino

Der neue Bösewicht im vierten "Thor"-Film heißt Gorr

Veröffentlicht
Von
Gebhard Hölzl
Mehr erfahren

Viele Freiheiten haben die beiden sich genommen, was wohl nur eingefleischte Mannianer verärgern dürfte. Die zentrale Frage lautet: „Geld oder Liebe?“, festgemacht wird sie an einer klassischen Dreiecksbeziehung. „Ménage-à-trois“ sagt man dazu im Französischen, das klingt nicht nur eleganter, sondern passt auch besser zur im Rückblick aufgerollten Geschichte, die im Paris der Jahrhundertwende ihren Anfang nimmt. Hierhin hat es Felix Krull (Jannis Niewöhner), Beau aus gutbürgerlichem Haus – der Vater, ein lebenslustiger, gerne Feste feiernder Sektfabrikant, der sich nach dem Bankrott seiner Firma erschossen hat – verschlagen. Nach turbulenter Jugend, in deren Verlauf er seine Fähigkeiten, sich zu verstellen, perfektioniert hat.

Fahrstuhl zum Luxus

Schließlich kommt er, nach einigen Schicksalsschlägen, die er stets gut gelaunt wegsteckt, und mit Hilfe einer kleinen Erpressung als Fahrstuhlführer in einem Luxushotel unter – drangsaliert vom schmierigen Oberkellner Stanko (Nicholas Ofczarek), der ihm einen Großteil seiner Einnahmen abknöpft.

Rasch steigt er in der Hierarchie der Nobelherberge auf, vor allem weil die feinen Damen sich nach seiner Gunst verzehren, allen voran die liebeshungrige Madame Houpflé (Maria Furtwängler). Bei einem „zufälligen“ Zusammentreffen mit dem etwa gleichaltrigen, unglücklich verliebten Louis de Venosta (David Kross) kommen die beiden auf die Idee, ihre Identitäten zu tauschen, um dem Marquis ein Zusammenleben mit der temperamentvollen, freizügigen Zaza (Liv Lisa Fries) zu ermöglichen.

So würde Felix, der sich inzwischen Armand nennt, zwar seine große Liebe – er war es, der Zaza auf den wohlhabenden Aristokraten aufmerksam gemacht hat – verlieren, könnte aber nach absolvierter „Kavaliertour“, der damals unter Adligen üblichen Bildungsreise, endgültig in die besten Kreise aufsteigen. Was ihm final gelingt und an den Königshof von Lissabon bringt, wo er sein Hochstapler-Meisterstück abliefert...

Ein amüsantes, augenzwinkerndes, in der Historie angesiedeltes Schaustück, ein Kostümfilm, der Bezüge zur Gegenwart, siehe Klassengesellschaft, Ausgrenzung oder das Gefälle zwischen Arm und Reich nimmt. Im Kern dreht sich alles um amouröse Irrungen bzw. Wirrungen und die Schlitzohrigkeit des von Niewöhner („Narziss und Goldmund“) nonchalant verkörperten Herzensbrechers, der sich geschickt aus jeder noch so verfahrenen Situation herauszulavieren versteht.

Ein wunderbares Beispiel dafür ist die Musterungsszene mit dem hier schnauzbärtigen Regisseur Buck in einem Kurzauftritt als schneidiger Militärarzt, der Krull als für die Armee ungeeignet einstuft –gerade weil der vorgibt, unbedingt für den Kaiser in den Krieg ziehen zu wollen. Anders als im Ursprungstext, jedoch trefflich variiert.

Stimmiger Look

Überzeugend wie stets füllt Ofczarek („Der Pass“) seinen Part, belegt Hitchcocks These, dass Schurken am nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben. Ebenbürtig Kross („Der Vorleser“), dem man den liebesgeplagten Galan, dem der Papa die nicht standesgemäße Ehe verbietet, sofort abnimmt, sowie die überaus angesagte, sympathische Fries („Babylon Berlin“), die sich männliche Begierden mit kokettem Augenaufschlag unter breitkrempigem Federhut klug zu Nutzen macht.

Komplettiert wird das All-Star-Ensemble durch heimische (Charakter-)Mimen, darunter Joachim Król, Dominique Horwitz, Martin Wuttke und Charly Hübner.

Für den stimmigen Look, sprich das opulente Produktionsdesign, zeichnet Josef Sanktjohanser („Der Fall Collini“) verantwortlich, die souveräne Bildgestaltung hat „Bibi & Tina“-Kameramann Marc Achenbach übernommen, den musikalisch richtigen Ton Harald-Schmidt-Bandleader und Keyboarder Helmut Zerlett getroffen. Kurzum: Thomas Mann light.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen